Abschluss der UN-Konferenz gegen Rassismus

Der Kreis ist weiß

Auf der UN-Konferenz gegen Rassismus konnten die westlichen Staaten ihre Positionen weitgehend durchsetzen.

Das Symbol der UN-Weltkonferenz gegen Rassismus (WCAR), ein abstrahierter Yin-Yang-Kreis, sollte die Verbundenheit der Weltbevölkerung, die Einheit im Unterschied und die gegenseitige Ergänzung symbolisieren. Jenseits der Symbole aber haben sich in der vergangenen Woche die gegensätzlichen Interessen innerhalb der so genannten Weltgemeinschaft gezeigt. Dabei standen sich die beiden Blöcke der industrialisierten und nicht industrialisierten Länder, der ehemaligen Kolonialherren und ehemaligen Kolonisierten, der Weißen und nicht Weißen gegenüber.

Die größte Spaltung war jedoch durch den Nahost-Konflikt verursacht worden. Weil Israel und die USA sich bereits drei Tage nach dem Beginn der Konferenz zurückgezogen hatten, stritten vor allem die europäischen mit den arabischen Staaten weiter um dieses Thema.

Erst am Samstag, einen Tag nach dem offiziellen Ende der Konferenz, fanden die Delegierten aus mehr als 150 Ländern einen unbefriedigenden Konsens. Damit überhaupt eine Abschlusserklärung verabschiedet werden konnte, wurde auf konkrete Aussagen weitgehend verzichtet. Um etwa eine Liste von Opfergruppen, auf die man sich nicht einigen konnte, zu vermeiden, wurde beschlossen, dass »Opfer von Rassismus diejenigen sind (...), die von Rassismus betroffen sind«.

Deutsche Regierungsverteter äußerten sich zufrieden über das Ergebnis der offiziellen Konferenz, da jede direkte Verurteilung Israels vermieden wurde. Die Erklärung der WCAR erkennt allerdings »die Leiden der Palästinenser unter fremder Besetzung« an. Zuletzt kam es zu einer Abstimmung, bei der die Mehrheit der Staaten den Wegfall einiger Passagen beschloss, die mit dem Nahost-Konflikt indirekt in Verbindung standen.

Das der Konferenz angeschlossene NGO-Forum hatte sich schon vorher mit einer Deklaration diskreditiert, in der Israel Völkermord an den Palästinensern vorgeworfen und zu Sanktionen »gegen den israelischen Apartheidsstaat« aufgerufen wird. Neben dutzenden NGO aus aller Welt distanzierte sich auch die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Mary Robinson, von dem Papier: »Zum ersten Mal kann ich eine NGO-Erklärung den Konferenzdelegierten aufgrund der darin enthaltenen Sprache nicht weiterempfehlen.«

Auch die Passagen zum transatlantischen Sklavenhandel, zur Sklaverei und zum Kolonialismus blieben bis in die letzte Nacht hinein umkämpft. Entgegen ihren Positionen bei den vorbereitenden Verhandlungen in Genf hatten die Vertreter Afrikas und einiger karibischer Staaten doch darauf bestanden, dass Länder, die maßgeblich an der Sklaverei und am Sklavenhandel beteiligt waren, sich entschuldigen und sich grundsätzlich bereit erklären, Reparationen zu leisten.

Dabei müsse es nicht unbedingt um eine finanzielle Entschädigung gehen, erklärte Dudley Thompson, ein Delegierter Jamaikas: »Man bezahlt mich nicht für die Vergewaltigung meiner Großmutter oder für die Ermordung meines Großvaters.« Stattdessen sollten die westlichen Länder eingestehen, dass Sklaverei und Sklavenhandel Verbrechen gegen die Menschheit waren. Danach könne man über angemessene Reparationen sprechen.

