Zensur in der Türkei

Viel Arbeit

Der Oberste Rat für Radio und Fernsehen (RTÜK), wie die türkische Zensurbehörde heißt, hat viel zu tun, denn die nationale Sicherheit ist von Presseartikeln und Rundfunkbeiträgen alle naselang bedroht. Ständig müssen ihr Präsident Nuri Kayis und seine Mitarbeiter eingreifen, Verlage müssen geschlossen und Zeitungen eingestampft werden. Neu ist, dass Nuri Kayis selbst seiner Behörde Arbeit macht. Sie hat nur ihre Aufgabe erfüllt und aus Rücksicht auf die nationale Sicherheit den Radioprogrammen der Deutschen Welle und der BBC eine unlängst erteilte Erlaubnis für türkischsprachige Programme entzogen. Mit Kayis' Unterstützung waren sie im April auf Sendung gegangen.

Nach nur drei Monaten wurde auf einer Vorstandssitzung der RTÜK ganz demokratisch eine undemokratische Entscheidung gefällt. Die Sendungen seien tendenziös und gefährdeten die nationale Sicherheit der Türkei, befand der Vorstand und überstimmte den Präsidenten, woraufhin die Sendeerlaubnis entzogen wurde. Nuri Kayis will jetzt vor das Verfassungsgericht ziehen, denn dieser Eingriff schädige das Ansehen der Türkei im Ausland.

Das ist insofern komisch, als Kayis bislang keine Probleme damit hatte, Radioprogramme mit Pfeiftönen zu stören oder Studios die Banderole zu verpassen: »Auf Beschluss von RTÜK wurden unsere Sendungen bis zum so und so vielten eingestellt.«

Ausländische Journalisten, Publikationen und Joint-Venture-Programme waren davon allerdings seltener betroffen. Der türkische Fernsehsender n-tv sendet z.B. ebenfalls ein Nachrichtenprogramm in Kooperation mit der BBC, wobei die Redakteure gemeinhin von vornherein darauf achten, bei der türkischen Zensur keinen Anstoß zu erregen. Nachdem das Kooperationsprogramm der Dogan Holding mit der BBC, Radio Foreks, vor zwei Jahren mit einem einmonatigem Sendeverbot bestraft wurde, ist man vorsichtiger geworden. Vor allem die Türkei betreffende Beiträge werden noch einmal vor der Sendung »überarbeitet«. Auch der Ableger von CNN, CNN-Türk, sendet ein Programm, das den Weisungen von RTÜK entspricht. Begriffe wie »Kurde« und »kurdische Gebiete« tauchen nicht auf, sondern werden mit »türkischer Südosten« und »Bewohner des türkischen Südostens« umschrieben.

Das einzige unzensierte Medium in der Türkei ist eigentlich das Internet. Ein Gesetzesentwurf, der diesen Zustand ändern sollte, wurde vor einigen Monaten aus Imagegründen zurückgezogen. Die Regelungen sahen u.a. vor, dass die Anbieter von Internetseiten eine Genehmigung der Behörden einholen und die Staatsanwaltschaft stets über Aktualisierungen ihrer Website informieren müssen. Ausländer hätten unter den neuen Regeln nur mit Zustimmung des Außen- und des Innenministeriums in der Türkei eine Website einrichten dürfen. Nuri Kayis hatte gegen diese Regelungen protestiert.

In dem vom Parlament schließlich verabschiedeten Mediengesetz wird das Internet aber dennoch reglementiert. Auf das Netz werden jetzt bestehende Pressevorschriften über die »Verbreitung von Beleidigungen und Desinformation« angewendet. Die türkischen Behörden argumentieren, das Internet werde von politischen Extremisten für Aktivitäten benutzt, die sich gegen den türkischen Staat richten. Nuri Kayis und seine Leute erwartet noch viel Arbeit.