»Friedenstruppe« für Nahost

Prima Freunde

Vor einigen Jahren nahm der israelische Friedensaktivist Uri Avnery in Ma'ariv die Palästinenser vor dem Vorwurf in Schutz, sie ließen sich von Antisemiten und Israel-Hassern aus aller Welt helfen. Er zitierte einen Freund aus der PLO, der erklärte, es sei den Palästinensern durchaus bewusst, dass sie fünfzig Jahre lang die Unterstützung falscher Freunde akzeptiert hätten, von denen sich zu verabschieden es nun höchste Zeit sei. Denn umgebe man sich mit Antisemiten oder attackiere Israel selbst mit antisemitischen Argumenten, stärke man lediglich den Zionismus, der schließlich eine Reaktion auf den europäischen Antisemitismus gewesen sei.

Seit dem Ausbruch der Al-Aqsa-Intifada nun scheint Avnery in seiner Verzweiflung vergessen zu haben, was ihm der palästinensische Freund erklärte. Die von ihm und Gush Schalom erhobene Forderung nach einer »internationalen Friedenstruppe« zum Schutz der Palästinenser nämlich, so oppositionell und gut sie in Israel gemeint sein mag, findet in Europa selbst Unterstützer nur unter Leuten, vor denen einst der PLO-Mann und Freund Avnerys zu Recht gewarnt hat.

Stolz verkündet zum Beispiel die Deutsch-Arabische-Gesellschaft - sonst stramm antizionistisch in Theorie und in Praxis, wenn es um die Handelsverträge ihrer Mitglieder aus der Wirtschaft mit Libyen und dem Irak geht - auf ihrer Homepage, sie stimme »Avnerys Meinung vollinhaltlich zu«.

So wird der israelische Friedensaktivist von der FAZ, der jungen welt und der FR zum Helden der Deutschen geadelt, der sagt, was keiner sich zu sagen traut. Außer natürlich den Nazis, Antiimperialisten und neuerdings auch Le Monde diplomatique, in deren letzter Ausgabe zu lesen war, »dass Sharon von den Europäern, die er als 'Feiglinge' bezeichnet, nichts zu befürchten hat. Hier verlässt er sich ganz auf das Schuldgefühl, das aus dem Genozid an den Juden während des Zweiten Weltkriegs herrührt.«

Derartiges liegt Avnery und den 350 Intellektuellen Israelis, die kürzlich für den Einmarsch einer bewaffneten Friedenstruppe votierten, natürlich fern. Schließlich war es ihr verhass-ter Gegner Ariel Sharon, der sich 1999 gegen das zivilgesellschaftliche Engagement der Nato im Kosovo aussprach, weil er - ausnahmsweise äußerst klarsichtig - die heutige Situation Israels voraussah. Innerhalb Israels nun gegen Sharon zu stehen, ist eines; in Deutschland und Europa für Truppen zu werben und so dem innerimperialistischen Kampf um Einflusssphären in Nahost, in dem die Europäer aufseiten Saddam Husseins und des Iran stehen, ein weiteres moralisches Feigenblatt zu liefern, ein anderes.

Die Tatsache, dass nichts übrigbleibt, als sich vehement vor diesem Bündnis aus israelischer und deutscher Friedensbewegung, europäischen Geopolitikern und deutschem Kapital zu verwahren, ist ein weiteres Mosaiksteinchen in der Geschichte eines fast hundertjährigen Scheiterns, das sich einmal mehr in den aktuellen Debatten um die »Linke und den Staat Israel« manifestiert. Wer jedenfalls - der Folgen bewusst oder in falscher Solidarität - nun einfordert, was zwangsläufig den Nahen Osten in einen zweiten Balkan verwandeln wird, dem sei das Szenario, das Andrej S. Markovits von einer solchen Zukunft entwirft, ans Herz gelegt. Bald, schreibt er in dem neuen konkret-Buch über Israel, könne es dem Irak und dem Iran mit tatkräftiger Hilfe aus Europa gelungen sein, Israel auszulöschen, wobei es »den Westeuropäern und Russen (...) vor allem um eine endgültige Verdrängung der Amerikaner aus Europa und dem Nahen Osten (geht). Aber es geht ihnen noch um mehr: Um eine Ausmerzung liberalen und westlichen Gedankenguts, um den Triumph einer Weltanschauung, in der die USA, Israel und die Juden als Hauptfeinde errscheinen und kompromisslos besiegt werden müssen.«

Wenn das geschieht, werden nicht die Deutsch-Arabische Gesellschaft und die Nazis, wohl aber einige Friedensbewegte, wie weiland Kaiser Wilhelm II nach den ersten Millionen Kriegstoten, rufen: »Das haben wir nicht gewollt.«