Online-Demo gegen die Lufthansa

Fasten Your Seatbelts

Im Internet erhöht sich die Geschwindigkeit der Legendenbildung mit der der Datenübertragung. Gerade 18 Monate ist es her, dass Netz-AktivistInnen in einem legendären toywar den Online-Spielwarenhändler Etoys in die Knie zwangen. Der hatte zuvor eine kleine Netzkunst-Gruppe vor Gericht gezerrt, um ihnen den Domain-Namen etoy.com abzunehmen. Dann geschah, was schon als Meilenstein gilt: Das Teuerste, was ein eCommerce-Portal besitzt, wurde unter virtuellen Dauerbeschuss genommen. Und zwar so arg, dass mit dem Webserver auch der Aktienkurs zu Boden ging.

Der Spielzeug-Krieg war erfolgreich, weil der Ärger der Netznutzer angesichts der Kommerzialisierung des Internets mit der Empörung darüber zusammenkam, dass »die Großen« immer Recht bekommen, auch wenn sie im Unrecht sind. Die Story von David und Goliath liefert Stoff für allerlei Visionen in Sachen elektronischer Klassenkampf, selbst wenn es keine Garantie dafür gibt, dass die gesellschaftlichen Koordinaten, die so eine Aktion begünstigen, immer wieder aufs Neue stimmen.

Ein Sieg über das Schwergewicht Lufthansa ist schon deshalb nicht so leicht zu haben, weil die nötige Empörung leider nicht den Imperativen des gesunden Menschenverstands folgt, für den der Diebstahl eines Domain-Namens eine Unerhörtheit darstellen kann, das Verfrachten von Menschen gegen gutes Geld aber ganz andere Kaliber rechtfertigen müsste.

Der kommende Datensturm auf dem Lufthansa-Server sollte deshalb nicht als Event ultimativer Hipness, sondern als elektrischer Schlag einer anhaltenden politischen Kampagne verstanden werden, die so aggressiv und kreativ zu sein hat, wie es ihre Gründe und Ziele verlangen. Abschiebung muss teuer werden, das ist die Message. Attention Lufthansa, fasten your seat belts!

»Wir sind nur das Transportunternehmen, die Entscheidungen trifft der Staat.« So lautet das Argument des Pressesprechers, wenn er sich darüber beschwert, die Lufthansa sei das falsche Objekt der Kampagne. Zumal die Abschiebungen »mit freundlichem Service vonstatten gehen«, wie der Saubermann Thomas Jachnow stolz zu ergänzen pflegt.

Wollte man auf diese Mentalität moralisch antworten, wären bezahlte Handlangerdienste sicherlich als widerwärtiger zu denunzieren als das eigenverantwortliche Verbrechen. Aber da es darum geht, dieses zu stoppen, ist die privatwirtschaftliche Lufthansa in der organisierten Kommandokette vom Ausländeramt über den Abschiebeknast bis zum Flughafen sicherlich das schwächste Glied.

Wichtiger als der kaum zu beziffernde ökonomische Verlust, den die Airline noch dementieren kann, ist der Image-Schaden. Für die Lufthansa ist die Beschmutzung ihrer Edelmarke schmerzhaft. Die Frage stellt sich, ob der minimale Umsatz mit den Abschiebungen noch in einem angemessenen Verhältnis steht zur geschäftsschädigenden Assoziation: »Lufthansa gleich Tod durch Abschiebung«.

Wo Aufklärungsarbeit und Demonstrationen die eigene Politik und Ästhetik gegen jene des Gegners stellen, eignet sich die Anti-Image-Kampagne die Symbole des Feindes subversiv an, um sie mit anderer Bedeutung zu belegen und in einen gesellschaftlichen Kontext neu einzuschreiben: Deportation Class, there's no better way to die. Das ist gefährlich und verwirrend, also angemessen.

Endlich im digitalen Zeitalter gelandet, verkauft die Lufthansa nicht einfach Flugtickets mithilfe elektronischer Datenübertragung. Das wäre zu profan. Hier geht es gleich um Identität. Der Kunde nimmt am globalen Netzwerk des 21. Jahrhunderts teil. Die Qualität der Hardware ist Nebensache, entscheidend ist das Symbolmanagement. Die Online-Demo könnte nicht das Computersystem, sondern den Hype um den Netzkonzern zum Absturz bringen.