Xavier Naidoo und der »Kindesmissbrauch«

Krasser Shit

Ach, Xavier, was machst du nur? Okay, du hast schon vorher in jedem zweiten Interview den Assimilierten raushängen lassen, hast gesagt, du fühlst dich wohl in Deutschland, Deutschland wäre geil und tolerant, und so. Hätte man ja noch als Marketing-Strategie interpretieren können. Aber nun das. Was zu viel ist, ist zu viel. Und in letzter Zeit hast du wirklich zu viel gemacht. Zu viel krassen Shit.

Zuerst machtest du zusammen mit Sabrina Setlur den Soundtrack (»Alles«) für irgend so einen neuen deutschen Film. Das ging ja noch an, hat sich cool angehört. Brauchtest halt das Geld für ein neues Auto in deiner Oldtimer-Sammlung. Aber dann tust du dich auch noch mit dem Realsatiriker Michael Mittermeier zusammen. Wolltest wohl noch eine größere Zielgruppe, was? Von dieser Humorlosigkeit angesteckt, bist du dann aber komplett ausgetickt. Mit Ben Becker zusammen, diesem blassen Möchtegern-Allround-Outlaw, wandertest du ins Tonstudio, um dort das Gedicht »Du, nur Du« neu zu interpretieren. Ach, Xavier, warum hast du dich nur von Gott hin zu solch einer irdischen Gestalt begeben?

Da bist du dann wohl auf den Kraut-Geschmack gekommen. Wolltest nicht immer nur Opfer sein, sondern auch mal tätiger Gutmensch - obwohl das ja in unseren Breiten auf dasselbe hinausläuft. Du erzählst der Max, du wärst als Kind sexuell missbraucht worden. Beziehungsweise du hast es gar nicht so gesagt, der Pressegeier hat es nur so aufgeschrieben, oder andersrum, oder wie auch immer. Aus diesen »starken persönlichen Gründen« hast du jedenfalls Falcos »Jeanny« gecovert. Ursprünglich für den »Pop2001«-Sampler, zusammen mit Reamonn, die dann gleich noch die Stiftung »Saving an Angel« aufmachen. Die Schwester eines Reamonn-Musikers wurde übrigens auch als Kind missbraucht. Oder so ähnlich. Oder gar nicht.

Dann produziertet ihr einen Video-Clip, in dem blonde Kindchen in blütenweißen Höschen am sauberen Strändchen herumtollen, nur um zuletzt in die starken Arme ihres Väterchens gleiten zu dürfen. In seiner ästhetischen Mischung aus Lebensborn- und Kraft-durch-Freude-Fantasien, geblümtem Sommerfrische-Lolita-Style, Waschmittelwerbung aus den Fünfzigern und Heile-Welt-Ikonographie ist der Clip nur eins: faschistoider Mist.

Nicht nur, dass Falco sich im Grabe umdrehen würde angesichts dieser Vergewaltigung seines Stücks; sich dieser Art halluziniertem oder tatsächlichem Kindesmissbrauch anzunähern, führt nicht dazu, die Verhältnisse, die beide hervorbringen und bedingen, zu verurteilen, sondern bedient einzig das Bündnis aus Elite und Mob, das nur nach dem verbalen oder tatsächlichen Draufschlagen lechzt. »Keiner kann sich der Verantwortung entziehen, jeder ist aufgerufen, wachsamer zu werden«, singt ihr. So habe ich mir die »geballten Fäuste«, die du und die Brothers Keepers der hiesigen Bevölkerung reichen wolltet, nun wirklich nicht vorgestellt.