Jugoslawische Flüchtlinge in Deutschland

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Vor zehn Jahren suchten die ersten Jugoslawen Asyl in der Bundesrepublik. Die anfängliche Sympathie für die Bürgerkriegsflüchtlinge wich bald bürokratischen Schikanen.

Die Flucht nach Nordeuropa ergriffen viele Jugoslawen schon vor dem Beginn der Kriege in Kroatien und in Bosnien-Herzegowina 1991/92. Viele Männer aus dem ganzen Land, die ihre bevorstehende Einberufung zum Armeedienst erwarteten, desertierten. Aber auch die südserbische Provinz Kosovo musste bereits lange vor dem Nato-Bombardement von 1999 auf Tausende der Bewohner verzichten. Unter den rund 300 000 Flüchtlingen, die seit 1992 die neu gegründete Bundesrepublik Jugoslawien - bestehend aus Montenegro und Serbien - in Richtung Deutschland verließen, befanden sich 200 000 Kosovo-Albaner.

Ihren Höhepunkt erreichte die Fluchtbewegung in den Jahren von 1992 bis 1995. Rund 350 000 Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina kamen vor dem Abschluss des Friedensvertrages von Dayton im November 1995 nach Deutschland, wo in der ersten Hälfte der neunziger Jahre die Flüchtlinge aus Bosnien eine recht gute Presse hatten, ähnlich wie später während des Natobombardements die Kosovo-Albaner. Die meisten der faktischen Bürgerkriegsflüchtlinge erhielten damals, sofern sie kein Asyl beantragt hatten, eine Aufenthaltsbefugnis und durften in allen Bundesländern arbeiten. Unter allen europäischen Staaten nahm die Bundesrepublik die größte Zahl von Bosnien-Flüchtlingen auf.

Dass die Bundesrepublik ein so beliebtes Ziel für Flüchtlinge aus Jugoslawien war, lag aber kaum an der damaligen politischen und gesellschaftlichen Stimmung. Der wichtigste Grund für viele Bosnier, Kroaten, Serben und Kosovo-Albaner, hierher zu kommen, war die Existenz größerer südosteuropäischer Communities. Die Bundesrepublik hatte in den Jahren des Wirtschaftswachstums viele Arbeitskräfte aus Jugoslawien angeworben. Bürgerkriegsflüchtlinge konnten deshalb auf Kontakte zu Familienangehörigen und Bekannten zurückgreifen.

Nach dem Vertragsschluss von Dayton änderte sich die Stimmung gegenüber den Flüchtlingen grundlegend. Der Krieg galt als beendet, folglich sollten sie zurückkehren, auch die Bosnier bekamen das zu spüren. Die offizielle deutsche Politik ging davon aus, dass früher oder später alle bosnischen Flüchtlinge nach Bosnien-Herzegowina zurückkehren würden, ein entsprechender Stufenplan wurde ausgearbeitet.

Wegen der faktischen Teilung des Landes in die muslimisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska konnte es aber für viele Flüchtlinge kein Zurück in ihre Herkunftsorte mehr geben. Auch für Roma, die in allen Teilen des auseinandergebrochenen Jugoslawiens Diskriminierungen ausgesetzt waren, war eine Rückkehr meist unvorstellbar.

Doch darauf nahm man in Deutschland in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre immer weniger Rücksicht. Mit der Verschärfung des Asylbewerberleistungsgesetzes begann 1997 die sozialpolitische Vertreibung der Flüchtlinge. Die Behörden gingen immer häufiger davon aus, dass bosnische Flüchtlinge allein deshalb gekommen seien, um finanzielle Unterstützung zu beziehen. Mit dieser Begründung wurde von einigen Sozialämtern die Sozialhilfe nach einer Frist von wenigen Tagen eingestellt, die Flüchtlinge sollten nur noch ein Rückflugticket und Proviant für den Weg erhalten.

Wer bleiben durfte, wurde in Wohnheimen interniert und hatte sich fortan mit einem bargeldlosen Leben zu begnügen. Viele Bosnier fügten sich dem Ausreisedruck, einige stellten Anträge auf Ausreise in andere Staaten, zumeist nach Kanada, die USA oder Australien.

