Die Waffengeschäfte des Ex-Präsidenten Menem

Kroatiens kleiner Helfer

Gegen den argentinischen Ex-Präsidenten Menem wird wegen illegaler Waffengeschäfte ermittelt. Doch auch Mitglieder der derzeitigen Regierung waren daran beteiligt.

Wenn es kein Brot gibt, führe sie in den Zirkus« - mit diesem Satz könnte man die Strategie der argentinischen Mitte-Links-Regierung unter Präsident Fernando de la Rua zusammenfassen. Konfrontiert mit Protesten gegen ihre Sparmaßnahmen, kam es der Regierung gelegen, dass Anfang August die Ermittlungen wegen illegaler Waffengeschäfte, an denen sich hohe Politiker beteiligt hatten, wieder aufgenommen wurden. Um bei den Parlamentswahlen im Oktober bestehen zu können, möchte man den Eindruck erwecken, dass gegen die Korruption gekämpft wird und der Justizapparat normal arbeitet.

6 500 Tonnen Waffen und Munition waren zwischen 1991 und 1995 an Kroatien und Ecuador verkauft worden, während dort bewaffnete Auseinandersetzungen stattfanden. Der damalige Präsident Carlos Menem hatte den Deal autorisiert und ein Dokument unterzeichnet, in dem als offizielle Ziele der Waffentransporte Panama und Venezuela angegeben wurden. Deshalb ordnete Bundesrichter Jorge Urso am 7. Juni seine Inhaftierung an. Wegen seines hohen Alters von über 70 Jahren bleibt Menem jedoch das Gefängnis erspart, er muss nur im Hausarrest in seiner Residenz von Don Torcuato bleiben.

Nicht alle Mitglieder von Menems oppositioneller Gerechtigkeitspartei (PJ) scheinen sich bedingungslos hinter den ehemaligen Präsidenten stellen zu wollen, wohl aus der Erwägung, dass eine Solidarisierung im Falle eines Schuldspruchs der Regierung nützen könnte. Am 9. August veranstalteten PJ-Funktionäre zwar einen Protestzug zur Unterstützung Menems, doch die Beteiligung blieb dürftig.

Menems Verteidiger haben am 7. August Widerspruch gegen die Entscheidung des Richters Urso eingelegt. Vermutlich Ende August oder Anfang September werden jetzt die Staatsanwälte über den Fortgang der Ermittlungen gegen den ehemaligen Staatschef entscheiden.

In Ihrem Widerspruch bewerten Menems Anwälte das Verfahren als eine »juristische Extravaganz ohne gesetzliche Grundlage«. Die Arbeit Ursos sei »unverantwortlich«, »willkürlich« und durch »Verfolgungsabsichten« motiviert, er handle nach der »Logik einer Komödie«.

Außerdem zeigen sich Menems Rechtsexperten verwundert, dass Urso bislang Wirtschaftsminister Domingo Cavallo nicht belangt. Auch während der zehnjährigen Menem-Ära hatte Cavallo hohe Funktionen bekleidet und ebenfalls jene Akte unterzeichnet, mit der versucht werden sollte, die Ziele des Waffenexports zu vertuschen. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Rezession scheint Cavallo auf Immunität zählen zu können. Er soll derzeit den Zusammenbruch der argentinischen Finanzmärkte verhindern und gilt als der Mann mit dem besten Draht zu den USA und den internationalen Finanzorganisationen, deren Unterstützung für Argentinien unentbehrlich ist.

Unterdessen wird in der argentinischen Öffentlichkeit über die Beteiligung weiterer Verdächtiger und die internationalen Dimensionen des Waffendeals spekuliert. Anfang Juli hatte die kroatische Wochenzeitung Globus erklärt, der Kriegsverbrecher Dinko Sakic sei der Vermittler zwischen den an dem Waffendeal beteiligten Argentiniern und Kroaten gewesen, wobei er seine doppelte Staatsbürgerschaft genutzt habe. Das gehe aus einem Dokument hervor, dass die argentinischen Ermittler zwar angefordert, aber von den kroatischen Behörden nie erhalten hätten.

