Der DGB unterstützt Schröders Politik

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Um Gerhard Schröders arbeitsmarktpolitische Ziele zu unterstützen, setzen die Gewerkschaften weiter auf Lohnverzicht.

Gerhard Schröder hat eigentlich allen Grund, Trübsal zu blasen. Bei seinem Amtsantritt im Herbst 1998 hatte der Bundeskanzler noch großspurig verkündet, die damalige Zahl von vier Millionen Arbeitslosen halbieren zu wollen. Jetzt sieht es so aus, als würde er es noch nicht einmal schaffen, die Erwerbslosenzahl im kommenden Jahr unter 3,5 Millionen zu senken, wie er es mit Blick auf die Bundestagswahl 2002 versprochen hat. Davon gehen zumindest fünf von sechs der führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute aus. Der Abbau der Arbeitslosigkeit erfolge wegen der derzeit schwachen wirtschaftlichen Entwicklung langsamer als ursprünglich erwartet.

Das Wirtschaftswachstum sei nicht stark genug, um den Arbeitsmarkt zu beleben, sagte auch der Vizepräsident der Bundesanstalt für Arbeit, Heinrich Alt, vorige Woche in Nürnberg bei der monatlichen Bekanntgabe der Arbeitsmarktzahlen. Für das laufende Jahr rechnet die Bundesanstalt mit 3,7 Millionen Arbeitslosen und korrigierte ihre Prognose vom Jahresbeginn nach oben.

Dennoch gibt sich Schröder optimistisch und hält an seinem Ziel fest. Trotz des gebremsten Wachstums der deutschen Wirtschaft gebe es keinen Grund zum Pessimismus, sagte er nach Bekanntgabe der Zahlen. Doch selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) will nicht mehr so recht an die Versprechen des Kanzlers glauben. Ursula Engelen-Kefer, die stellvertretende DGB-Vorsitzende, sagte am vergangenen Mittwoch, dass der ursprünglich angepeilte Rückgang der Arbeitslosigkeit nicht mehr zu erreichen sei, auch wenn sich der Trend noch zum Positiven wenden sollte. Auch in Bezug auf das Ziel, die Zahl der Arbeitslosen im Wahljahr 2002 auf 3,5 Millionen zu senken, zeigte sie sich skeptisch.

Dennoch sind die Gewerkschaften mit der Regierung im Großen und Ganzen zufrieden. Der DGB ist zwar wegen der Faulenzerdebatte noch ein wenig sauer, doch die Kooperationsbereitschaft mit der Bundesregierung und den Unternehmen ist nach wie vor ungebrochen. Um die Erwerbslosigkeit zu bekämpfen, setzen Gewerkschaften, Unternehmen und Regierung immer noch auf das »Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit«.

Die drei Partner hatten bereits 1999 vereinbart, die Produktivitätssteigerungen in der Wirtschaft nicht für Lohnerhöhungen, sondern zum »Aufbau von Beschäftigung« zu verwenden.

Damals kritisierte der Ökonom Heiner Flassbeck, der bis zum Rücktritt des damaligen Bundesfinanzministers Oskar Lafontaine Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war, dieses Vorhaben mit den Worten, dass »Produktivität allein niemals arbeitsplatzbeschaffend sein« könne, da im besten Fall so viele Leute eingestellt wie an anderer Stelle etwa durch Rationalisierungen entlassen würden (Jungle World, 8/99).

Während seit Mitte der achtziger Jahre die Arbeitskosten weit hinter den Produktivitätszuwächsen blieben, so Flassbeck, sank die Steuerbelastung der Unternehmer um ein Drittel. Die Kapitalrenditen stiegen deshalb enorm, obwohl die Investitionsentwicklung in Deutschland schwach war wie noch nie in einer wirtschaftlichen Aufschwungphase.

Den wirtschaftlichen Aufschwung der beiden vergangenen Jahre begründet die Gruppe alternative Wirtschaftspolitik aus Bremen allerdings mit dem Wirtschaftsboom in den USA. Im Gegensatz zur Europäischen Union, wo das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,3 Prozent stieg (in Deutschland um 3,1 Prozent), verzeichneten die USA ein Plus von 5,1 Prozent. Die Wissenschaftler begründen den amerikanischen Aufschwung mit einer Steigerung des privaten Verbrauchs, der durch eine niedrige Sparneigung, eine hohe Verschuldung und Kapitalimporte zustande gekommen sei. Mit 70 Prozent trägt der private Verbrauch zum amerikanischen BIP bei, in der Bundesrepublik sind es lediglich 57, und in der ganzen EU knapp 60 Prozent. »Maßgeblich für die deutsche Entwicklung waren die Tarifabschlüsse, die mit durchschnittlich 2,4 Prozent weit hinter dem verteilungsneutralen Spielraum von fünf Prozent lagen«, so die Bremer Wissenschaftler.

Trotzdem glauben die Gewerkschaften noch immer, mit der Lohnzurückhaltung hätten sie ihren Beitrag zum Abbau der Erwerbslosigkeit geleistet. So werden Niederlagen zu Erfolgen umgedeutet. Die niedrigen Lohnabschlüsse sind vor allem der mangelnden Durchsetzungskraft der Gewerkschaften geschuldet. Die jüngst vereinbarte Tariferhöhung von 2,8 Prozent im privaten Bankgewerbe etwa dürfte wohl hauptsächlich auf den geringen Organisationsgrad in der Branche zurückzuführen sein. Er liegt unter zehn Prozent; da lässt sich schwerlich kämpfen.

Dass es auch anders geht, zeigte die Pilotenvereinigung Cockpit, die der Lufthansa nach einem viermonatigen Tarifstreit in der vorigen Woche eine satte Erhöhung der Gehälter abgetrotzt hat. Frank Bsirske, der Vorsitzende der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (verdi) fürchtet nun, dass solche berufsgruppenspezifischen Tarifabschlüsse die Tarifpolitik »gegen die Wand« fahren würden. Dagegen spricht sich Constanze Lindemann, Sprecherin des verdi-Fachbereichs Medien in Berlin, dafür aus, die Gewerkschaften sollten zusammen »die Unterwerfung unter neoliberale Standortlogik« beenden und eine »Kehrtwende in der Tarifpolitik« einleiten.

Doch die meisten Gewerkschaftsfunktionäre sind noch immer der Meinung, ihre Organisationen trügen eine »gesamtgesellschaftliche Verantwortung«. Im Abbau der Überstunden sehen sie gegenwärtig eines der Hauptmittel, zu mehr Arbeitsplätzen zu kommen. In diesem Sinne ruft Engelen-Kefer zum Verzicht auf: »Es gibt Menschen, die sind auf Überstunden angewiesen. Doch die Menschen, die auf Überstunden verzichten, müssen sehen, dass der Verzicht anderen zugute kommt.« Viel mehr können die Gewerkschaften zur Zeit nicht bieten.

Selbst bei Einschnitten ins Sozialsystem orientieren sich die Gewerkschaften an der neoliberalen Formel, dass der Sozialstaat bezahlbar bleiben müsse. »Die Behauptung, dass die Kosten für einen starken Sozialstaat unbezahlbar seien, entbehrt jeder Grundlage«, sagen hingegen die Bremer Ökonomen. Und Heiner Flassbeck nannte die Ideologie der Bundesregierung, man müsse den Gürtel enger schnallen, eine »typisch deutsche Mentalität«, die im Übrigen nichts mit dem Wesen des Kapitalismus zu tun habe: »In der Gesamtwirtschaft gibt es nur positive Impulse, wenn Geld ausgegeben wird, und nicht beim Sparen.«