Streit bei den Christdemokraten

CDU gegen CDU

Ohne ein ständiges Hauen und Stechen kommen die Berliner Christdemokraten nicht aus. Und das ist auch gut so. Sonst hätte die Politik der Stadt gar keine Highlights mehr.

Der Parlamentarismus hat auch seine Vorteile, manchmal ist er sogar richtig spannend. Wenn gewählt wird, zum Beispiel. Nicht immer, aber manchmal. Mit dem Ergebnis an sich hat das freilich nichts zu tun.

Doch den Wahlabend vor der Glotze zu verbringen und um die Zehntelprozente zu fiebern, in der Hoffnung, eine andere Zusammensetzung der Koalition würde zumindest ein klein wenig ändern - das hat höchstens mit Naivität, nicht aber mit Spannung zu tun. Und seitdem die Rote-Socken-Kampagne der CDU zur Geschichte gehört, ist auch Wahlwerbung alles andere als interessant. Das Beispiel Berlin zeigt es deutlich. CDU-Spitzenkandidat Frank Steffel präsentiert sich familienfreundlich mit Ehefrau Katja und wünscht den Hauptstadtbewohnern »Schöne Ferien«. Die Grünen präsentieren sich sogar als Waschmittel der Nation, verzichten dabei aber leider auf Slogans, die sich anbieten würden: »Jugoslawien hat gezeigt: so gründlich wie wir wäscht keiner« wird man vergeblich suchen.

Dennoch ist Parlamentarismus nicht nur langweilig. Schließlich gibt es ja so was wie eine politische Auseinandersetzung. Klar, auch wenn die Beteiligten selbst ihren Wettstreit als offenen, fast marktwirtschaftlichen Konkurrenzkampf sehen, ist er nur ein systemimmanentes Spektakel, das die Möglichkeit vermeintlicher Alternativen imaginiert. Trotzdem ist es manchmal ganz nett anzuschauen, dieses Spektakel.

Man nehme zum Beispiel die Berliner Christdemokraten. Ewig haben sie die Hauptstadt regiert, ewig wurden sie von Eberhard Diepgen und seinem Freund Klaus-Rüdiger Landowsky geführt. »Mit harter und autoritärer Hand«, wie es in der Partei heißt, »dafür aber auf den richtigen Weg«.

Das aber funktionierte nur, bis der worst case für Politiker eintrat: Bestechungsfälle, Parteispenden und Riesenschulden, verursacht durch gescheiterte Immobiliengeschäfte, wurden bekannt. Erst stürzte Landowsky als CDU-Funktionär, dann Diepgen als Regierender Bürgermeister. Ihrer beiden wichtigsten Führungspersönlichkeiten der letzten 20 Jahre beraubt, entwickelte die Partei plötzlich ein aufregendes Eigenleben. Viele sahen die Möglichkeit gekommen, Einfluss auf die Entwicklung zu nehmen, keiner wollte hingegen einen verantwortungsvollen Posten übernehmen. Wer will schon gern als Nachfolger eines Skandal-Duos auf die politische Bühne treten? Keiner? Richtig.

Bis zuletzt versuchte Spitzenkandidat Frank Steffel, die CDU-Symbolfigur Wolfgang Schäuble zur Kandidatur zu bewegen. Und der hatte sogar schon zugesagt. Dann aber meldeten sie sich zu Wort, die gefürchteten Westberliner Bezirksfürsten der Hauptstadt-CDU. Jahrelang hatten sie erfolglos versucht, gegen den Diepgen-Landowsky-Clan Stimmung zu machen, unter dem Label Union 2000 sogar einen Partei-internen Interessenkreis gegründet.

Nach dem unfreiwilligen Abgang der beiden autoritären Unions-Chefs sahen sie ihre Chance gekommen und wollten sich selbst in verantwortungsvolle Positionen hieven - freilich ohne selbst den Kandidaten für die vermutlich aussichtlose Abgeordnetenhauswahl im Oktober zu stellen.