Sakic, der während des Zweiten Weltkrieges das NS-Konzentrationslager Jasenovac leitete, verbüßt seit seiner Auslieferung 1998 an Kroatien dort eine 20jährige Haftstrafe.

Der kroatisch-argentinische Journalist Drago Pilsen hingegen bestreitet die Beteiligung von Sakic an dem Waffendeal: »Es ist klar, dass sich Kroatien irgendwie Waffen besorgen musste, und in Zagreb kümmerte man sich nicht darum, ob Argentinien das Embargo nun einhält oder nicht.« Problematisch seien für die kroatische Seite nur die hohen Summen gewesen, die Typen wie der sich heute im Ruhestand befindende General Vladimir Zagorac in Form von Schmiergeldern und Provisionen verschlangen. Berechnungen der Justiz beziffern die Ausgaben für das Waffengeschäft auf 100 Millionen Dollar. Von diesem Betrag sollen mindestens 60 Millionen Dollar für Bestechungsgelder ausgegeben worden sein (Jungle World, 20/01).

Globus berichtet außerdem, dass Miroslav Tudjman, der Sohn des ehemaligen kroatischen Staatschefs Franjo Tudjman, in dem Waffengschäft als Hehler fungierte. Miroslav Tudjman war in jenen Jahren der Chef der kroatischen Geheimdienste und ist noch immer einflussreich in der kroatischen Politik (siehe Seite 11).

Auch ein Vorfall, der in der Öffentlichkeit fast in Vergessenheit geraten war, wird nun mit dem Waffengeschäft in Verbindung gebracht. Am 3. November 1995, acht Monate, nachdem Urso seine Ermittlungen begonnen hatte, zerstörte eine Explosion die staatliche Waffenfabrik in Cordoba fast vollständig, drei Stadtviertel wurden in Mitleidenschaft gezogen. Bei der Explosion starben sieben Menschen, 350 wurden verletzt. Die Umstände sind verdächtig, denn genau in dieser Fabrik hatte die argentinische Armee jene Waffen gelagert, die illegal nach Kroatien und Ecuador transportiert wurden. Die konservative argentinische Zeitung La Nación meint, die Explosion sollte »den Militärs einen guten Vorwand liefern, das Fehlen von tausenden Projektilen, Gewehrläufen und kompromittierenden Dokumenten zu rechtfertigen«.

In ihrer Verteidigungsschrift erwähnten Menems Anwälte eine Beteiligung der USA an dem Waffengeschäft nicht. Der Ex-Präsident legte ein solche aber nahe. Vier Tage vor seiner Festnahme hatte er im Fernsehen erklärt, dass die Waffenverkäufe keine Angelegenheit für die Justiz seien, sondern eine staatliche, die internationale Verbindungen betreffe. Menem riet denjenigen, die mit dem Fall befasst sind, Washington zu Rate zu ziehen.

Auch Experten des privaten argentinischen Informationsdienstes Seprin halten eine Beteiligung der USA für wahrscheinlich: »Es wäre nicht das erste Mal, dass die USA und insbesondere die CIA diese Art von Aktionen durchführen.« Menem wäre allerdings auch nicht der erste, der von seinen ehemaligen Geschäftspartnern in den USA fallen gelassen wird. In Washington dürfte man sich, wie in Buenos Aires, derzeit vor allem über die politische Stabilität Sorgen machen.

Der Prozess, so Seprin, diene vor allem dazu, »der aktuellen Regierung Glaubwürdigkeit zu geben, die aufgrund der immer drastischer werdenden ökonomischen Strukturanpassungsmaßnahmen an Popularität und Untertützung verloren hat.« Ein politischer Prozess, der ihren Willen zur Transparenz beweist, könnte dieser Regierung etwas des verlorenen Kredites wiedergeben.

Allerdings könnten bei einem konsequenten Vorgehen der Gerichte die Ermittlungen für die Regierung auch unangenehm werden. Wenn »die Ermittlungen ernsthaft geführt werden,« würde nicht nur der gesamte menemistische Flügel innerhalb der PJ stürzen, betroffen wären auch »viele Funktionäre der aktuellen Regierung (...), und wir beziehen uns nicht nur auf Cavallo«, schreibt Seprin.