Wahlen zum Vorsitz der Arbeitspartei

Das Rennen der zweiten Garde

Bei den Wahlen zum Vorsitzenden der israelischen Arbeitspartei präsentierte keiner der beiden Kandidaten eine klare Alternative zur Regierungspolitik. Die Friedensbewegung ist isolierter denn je

Das ist Diebstahl!« rief der israelische Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer auf der von ihm am Dienstag letzter Woche einberufenen Pressekonferenz den anwesenden Reportern zu. Der Politiker meinte damit den Ausgang der Wahlen zum Vorsitzenden der Arbeitspartei, bei der er seinem Konkurrenten, dem Parlamentspräsidenten Avraham Burg, um etwas mehr als 1 000 Stimmen unterlegen war. Er beschuldigte seinen Gegner, nur durch Wahlbetrug diese knappe Mehrheit der Stimmen der 71 000 Parteimitglieder erreicht zu haben, die an der Abstimmung teilnahmen.

Die innerparteiliche Schiedsstelle hat am Freitag das Wahlergebnis bekannt gegeben, bislang aber Burg noch nicht zum neuen Parteivorsitzenden erklärt. Möglicherweise stehen der Partei langwierige juristische Auseinandersetzungen bevor, die sie auf absehbare Zeit lähmen werden.

Die angeblich zu Burgs Gunsten gefälschten Wahlergebnisse stammen zum größten Teil aus drusischen Ortschaften. Mit den Stimmen aus dieser traditionellen Hochburg der Arbeitspartei hatte der Parlamentspräsident die Wahlen gewonnen, nachdem er zu Beginn der Auszählung noch hinter Ben-Eliezer lag. Anlass zu Spekulationen gab unter anderem der Umstand, dass die Urnen aus diesen Regionen erst sehr spät zur Auszählung im Hauptquartier der Partei eintrafen. Ben-Eliezer gründete seine Anschuldigungen jedoch auf eine angebliche Einflussnahme des drusischen Ministers Salah Tarif auf diese Wählergruppe. In den israelischen Medien wird hingegen betont, dass derartige Absprachen ein gängiges Instrument der Minderheiten seien, ihren Einfluss im politischen System geltend zu machen.

Nachdem sich Burg zunächst damit begnügt hatte, seinen Konkurrenten als schlechten Verlierer erscheinen zu lassen, ging er am vergangenen Mittwoch zum Gegenangriff über. Er erklärte sich entgegen dem Urteil des Parteigerichts vor seinen Anhängern zum Sieger und erhob seinerseits Vorwürfe des Wahlbetrugs gegen Ben-Eliezer. Inzwischen werden aus seinen Reihen bereits Forderungen laut, den Verteidigungsminister wegen parteischädigenden Verhaltens seines Amtes zu entheben und aus der Partei auszuschließen. Burg selbst verwahrte sich noch am Freitag gegen solche Forderungen, machte aber deutlich, dass er eine »Zerstörung der Partei von innen« nicht zulassen werde.

Diese Schlammschlacht stellt sich der israelischen Öffentlichkeit nur als weitere Episode im Niedergang der Arbeitspartei dar, die den Staat nicht nur gegründet, sondern ihn auch den größten Teil seiner Geschichte hindurch regiert hat. Seit der Wahlniederlage Ehud Baraks ist die Partei formal ohne Führung und hat kein Konzept, wie sie den Likud und seinem Ministerpräsidenten Ariel Sharon wieder von der Macht vertreiben könnte. Als politische Kraft tritt sie in der Öffentlichkeit kaum noch in Erscheinung, sondern nurmehr als Anhängsel der Regierung wie Verteidigungsminister Ben-Eliezer oder als Reminiszenz an eine bessere Vergangenheit wie Außenminister Shimon Peres.

So haben die Auseinandersetzungen um die Führung in der Partei in der israelischen Öffentlichkeit kaum Aufmerksamkeit erregt. Dies liegt sicher auch daran, dass der Konflikt mit den Palästinensern alle anderen Themen dominiert. Der Hauptgrund dürfte jedoch sein, dass nach dem Rückzug prominenterer Politiker wie Shlomo Ben-Ami, Haim Ramon und Yossi Beilin nur noch die zweite Garde der Partei zur Wahl stand. Ob einer der beiden übrig gebliebenen Kandidaten in zwei Jahren gegen Sharon um das Amt des Ministerpräsidenten kämpfen wird, ist daher mehr als fraglich.