Der namibische Außenminister Theo-Ben Gurirab, dessen Delegation eine unbeugsame Haltung in diesen Fragen einnahm, erklärte, dass »Deutschland sich für Verbrechen an Israel, Russland oder Polen entschuldigt hat, weil es um Weiße ging. Wir sind Schwarze, wenn es deshalb ein Problem mit einer Entschuldigung gibt, ist das rassistisch.«

Zum Schluss einigte man sich auf Formulierungen, die aus europäischer Sicht keine legale Grundlage für zukünftige Entschädigungsklagen bieten sollen. Sklaverei und Sklavenhandel in der Gegenwart wurden zu »Verbrechen gegen die Menschheit« erklärt, und sie »hätten in der Vergangenheit solche sein sollen«. Doch diese Verbrechen waren bis in die zweite Hälfte des 19.Jahrhundets legal. Wäre diese Logik auf die Nazi-Verbrechen angewandt worden, hätten die Nürnberger Prozesse nie stattgefunden. Das Wort »Reparationen« kommt in der Erklärung nicht vor. Stattdessen wird der Ausbau von Freihandelsstrukturen und eine Schuldenreduzierung befürwortet.

Trotzdem könnten in einzelnen Fällen, die schriftlich dokumentiert sind, Entschädigungen erfolgreich eingeklagt werden. Bereits am vorletzten Wochenende wurde eine solche Klage in den USA eingereicht. Schadenersatz über zwei Milliarden US-Dollar fordert die Chief Hosea Kutako Foundation von der Deutschen Bank, der ehemaligen Wörmann Linie (der heutigen Reederei Deutsche Afrika Linie), und der US-amerikanischen Terex Corporation. Die Kutako Foundation, eine Organisation der Herero, einer Bevölkerungsgruppe in Namibia, erklärte, dass die beschuldigten Firmen im damaligen Deutsch-Südwestafrika eine »brutale Allianz« mit dem deutschen Kaiserreich eingegangen seien. Eine weitere Schadenersatzklage gegen die Bundesregierung soll folgen.

1904 hatten sich die Herero gegen die kaiserliche »Schutztruppe« erhoben. Sie wehrten sich gegen die Enteignung ihres Landes zugunsten deutscher Siedler und insbesondere gegen den Bau einer Bahnlinie in ihrem Gebiet, an der die nun verklagten Firmen beteiligt waren. Was folgte, wird heute als der erste von Deutschen begangene Genozid betrachtet. Der Befehlshaber der deutschen Schutztruppe, General Lothar von Trotha, befahl die Vernichtung aller Herero. Insgesamt kamen zwischen 1904 und 1908 85 000 Menschen, 80 Prozent der Herero in der deutschen Kolonie, ums Leben. Für die Überlebenden wurden Konzentrationslager eingerichtet, in denen der deutsche Wissenschaftler Eugen Fischer erste »Rassenversuche« durchführte. Fischer war später ein Lehrer des Nazi-Arztes Josef Mengele.

Vertreter der Nachkommen der überlebenden Herero versuchen seit Jahren ohne Erfolg, von der Bundesregierung angehört zu werden. Bei seinem Besuch in Namibia erklärte 1998 der damalige Bundespräsident Roman Herzog zwar, den Krieg zu bedauern, er wies jedoch Forderungen nach Reparationen zurück. Auch die Rede des Außenministers Joseph Fischer in Durban, der erlärte, für die Bundesrepublik »Schuld anzuerkennen, Verantwortung zu übernehmen und sich seiner historischen Verpflichtung zu stellen«, wird an dieser Haltung nichts ändern. Fischer verknüpfte die historische Schuld unmittelbar mit der »Solidarität mit den Entwicklungsländern«, die seiner Meinung nach vor allem in deren »Integration in die Weltwirtschaft« besteht.

Auch die namibische Regierung stand den Forderungen der Herero bislang ablehnend gegenüber. Die regierende Partei Swapo wird von ihnen kaum unterstützt, und Namibia erhält einen überproportional hohen Anteil aus dem deutschen Entwicklungshilfetopf. Die besonderen namibisch-deutschen Beziehungen haben auch mit den Tausenden deutschsprachiger Farmer zu tun, die noch immer große Teile des ehemaligen Herero-Gebiets besitzen. Wie in Zimbabwe bewirtschaften einige Großfarmen den fruchtbaren Boden, während die Mehrheit der Bevölkerung kaum Land besitzt.

Solche unmittelbaren Folgen kolonialer Politik wurden in Durban nicht diskutiert. Der Blick in die Vergangenheit interessierte die WCAR weit mehr als die gegenwärtigen Formen von Rassismus. Letztlich dankten es alle Staaten diesem Umstand, dass sie nicht über ihre eigenen Probleme sprechen oder sich gar für rassistische Politik rechtfertigen mussten.