UN-Konferenz in Durban gegen Rassismus

It’s So Hard to Say I'm Sorry

Auf der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban wollen die westlichen Staaten nicht um Entschuldigung für Sklavenhandel und Kolonialismus bitten.
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Mehr als 6000 Delegierte sind zur UN-Weltkonferenz gegen Rassismus (WCAR) nach Durban gekommen. Minderheiten- und Frauenrechte sollten debattiert werden, die Lage der Dalits, der »Unberührbaren« im indischen Kastensystem, ebenso wie Flüchtlings- und Migrationspolitik. Afrikanische und karibische Staaten sowie die Vertreter afro-amerikanischer Organisationen verlangen zudem eine Entschuldigung des Westens für den transatlantischen Sklavenhandel und Reparationen.

Davon aber wollen die EU und die USA nichts wissen. Sie weigern sich, den Sklavenhandel als Verbrechen gegen die Menschheit anzuerkennen. Zur WCAR entsandten sie nur Beamte der unteren Ränge, was von nicht westlichen Beobachtern als »Interesselosigkeit« interpretiert wurde. Selbst zu einer offiziellen Entschuldigung scheinen die westlichen Staaten nicht bereit zu sein.

Die zweite große Streitfrage, der israelisch-palästinensische Konflikt, hat die WCAR bereits vor ihrem Beginn am Freitag vergangener Woche an den Rand des Scheiterns gebracht. Die Konferenz der Nicht-Regierungsorganisationen, das sogenannte NGO-Forum, das der WCAR vorausging, wurde wegen des Antisemitismus vieler Delegierten zu einem Debakel. Die angespannte Situation eskalierte so weit, dass jüdische und pro-palästinensische Teilnehmer von Polizeikräften getrennt werden mussten. »Wir wissen nicht, ob es überhaupt moderate arabische Delegierte hier gibt. Wann immer wir den Dialog gesucht haben, wurden wir niedergebrüllt«, so Manuel Pritschi vom Canadian Jewish Congress.

Viele Delegierte setzten Zionismus mit Rassismus und Apartheid gleich. Dabei wurden sie von den Organisatoren des Forums, der südafrikanischen NGO-Allianz Sangoco, unterstützt. Deren Präsidentin Mercia Andrews forderte die separate Jugendkonferenz auf, »eine Resolution zu verabschieden, die Israel und die USA zu Schurkenstaaten erklärt.«

Nachdem die Mehrheit der NGO-Delegierten für die Beibehaltung antizionistischer Inhalte in der Abschlusserklärung gestimmt hatte, zogen sich die jüdischen Organisationen demonstrativ zurück. Europäische NGO und Human Rights Watch haben beschlossen, ebenfalls keine »hate language« in diesem Dokument zuzulassen.

Die Position der südafrikanischen NGO erklärt sich allerdings teilweise aus dem langjährigen Bündnis zwischen Israel und dem südafrikanischen Apartheid-Regime. Die arabischen Staaten dagegen hatten die damalige Befreiungsbewegung ANC unterstützt. So wird die Position des Vorsitzenden der palästinensischen Autonomiebehörde, Yassir Arafat, der in seiner Rede vor dem Plenum Israels Politik als »neue und weiterentwickelte Form der Apartheid« bezeichnete, in Südafrika weithin geteilt.

Auch auf der offiziellen Konferenz stand der Nahost-Konflikt im Mittelpunkt. Die EU vertritt wie die USA die Position, dass die Gleichsetzung von Zionismus und Rassismus »unakzeptabel« sei. Am Sonntag drohte die israelische Delegation abzureisen, falls die arabischen Staaten nicht nachgeben. Die USA würden sich diesem Schritt vermutlich anschließen. Beide Staaten hatten sich erst nach langem Zögern entschlossen, aus Beamten bestehende Delegationen nach Durban zu schicken.

Die Boykottdrohung der USA sollte jedoch auch verhindern, dass über Reparationen für die Nachkommen von Sklaven verhandelt wird. Diese Forderung hat sich dank der Konferenz von einem innenpolitischen Thema der USA zu einem globalen Streit entwickelt. Die US-Regierung wollte insbesondere verhindern, dass die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschheit bezeichnet wird, da ansonsten Rechtsansprüche auf Entschädigung entstehen könnten. In den Vereinigten Staaten werden Gerichtsverfahren zu diesem Thema vorbereitet, deren Kläger Reparationen in dem historisch einmaligen Umfang von 400 Milliarden US-Dollar einfordern werden.

