Die Linke nach der Wahl

Dürre im Olivenhain

Ihre Krise hat die italienische Linke selbst zu verantworten. Die Dämonisierung Berslusconis konnte die eigenen Fehler nur verschleiern.

Nach der Wahlschlappe der italienischen Olivenbaumkoalition war auf der Internetdiskussionsseite der linken Tageszeitung il manifesto zu lesen: »Die linke Mitte hat Serbien bombardiert, Privatschulen finanziert, nichteheliche Lebensgemeinschaften und die Homoehe nicht anerkannt, öffentliche Ausgaben gekürzt, Banken und Versicherungen geschmiert, der privaten Industrie traumhafte Gewinne beschert, ohne die Löhne und die Lage der Arbeiter verbessert zu haben. Soll man ihr tatsächlich nachweinen?«

Diese Liste ließe sich mühelos verlängern. Beispielsweise brachte die Regierung unter Massimo D'Alema 1999 eine Reform der Geheimdienste auf den Weg. Diese müssen sich seither nicht mehr vor dem Parlament rechtfertigen, sondern unterstehen direkt dem Ministerpräsidenten. Und im vergangenen Jahr stellte das Kabinett die Carabinieri den anderen Heeresgattungen gleich. Mit dieser autoritären Umstrukturierung wurden jene Vorschläge kopiert, die faschistoide Funktionäre der Carabinieri seit Jahren selbst vorlegen. Zudem wurde nur wenige Tage vor der Wahl am 13. Mai die Dauer der Untersuchungshaft für Menschen, die unter Terrorismusverdacht stehen, von 18 auf 24 Monate verlängert.

Eine ansehnliche Bilanz für eine Koalition, die mit Enzo Bianco einen Innenminister hatte, der eine italienische Variante des Zero-Tolerance-Konzeptes vertrat, als erster europäischer Innenminister die elektronische Fußfessel einführte und die menschenunwürdigen Verhältnisse in den staatlichen Aufnahmelagern für Immigranten zu verantworten hat.

Obwohl mit dem Wahlsieg von Silvio Berlusconi der Aufstieg eines neuen rechten Machtblocks vielen Italienern als massive Bedrohung erscheint, unterschieden sich die Aussagen der Exponenten des linksliberalen und des rechten Blocks während des Wahlkampfs kaum. Sei es in der Diskussion um mehr oder weniger Föderalismus, die innere Sicherheit oder eine verlässliche Europapolitik, sei es in den Versprechen, die Infrastruktur zu modernisieren und den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren - die Sprechblasen glichen sich auffallend.

Im Grunde ist auch das Wahlverhalten der Italiener seit 1996 trotz unterschiedlicher Ergebnisse unverändert geblieben. Die jüngsten Analysen erklären den Wahlsieg von Berlusconis Mitte-Rechts-Koalition, dem Haus der Freiheiten, mit einer geschmeidigeren Bündnispolitik.

Keineswegs haben die Wähler in Scharen die politische Seite gewechselt, wie dies die Verteilung der Sitze in den beiden Parlamentskammern auf den ersten Blick vermuten lässt. Berlusconi hat es mit seiner »Öffnung nach rechts« lediglich geschafft, durch geschickte Wahlabsprachen das Potenzial der Lega Nord abzuschöpfen, den Einfluss der Alleanza Nazionale einzudämmen und einen großen Teil der rechten Strömungen aus der ehemaligen Christdemokratie in seiner Partei, der Forza Italia, aufgehen zu lassen.

Die Besonderheit der italienischen Wahlgesetzgebung, die eine Mischung aus dem Mehrheits- und dem Verhältniswahlrecht darstellt, verhalf dem Olivenbaum 1996 zu einer relativen Mehrheit. Damals unterstützte jedoch die Rifondazione Comunista den Ulivo, und der populäre Staatsanwalt Antonio Di Pietro trat nicht wie dieses Jahr mit seiner Partei »Italien der Werte« alleine zur Wahl an.

Die Weigerung der Rifondazione, dem Linksbündnis diesmal zumindest taktische Wahlhilfe zu leisten, nahmen die linksdemokratischen Intellektuellen, allen voran Umberto Eco, schon während des Wahlkampfs zum Anlass, eine Art moralischer Erpressungs- und Beschuldigungskampagne gegen die Rifondazione zu führen.

So hieß es beispielsweise, dass die demotivierten Linken, die sich bei der anstehenden, keinesfalls normalen Wahl von Mitte Mai, dem moralischen Referendum für oder gegen Berlusconi entzögen, am Ende die Verantwortung dafür trügen, ein Zensurregime an die Macht gebracht zu haben.