»Wir führen seit wenigen Monaten einen politischen Diskurs über Zuwanderung«, versuchte die grüne Ausländerbeauftragte Marieluise Beck im vergangenen Jahr die Situation bosnischer Flüchtlinge zu beschreiben. »Gleichzeitig wird bei denen, die schon hier leben, die integriert sind und deutsch sprechen, in Kauf genommen, dass sie in die USA, nach Kanada und Australien weiterwandern, wo schon heute mehr Bosnier leben als in Deutschland.« Damals lebten nach Angaben des Uno-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) noch 30 000 bis 40 000 von einst 350 000 bosnischen Bürgerkriegsflüchtlingen in Deutschland. Heute sollen es nach Schätzungen 20 000 bis 30 000 sein.

Bei den meisten der hier verbliebenen Bosnier handelt es sich um Traumatisierte. Aus zahlreichen Gutachten von Fachärzten geht hervor, dass an eine Rückkehr an die Orte des Krieges ohne größere psychische Schäden nicht zu denken ist. »Diese Menschen könnten aber in der Bundesrepublik ein normales Leben führen und sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeit selbst verdienen, wenn wir ihnen das gestatten würden«, erklärte Marieluise Beck im Frühling des Jahres 2000.

Doch da hatten die Innenminister mehrerer Bundesländer die Maßnahmen gegen Bosnier schon verschärft. Die Innenverwaltungen in Berlin, Bayern und Baden-Württemberg ziehen seit Anfang des letzten Jahres fachärztliche Gutachten über Traumatisierungen in Zweifel. Amtsärzte werden beauftragt, die Flüchtlinge noch einmal zu untersuchen, die meisten Gutachten zu Traumatisierungen werden von ihnen für ungültig erklärt. In der Folge nahmen die Abschiebungen zu.

Doch auch für die, die noch bleiben konnten, gab es kaum Perspektiven. Der Aufenthalt wurde meist nur für wenige Wochen oder Monate verlängert. Nach Schätzungen des Berliner Flüchtlingsrates hat auch unter dem Übergangssenat nur jeder fünfte der bosnischen Flüchtlinge in Berlin eine Aufenthaltsbefugnis, die zumindest für ein Jahr gültig ist.

Auch der Beschluss der Innenministerkonferenz (IMK) vom Mai dieses Jahres, wonach Flüchtlinge aus allen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens eine auf zwei Jahre befristete Aufenthaltsbefugnis bekommen können, wenn sie in den letzten beiden Jahren Arbeit hatten, bringt keine Besserung. Nur ein dauerhaftes Bleiberecht, wie es Dänemark, die Niederlande, Österreich oder Großbritannien einzelnen Bosniern gewähren, böte eine Perspektive, traumatische Erlebnisse zu verarbeiten. Außerdem war es Bosniern in den letzten Jahren zumeist untersagt zu arbeiten. Viele Menschen sind inzwischen zu alt oder haben aus anderen Gründen keine Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Der IMK-Beschluss aber zielt allein darauf ab, das deutsche Handwerk dabei zu unterstützen, neue Arbeitskräfte zu finden.

Eine bescheidene Rücksichtnahme auf die Flüchtlinge fordert dagegen die PDS. »Für die bosnischen Flüchtlinge, die bis zum Kriegsende 1995 hierher kamen und immer noch hier leben, streben wir eine Altfallregelung an«, sagt die Berliner PDS-Abgeordnete Karin Hopfmann. Dafür solle das Land Berlin eine Bundesratsinitiative einleiten. Alle jugoslawischen Flüchtlinge, die bis 1995 hierher kamen, sollen in gleicher Weise davon profitieren.

Nur für eine Gruppe will die PDS noch etwas mehr Gnade walten lassen. »Für Kosovaren, die danach kamen, sollen individuelle Härtefallregelungen geprüft werden.« Die humanitäre Intervetion lässt grüßen.