Griechisch-mazedonische Beziehungen

Kein Krieg für nichts

Griechenland ist der größte Investor in Mazedonien. Mit zunehmender Besorgnis verfolgt die Regierung in Athen deshalb die Entwicklung in dem Nachbarland.

In der nordwestgriechischen Region Florina haben sich nach Berichten der Sonntagszeitung Eleftherotypia tis Kiriakis paramilitärische griechische Gruppen gebildet, um albanischsprachigen Separatisten »im Notfall« bewaffnet entgegentreten zu können. Doch ansonsten scheint die griechische Bevölkerung nicht besonders an dem sich zuspitzenden Konflikt zwischen der Nationalen Befreiungsarmee UCK und der mazedonischen Armee interessiert zu sein. Kaum jemand beschäftigt sich mit den Vorgängen im Nachbarland, solange die Massenmedien keine antimazedonische oder antialbanische Hetze verbreiten.

Besorgnis erregten allerdings die Anhänger der Demokratischen Partei der Nationalen Einheit (DPMN) des mazedonischen Ministerpräsidenten Ljupco Georgievski, die am 25. Juni das griechische Verbandsbüro in der mazedonischen Hauptstadt Skopje angriffen und dabei die griechische Fahne herunterrissen. Der mazedonischen Polizei gelang es nicht, einige der rund 10 000 Demonstranten daran zu hindern, ihren Unmut gegen die wirtschaftliche Vorherrschaft Griechenlands in Mazedonien kundzutun (Jungle World, 19/01). Das Verbandsbüro koordiniert die Investitionen griechischer Firmen in Mazedonien.

Der ursprüngliche Anlass für die heftigen Proteste war die Zusage der mazedonischen Regierung an die UCK-Separatisten, von Aracinovo, einem Vorort Skopjes, nach Nikustak ungeschoren abziehen und dabei sogar ihre Waffen mitnehmen zu können. Zwei Wochen lang hatten die UCK-Kämpfer damit gedroht, aus Aracinovo die Hauptstadt Skopje anzugreifen. Ihr ungehinderter Rückzug wurde als Verrat der nachgiebigen mazedonischen Regierung betrachtet.

Trotz dieser unguten Entwicklungen und trotz der politischen Annäherung Mazedoniens an die Türkei sieht die griechische Regierung bisher keinen Grund, ihre Armee an der Grenze in Bereitschaft zu versetzen. Allerdings wird sich demnächst auch griechisches Militär an der Nato-Operation »Essential Harvest« beteiligen, in deren Rahmen die UCK entwaffnet werden soll. Da nach griechischem Gesetz kein Soldat zur Teilnahme an militärischen Einsätzen jenseits der Grenzen verpflichtet werden kann, soll die Einheit aus 800 Freiwilligen der 525. Heeresbrigade bestehen, berichtete die Tageszeitung Makedonia.

Die neue Nato-Truppe dürfte anders als die Sfor in Bosnien-Herzegowina und die Kfor im Kosovo nicht im Auftrag der Vereinten Nationen handeln, sondern auf Grundlage eines Abkommens mit der Regierung in Skopje. Dabei dürfte die griechische Beteiligung vor allem der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen dienen.

Auf die Hegemonie des griechischen Kapitals in Mazedonien bezieht sich auch der ehemalige mazedonische Staatspräsident Kiro Gligorov in seinem im Juni in Athen vorgestellten Memoiren. Das Buch hat, wie zu erwarten war, hetige Reaktionen ausgelöst. In einem Vorabdruck in der Wochenzeitung To Vima tis Kiriakis stand zu lesen, die griechische Wirtschaft wolle die wichtigsten mazedonischen Firmen kaufen oder in Kooperation mit westlichen Firmen übernehmen. Mittlerweile ist Griechenland der Hauptinvestor in Mazedonien. In seinem Buch enthüllt Gligorov außerdem bisher unbekannte Details der Verhandlungen über den Namen des mazedonischen Staates.

Bis heute nennt Mazedonien sich offiziell Former Yugoslav Republic of Macedonia (FYROM). In Griechenland kam es anlässlich der mazedonischen Staatsgründung zu Protesten, da es auch eine griechische Provinz namens Mazedonien gibt. Gligorov thematisiert in diesem Zusammenhang auch die Rolle des griechischen Geheimdienstes und das 1991 von Griechenland verhängte Embargo gegen Mazedonien.

Zudem warnt er eindringlich vor der Entstehung eines großalbanischen Staates, die unweigerlich einen Balkan-Krieg verursachen müsste, in den Serbien, Mazedonien, Montenegro und der Kosovo hineingezogen würden und an dem auch Griechenland nicht unbeteiligt bleiben könnte. Denn in Griechenland existiert ebenfalls eine albanischsprachige Minderheit, die wegen illegaler Zuwanderung anwächst und sich den Ressentiments der Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt sieht.

Die Gefahr der Einmischung Griechenlands in den mazedonischen Konflikt sieht auch der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica, seitdem die mazedonischen UCK-Separatisten damit drohen, ihre Angriffe auch auf das nordwestgriechische Epirus auszudehnen, das an das südliche Albanien grenzt. Diese Möglichkeit schließt man allerdings im griechischen Verteidigungsministerium aus. Ein Sprecher sagte, sollte dieser Fall eintreten, würde sich höchstens der griechische Grenzschutz damit beschäftigen.

Die führende Rolle Griechenlands auf dem Balkan wird von der griechischen Linken unterschiedlich eingeschätzt. Von großen Teilen wird sie bejaht. Nikos Konstantopoulos, der Vorsitzende der Koalition der Linken und des Fortschritts (SYN), einer Schwesterpartei der deutschen PDS, warnte davor, dass die Destabilisierung der Region und die bewaffneten Auseinandersetzungen Griechenland teuer zu stehen kommen und die »Gewinne« in der Zukunft beeinträchtigen könnten.

Linke Antimilitaristen und Anarchisten hingegen kritisieren das Vordringen griechischer Firmen und Unternehmen. Die Antikriegsbewegung etwa betont, sie kämpfe nicht für die griechischen Investitionen auf dem Balkan, und wirft der griechischen Regierung und der Wirtschaft vor, man habe Mazedonien »schamlos« zum griechischen Interessensgebiet erklärt und wolle sich nun an der imperialistischen Intervention beteiligen. Das Komitee zur Solidarität für Soldaten teilte mit: »Wir wollen nicht zum Brennstoff für die Absichten des griechischen Kapitals werden.«

Gegen den Balkan-Stabilitätspakt und die European Agency for Reconstruction in South East Europe (Europäische Agentur für den Aufbau in Südosteuropa) ging letzte Woche eine Gruppe von Anarchisten vor. Ein Kongress an der Universität Makedonia, an dem u.a. ein Vertreter der Agentur sowie eine griechische Repräsentantin der Weltbank teilnahmen, wurde gestört. Es wurden Flugblätter verteilt, Parolen gesprüht und Eier auf die Redner geworfen. Die anarchistischen Gegner des Stabilitätspakts sehen in ihm die Fortsetzung des Krieges mit wirtschaftlichen Mitteln.