Tatsächlich waren die Anhänger der einstigen Union 2000 zunächst erfolgreich: Wolfgang Schäuble wurde weggedisst. Drohungen, via Springerpressse seine Verwicklungen in den Parteispendenskandal zum Wahlkampfthema zu machen und die Nachricht aus der Berliner CDU, »der Landesvorstand unterstützt Ihre Kandidatur, Herr Schäuble, die Basis nur zum Teil«, bewegten den Bundespolitiker zur Aufgabe.

Statt dessen wurde Steffel ins Amt gehoben, interessanterweise gemeinsam von Landowsky und seinen einstigen Konkurrenten von der Union 2000. Von diesem, weil er in dem 35 Jahre jungen Unternehmer den perfekten Nachfolger sieht, von jenen, weil sie dachten, der Mann sei leicht zu demontieren, wenn er erst einmal die Wahl im Oktober ordentlich verloren hat.

Aber es kam anders, als die Westberliner Bezirksfürsten gehofft hatten. Denn Steffel, zu Beginn noch ängstlich und das Verheizen seiner Person im Wahlkampf befürchtend, ist ein besserer Taktiker, als zunächst angenommen wurde. Er ist vor allem besser als sämtliche Vordenker der Union 2000 zusammen, mögen diese nun Uwe Lehmann-Brauns, Ingo Schmitt oder Dietmar Schütze heißen.

Zunächst regelte er zusammen mit Diepgen dessen Nachfolge als Landesvorsitzender. Steffel selbst soll nach den Plänen der beiden beim nächsten Landesparteitag diese Position übernehmen und damit die unumstrittene Nummer eins der Berliner Christdemokraten werden. Für den jungen aufstrebenden Mann gleich ein Grund auch über die anderen wichtigen Posten in der Partei nachzusinnen.

Als einer der ersten war Generalsekretär Ingo Schmitt zum Abschuss vorgemerkt. Vielleicht ahnte der Mann schon etwas von dem Schicksal, das ihm Steffel zugedacht hatte, vielleicht war es auch einfach nur ein Aussetzer. Kaum hatte er offiziell den »fairen« Wahlkampf der CDU eröffnet, bezeichnete er den Schulsenator Klaus Böger vom ehemaligen Koalitionspartner SPD als »größte Politnutte, die ich kenne«.

Taktisch vielleicht nicht gerade eine Glanzleistung, aber immerhin medienwirksam. Statt sich zu fragen, welche Politnutten Schmitt denn sonst noch kenne oder ob er am Ende selbst eine sei, echauffierten sich die Berichterstatter über den Ausspruch des CDU-Generals - und Steffel mischte nur zu gern mit.

Hatte der frisch gekürte CDU-Spitzenmann noch vor dem Bekenntnis des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) zu seiner Homosexualität versucht, seinen künftigen Konkurrenten durch Anspielungen anzufeinden, spielt er nun den Saubermann. Und das allein um der partei-internen Säuberung willen.

Diskreditiert hatte Schmitt sich mit der Äußerung selbst - unabhängig vom Wahrheitsgehalt seines Ausspruches. Unter normalen Umständen hätte er dafür wohl nur eine Rüge einstecken müssen, aber Steffel nutzte die Chance eiskalt und servierte seinen Gegner ab. Statt Schmitt darf sich jetzt Joachim Zeller als General der Berliner Union bezeichnen. Der Ostberliner, bisher Bürgermeister des Regierungsbezirks Mitte, war zwar nicht Steffels erste Wahl, gilt aber als loyal - und ließ sich vor allem ohne großen Widerstand in der CDU durchsetzen.

Kurz vor der Wahl steht Steffel also als der große Sieger da. Spitzenkandidat, designierter Parteichef und vor allem Strippenzieher der Union - was will man mehr? Regierender Bürgermeister werden zum Beispiel? Kein ungefährlicher Job, vor allem wenn man in den eigenen Reihen nicht nur Freunde hat. Die Union 2000 verfügt zwar zunächst nicht mehr über einflussreiche Positionen, aber sie ist deswegen noch lange nicht tot.

So sehr man den Wahlausgang ignorieren kann, so intensiv sollte man also auch künftig das Gehacke innerhalb der CDU beobachten. Es könnte sich lohnen.