Alternative Lebensformen

Bagger vs. Bühne

Wo die Kassen leer sind, hat Kultur wenig Spielraum. In Berlin, wo der Metropolenglamour und die Finanzmisere so eng beieinander liegen, ist das der Normalzustand. Wenn nun aber der Betrieb eines renommierten Kulturzentrums in Berlin-Mitte, vielleicht sogar dessen Existenz gefährdet wird, damit möglichst bald 70 Büroangestellte Stellplätze für ihre Kleinwagen vorfinden, gewinnt der Abstiegskampf der freien Berliner Kulturszene eine neue Qualität.

Die Rede ist vom Podewil in der Klosterstraße. Die Krankenkasse Hallesche-Nationale will einen zehn Meter tiefen Krater in den Innenhof des Podewil reißen. Eine Tiefgarage soll entstehen, Bagger und schweres Bohrgerät besetzten am Montag vergangener Woche, pünktlich zum Beginn der neuen Spielzeit, den Theaterhof. Die Geschäftsführung des Podewil erfuhr erst einen Monat vorher davon.

Auf die Sommerpause folgt das Sommerloch. Wo sollen die Proben für das Gob Squad-Theater, wo die Soundchecks für das »x-tract Chicago«-Musikfestival stattfinden? Das Podewil hat Verträge über 74 Aufführungen allein bis zum Dezember abgeschlossen. Sollten sie alle ausfallen, kann die Einrichtung schließen. Auf mehr als 60 000 Mark werden die Ausfallkosten geschätzt. Dazu kommt das Geld für die noch anzumietenden Ausweichquartiere.

Vergeblich forderten die KünstlerInnen und MitarbeiterInnen des Podewil den Aufschub der Bauarbeiten bis zum nächsten Jahr. Denn der Bauträger, die Krankenkasse, sieht den »Kulturbetrieb des Podewil zu keiner Zeit gefährdet«. Obwohl er zugleich einräumt, »dass man froh sein könne, wenn tatsächlich um 19 Uhr die schwersten Arbeiten beendet« seien. Und zwar täglich, mindestens bis in den Februar 2002 hinein. Da brummt die Mikrokonjunktur - wen schert da die Kultur?

Kulturpolitiker offensichtlich nicht. Die grüne Kulturstaatssekretärin Alice Ströver ringt es sich zwar noch ab, die Aushöhlung des Podewil als »bedauerlich« zu bezeichnen, doch sie weist pflichtgetreu darauf hin, »dass wir uns allgemeinen Finanzbelangen des Landes Berlin unterordnen müssen«. Die Stadt hatte der Halleschen-Nationalen vor zwei Jahren das Nachbargrundstück verkauft, zusammen mit dem Recht, unter dem Hof des Podewil herumzubuddeln.

Wenn dann noch der zuständige Referent in der Kulturverwaltung, Jörg-Ingo Weber, in bester Ulbricht-Manier verkündet: »Niemand hat die Absicht, das Podewil zu killen«, gleichwohl aber bisher keine Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stellte, ist zu verstehen, was KünstlerInnen und MitarbeiterInnen des Podewil mittlerweile schwant: Ein Kulturbetrieb wird abgewickelt.