Die meisten europäischen Regierungen hatten sich in dieser Frage hinter den USA versteckt, um nicht für die Verbrechen des Kolonialismus und den Sklavenhandel belangt werden zu können. Die britische Regierung argumentierte vor der Konferenz, dass der transatlantische Sklavenhandel kein Verbrechen gegen die Menschheit sein könne, da er nach damaligem Recht legal war.

Die Haltung der westlichen Welt zu diesem Teil ihrer Geschichte wurde von den NGO-Delegierten als zynisch empfunden. Die Arbeit von Millionen afrikanischen Sklaven, die Zwangsarbeit und die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen im Rahmen der Kolonialherrschaft trugen maßgeblich zur industriellen Entwicklung der Metropolen und damit zur ungleichen Verteilung des Reichtums in der Welt bei. Die Staaten, die davon profitiert haben, müssten sich deshalb nicht nur entschuldigen, sondern auch einen finanziellen Ausgleich leisten.

Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan erklärte, dass Staaten, Gesellschaften und Firmen für ihre Verbrechen in der Vergangenheit »zur Rechenschaft gezogen werden müssen«, selbst wenn in den meisten Fällen eine direkte Verantwortung nicht mehr nachweisbar sei. Damit vermied er zum einen das Wort »Reparationen«, zum andern zeigte er die Komplexität des Problems auf.

Während es in den USA relativ einfach erscheint, zwischen den Nachfahren von Opfern und Tätern zu unterscheiden, ist das in den afrikanischen Staaten unmöglich. Die umstrittene historische Theorie, dass der Sklavenhandel durch die Entvölkerung ganzer afrikanischer Landstriche zu strukturellen Problemen führte, die bis heute nachwirken, diente bislang als Argument für Reparationen an einzelne afrikanische Länder. Doch auch Afrikaner betätigten sich als Sklavenhändler. Daher fordern heute die meisten afrikanischen Staatschefs, dass eine finanzielle Wiedergutmachung durch einen umfassenden Schuldenerlass und eine finanzielle Unterstützung der New African Initiave, des neuen kontinentalen Entwicklungsplans der Organisation für Afrikanische Einheit, geleistet werden solle.

Der belgische Außenminister Louis Michel, der im Namen der Europäischen Union sprach, sicherte zwar die »Unterstützung« der EU für die New African Initiave zu. Details nannte er jedoch nicht, und er konnte sich auch nicht dazu durchringen, Sklavenhandel und Kolonialismus als Verbrechen gegen die Menschheit zu bezeichnen. Seiner Ansicht nach war der jahrhundertelange Handel mit Menschen eine »Untat«. Der französische Minister für Kooperation, Charles Josselin, vertrat sogar die Ansicht, dass der Kolonialismus nicht nur negative Folgen hatte: »Wir bedauern zwar die andauernden Folgen des Kolonialismus, wir beraten jedoch noch mit anderen EU-Ländern über eine mögliche Entschuldigung.« Außenminister Fischer sprach davon, »Schuld anzuerkennen«, ohne um Entschuldigung zu bitten.

Der Bürgerrechtler und demokratische Abgeordnete im US-amerikanischen Kongress Jesse Jackson formulierte die Position der afro-amerikanischen NGO: »Derselbe Rassismus, der uns zu Sklaven gemacht hat, erzeugt heute die strukturelle Diskriminierung von African-Americans. Wir sind keine Bittsteller. Amerika hat eine Schuld, deren Größe berechnet werden muss.« Doch selbst unter den amerikanischen NGO sind die praktischen Fragen umstritten. Sollte jedem Nachkommen eines Sklaven eine bestimmte Summe gezahlt werden? Oder sollten Fonds zur Armutsbeseitigung in benachteiligten Kommunen eingerichtet werden? Ist auch jene Mehrheit der weißen US-Bürger haftungspflichtig, deren Vorfahren erst nach dem Ende der Sklaverei einwanderten? Andererseits dauerte die gesetzlich festgelegte Benachteiligung von Afroamerikanern bis in die sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts, und sie wirkt bis heute fort.

Der Streit um die Geschichte überlagerte viele Probleme der Gegenwart. Themen wie die Immigrationspolitik der industrialiserten Länder, veranschaulicht vom Skandal um das Flüchtlingsschiff vor der australischen Küste, oder die Vertiefung der Armut in der nicht industrialisierten Welt durch gegenwärtige Handelsstrukturen wurden nicht intensiv diskutiert. Es ist deshalb unwahrscheinlich, dass der von Kofi Annan geforderte »substanzielle Plan« zur Beseitigung des Rassismus mehr als unverbindliche diplomatische Formeln enthalten wird. Falls ein solcher Aktionsplan am Ende der Konferenz überhaupt verabschiedet werden sollte.