Gefährdeter Waffenstillstand

Modell Hizbollah

Der Waffenstillstand zwischen Israel und der palästinensischen Autonomiebehörde (PA), der vor einem Monat vom CIA-Chef George Tenet vermittelt wurde, gerät in Gefahr. Nach mehreren Angriffen auf israelische Siedler rückten in der Nacht von Donnerstag auf Freitag vergangener Woche israelische Truppen in Nablus und Hebron ein, es kam zu Feuergefechten mit palästinensischen Milizen und Sicherheitskräften.

Kurz zuvor hatte das renommierte Militärjourmal Foreign Report einen angeblichen israelischen Plan veröffentlicht, demzufolge eine Invasion der palästinensischen Gebiete Arafat entmachten und seine Streitkräfte zerschlagen soll. »Ich freue mich zu sehen, dass eine so wichtige Zeitschrift eine so blühende Fantasie hat«, kommentierte Außenminister Shimon Peres. Premierminister Ariel Sharon bestätigte am Freitag noch einmal, die Politik begrenzter Militärschläge sei eine »strategische Wahl«, an der er festhalten werde.

Auch die israelischen Militäraktionen gegen die libanesische Hizbollah blieben begrenzt. Der Konflikt mit der islamistischen Miliz, an deren Strategie sich die Al-Aqsa-Intifada orientiert, verdeutlicht zugleich die Probleme, denen Israel auch dann gegenüberstehen könnte, wenn es zu einem Friedensvertrag mit der PA kommen sollte.

Ursprünglich hatte die Hizbollah ihren Kampf mit der Notwendigkeit begründet, den Abzug der israelischen Truppen aus dem Südlibanon militärisch zu erzwingen. Im Mai 2000 zog sich die israelische Armee zurück, doch der libanesische Präsident Emile Lahoud und der syrische Außenminister Farouk al-Sharaa erklärten, der Abzug sei nicht vollständig, da das weiterhin von israelischen Truppen kontrollierte Gebiet der Shebaa-Farmen Teil des Libanon sei. Sowohl der UN-Sicherheitsrat als auch Israel betrachten das Gebiet als Teil Syriens, und diese Einschätzung teilte auch die libanesische Regierung noch vor einiger Zeit: 1988 gedruckte Banknoten kennzeichnen die Shebaa-Farmen als syrisches Territorium.

Der Sinneswandel dürfte auf eine Intiative Syriens zurückgehen. Der vorübergehende Verzicht auf dieses Gebiet schien der syrischen Führung kein zu hoher Preis für die Möglichkeit, dort mittels der Hizbollah weiter einen begrenzten Stellvertreterkrieg gegen Israel führen zu können. Die bislang spektakulärste Aktion der Hizbollah war die Entführung dreier israelischer Soldaten am 7. Oktober vergangenen Jahres.

Dass die in unmittelbarer Nähe stationierte Uno-Truppe Unifil nicht eingriff, kann ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden, denn ihr Mandat gestattete keine Intervention. Doch die Uno-Bürokratie versucht bis heute, die Frage der Shebaa-Farmen und der Stellung der Hizbollah als halbstaatlicher Miliz zu ignorieren, zudem leugnete sie gegenüber der israelischen Regierung neun Monate lang, im Besitz eines nach der Entführung gefilmten Videos zu sein (Jungle World, 29/01).

Viele Israelis befürchten, dass radikale palästinensische Gruppen nach einem israelischen Rückzug in ähnlicher Weise wie die Hizbollah einen Vorwand für weitere bewaffnete Aktionen finden werden. Und dass auf eine Uno-Truppe dann wenig Verlass wäre, hat die Unifil bewiesen.