Die führenden Politiker der Arbeitspartei haben sich - mit Ausnahme von Beilin, der sich für Burg aussprach - im parteiinternen Wahlkampf auffällig zurückgehalten. Damit wollen sie ihre Chance auf eine eigene Kandidatur als Regierungschef wahren. Für Shimon Peres, der ebenfalls darauf verzichtete, seinen langjährigen Weggefährten Burg zu unterstützen, galten hingegen andere Beweggründe. Da sich Yossi Beilin als Repräsentant der Parteilinken und Gegner der großen Koalition mit Burg verbündet hatte, würde dessen Sieg die Position von Peres delegitimieren. Während Beilin nicht müde wird zu betonen, dass ein Ausgleich mit den Palästinensern einen Bruch mit dem Likud voraussetzt, besteht Peres darauf, dass Verhandlungen auch zusammen mit Sharon in der großen Koalition möglich seien.

Eine von Ben-Eliezer geführte Arbeitspartei hätte sicher keine Initiativen zur Wiederbelebung des Friedensprozesses zu bieten. Doch auch mit Burg an der Spitze wäre das keinesfalls anders. Unter dem Eindruck der Ereignisse der letzten Wochen und der weiteren Radikalisierung der öffentlichen Meinung in Israel hat sich Burg zuletzt ebenfalls als »Bitachonik«, als Sicherheitspolitiker, zu präsentieren versucht. Darüber hinaus hat er seine ursprüngliche Forderung, die Arbeitspartei solle die große Koalition verlassen, inzwischen relativiert. Er verlangt jetzt nur noch ein klareres Profil der Partei innerhalb der Regierung.

Der Ausgang der Wahlen in der Arbeitspartei zeigt, wie sehr sich die Partei und ihre Basis nach rechts bewegt haben. Denn etwa die Hälfte ihrer Mitglieder unterstützt in Person von Ben-Eliezer eine Politik, die sich von derjenigen Sharons kaum unterscheidet. Deshalb hat sich die israelische Linke noch weniger für die Geschehnisse innerhalb der Arbeitspartei interessiert als der Rest der Gesellschaft. Doch obwohl von keinem der beiden Kandidaten grundsätzliche Alternativen zur Regierungspolitik zu erwarten sind, kann die Linke - die derzeit isolierter ist denn je - nur mit Unterstützung des liberalen Teils der israelischen Gesellschaft politischen Einfluss nehmen. Und dieser wird nun einmal hauptsächlich von der Arbeitspartei repräsentiert.

In dieser Frage ist die Friedensbewegung von einer einheitlichen Position jedoch weit entfernt. So fand die gemeinsame Erklärung israelischer und palästinensischer Intellektueller vom 25. Juli ein sehr geteiltes Echo. Darin wird an beide Seiten appelliert, nicht nur den militärischen, sondern auch den ideologischen Kampf einzustellen, und es wird die Schaffung zweier Staaten in den Grenzen von 1967 gefordert. Während die Erklärung von einigen Teilen der Linken grundsätzlich verworfen wird, weil darin kein uneingeschränktes Rückkehrrecht für die Palästinenser verlangt wird, sehen andere in ihr die Chance, dass Israelis und Palästinenser auf der Grundlage gegenseitiger Anerkennung wieder ins Gespräch kommen.

Einhellig ist hingegen die Kritik am Resolutionsentwurf der Nichtregierungsorganisationen auf der Antirassismus-Konferenz in Durban. Der unverhohlen antisemitische Tenor, mit dem Israel dort an den Pranger gestellt wird, wird in der israelischen Linken größtenteils abgelehnt. Allerdings steht dahinter zumeist eine pragmatische Überlegung. Die Politik von Durban sei kontraproduktiv, weil sie den Befreiungskampf der Palästinenser delegitimiere.

Mit solchen Argumenten lässt sich die Isolation der Friedensbewegung in der israelischen Öffentlichkeit sicher nicht überwinden. Die Linke verkennt, dass man es bei den Grundüberzeugungen des Zionismus nicht mit einer verbohrten Ideologie zu tun hat, sondern mit den notwendigen Konsequenzen aus einer katastrophalen geschichtlichen Entwicklung. Wesentlich wichtiger noch wäre eine solche Einsicht auf der palästinensischen Seite.

Doch die Signale weisen in eine andere Richtung. Die jüngsten Bemühungen von Peres, ein Treffen mit Arafat zustande zu bringen, stießen bei den Palästinensern auf immer neue Vorbehalte. Außerdem gibt es immer deutlichere Versuche der palästinensischen Autonomiebehörde, die islamistische Hamas und andere radikale Organisationen in ihre Strukturen einzubinden. Eine Politik der gegenseitigen Anerkennung ist mit diesen Gruppen aber nicht möglich.

Insofern sind die Positionen, wie sie die Unterzeichner der gemeinsamen israelisch-palästinensischen Erklärung vertreten, zwar nur ein kleiner Hoffnungsschimmer, vermutlich aber das Beste, was in der derzeitigen Situation möglich ist.