Nach dem Wahlerfolg von Berlusconis Haus der Freiheiten beteiligte sich auch der bekannte italienische Regisseur Nanni Moretti, der gerade zur Präsentation seines neuen Films in Cannes weilte, an den Schuldzuweisungen. Fausto Bertinotti, der Sekretär von Rifondazione Comunista, sei schuld an der politischen und ethischen Niederlage der Linken, erklärte Moretti vor der internationalen Presse in Südfrankreich.

Der Fehler solcher Einschätzungen liegt an der schematischen Wahrnehmung der links orientierten Wählerschaft als einer rein arithmetischen Summe. Wer jedoch zugleich links, gegen Berlusconi, gegen den Balkankrieg sowie kein bewusster Nichtwähler und ausgemachter Parlamentarismuskritiker ist, der konnte eigentlich nur der Rifondazione seine Stimme geben.

Die Protagonisten der Anklage gegen linke Strömungen wie die Rifondazione, beschränkten sich indes bis zuletzt darauf, Berlusconi zu dämonisieren, um einen linken, um die Kapitalismuskritik reduzierten, Konsens herzustellen, der durch das Taktieren mit der erpresserischen Moralfrage alle Widersprüche innerhalb der italienischen Linken neutralisieren sollte. Schützenhilfe erhielt diese Koalition ausgerechnet von besorgten konservativen und liberalen Meinungsmachern aus dem Ausland, bei denen der irritierende Aufstieg Berlusconis zu Unbehagen führte.

Nach Meinung des Economist etwa verletzt ein Regierungschef, der sich als Eigner eines Medienimperiums in die Geschäfte eines Geldinstituts wie der Mediabank einmischt, die Grundregeln der freien Marktwirtschaft. Die Mediabank hat sich immer schon gegen den Einfluss von ausländischem Kapital in Italien zur Wehr gesetzt und die Regierung Berlusconi wird diese protektionistische Politik wohl fortsetzen.

Zudem dürfte der neue Ministerpräsident versuchen, den politischen Raum wie ein Unternehmer zu besetzen und ihm die Regeln der Privatwirtschaft aufzuzwingen. Schließlich strebt das Haus der Freiheiten die Umschreibung der italienischen Verfassung an. Wenn man berücksichtigt, dass das Vermögen und der Einfluss Berlusconis vermutlich mafiösen Ursprungs sind, vollzieht sich nun, nachdem die einfache Geldwäsche bereits stattgefunden hat, mit dem politischen Projekt Berlusconis eine endgültige Einbindung dieser Mittel in den legalen Produktions- und Kapitalkreislauf.

Deshalb ist die Angst in Europa groß, dass die Mafia zukünftig die Politik dominiert, und nicht umgekehrt. Zudem könnte mit dem neuen Machtblock das Verhältnis von Staat und Gesellschaft unter dem Einfluss der im Haus der Freiheiten vertretenen extremen Rechten totalitäre Formen annehmen.

Sowohl die ethnisch-separatistische Prägung der Lega Nord als auch die zentralstaatliche Variante rechter Ideologie, wie sie die Alleanza Nazionale vertritt, machen jede Form von Sozialpartnerschaft unmöglich. Gefragt ist nur noch Zustimmung, und dazu zählen auch die Einschaltquoten von Berlusconis Medienanstalten.

In einer solchen Zukunft könnten soziale Konflikte durchaus wieder eine antagonistische Form annehmen. Eine Generalprobe für diese Annahme könnten die Streiks bieten, die in vielen Branchen und insbesondere bei den Metallarbeitern anstehen. 1993 schlossen die drei großen Gewerkschaften CGIL, UIL und CISL mit den Unternehmern ein Abkommen, in dem festgelegt wurde, dass der Tarifvertrag alle zwei Jahre neu ausgehandelt wird. Dabei geht es um einen Lohnausgleich, der sich unter anderem an der Inflationsrate orientiert.

Dieses Jahr hat sich der Industriellenverband Confidustria, der sich im Wahlkampf bereits auf die Seite von Berlusconi schlug, für die Konfrontation entschieden und will beim Tarifabschluss nur die prognostizierte, nicht die reale Inflationsrate, die meist weitaus höher liegt, berücksichtigen. Währenddessen hofft die Linke, dass die Metallarbeiter sie in bewährter Weise wieder aus der Krise führen.