Minderheitsregierung auf Partnersuche

Tiger statt Touristen

Der Konflikt mit den tamilischen Separatisten der LTTE in Sri Lanka hat sich verschärft. Die bedrängte Minderheitsregierung sucht nun nach Bündnispartnern.

Wir fordern den Rücktritt der Regierung«, heißt es auf einem der unzähligen Plakate, die von Demonstranten hochgehalten werden. »Keine weiteren Preissteigerungen«, fordert lautstark eine andere Gruppe, die von schwer bewaffneten Polizisten argwöhnisch beobachtet wird.

Solche Szenen gehören seit Wochen zum Alltag in Sri Lankas Hauptstadt Colombo, sie sind Ausdruck der wohl schwersten Krise, die das Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1948 heimgesucht hat. Im Parlament hat der Ausstieg einer muslimischen Partei dem Regierungsbündnis Peoples Alliance (PA) die Mehrheit genommen. Obwohl von der Opposition der Rücktritt der Regierung gefordert wurde, versuchte Präsidentin Chandrika Kumaratunga, mit Verfassungstricks das Überleben ihrer Regierung zu sichern. Zuerst suspendierte sie am 10. Juli für einen Zeitraum von zwei Monaten das Parlament, um ein fälliges Misstrauensvotum der Opposition zu umgehen. Dann kündigte sie für Ende August einen Volksentscheid an, bei dem über die Notwendigkeit einer neuen Verfassung abgestimmt werden sollte. Dieser Termin wurde später auf Mitte Oktober verschoben, inzwischen sogar ganz gestrichen.

Ende August einigten sich die Regierung und die United National Party (UNP), die wichtigste Oppositionspartei, auf Gespräche mit dem Ziel der Bildung einer großen Koalition. Die Verhandlungen scheiterten jedoch schon nach zwei Tagen. Präsidentin Kumaratunga hatte sich geweigert, den UNP-Führer Ranil Wickremasinghe zum Premierminister zu ernennen und so die Opposition an wichtiger Stelle in die Regierung einzubeziehen.

Während Wickremasinghe nach dem Abbruch der Gespräche Neuwahlen zum Parlament forderte, verhandelte die Präsidentin mit der Janata Vimukthi Peramuna (JVP). Die Partei, die über zehn von insgesamt 225 Sitzen im Parlament verfügt und somit die 109 PA-Abgeordneten vor einem Misstrauensvotum retten könnte, war 1971 und Ende der achtziger Jahre, während ihrer außerparlamentarischen Zeit, für zwei militante Aufstände in den südlichen Landesteilen verantwortlich, die blutig niedergeschlagen wurden. Tatsächlich einigten sich die beiden ungleichen Partner Anfang September auf ein Abkommen, das der JVP-Führer Tilvin Silva als »einen historischen Schritt« bezeichnete.

Die JVP verstand sich bislang als gegen das Establishment gerichtete Partei. Sie bezeichnete die Regierungskoalition noch vor einigen Monaten als eine »Anhäufung korrupter Politiker«, nachdem die PA sie wegen ihrer militanten Vergangenheit als eine »Partei von Mördern« gebrandmarkt hatte. Nun haben sie sich verbündet, »um die Demokratie im Land zu retten«.

Tilvin Silva erklärte jedoch, man werde nicht in eine Koalition mit der jetzigen Regierung einsteigen, sondern diese nur »zum Wohle des Volkes« in entscheidenden Fragen unterstützen. Die »bedingte Unterstützung« der JVP ist auf ein Jahr befristet, sie musste von der Regierung mit zahlreichen Zugeständnissen erkauft werden. Die JVP will die Macht der Präsidentin reduzieren, Parlamentsneuwahlen sollen unter einer Übergangsregierung vorbereitet werden.

Die Annäherung zwischen der PA und der JVP könnte die Verhandlungen mit den Separatisten der Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) weiter erschweren. Die sinhalesische JVP, die sich gerne als Linkspartei sieht, vertritt gegenüber der tamilischen Minderheit chauvinistische Positionen und lehnt Verhandlungen mit der LTTE kategorisch ab.

Schon während der letzten Monate waren die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Tamil Tigers wieder eskaliert. Die LTTE hatte einen einseitigen Waffenstillstand zwischen Weihnachten 2000 und April 2001 eingehalten. Doch da die Regierung und das Militär sich weigerten, die Angebote der LTTE anzunehmen, kündigten die Rebellen den Waffenstillstand im Frühjahr. Noch vor der Aufnahme der Verhandlungen mit der JVP machte die Regierung Ende August der LTTE dann ein verspätetes Waffenstillstandsangebot. Diese Avancen wiesen die Tamil Tigers jedoch mit ungewöhnlich scharfen Worten zurück. Vertreter der LTTE sprachen von einem »politischen Doppelspiel«, man sei nicht bereit, mit einer korrupten, ineffizienten und instabilen Regierung zu verhandeln. Die Zusammenarbeit zwischen der PA und der JVP dürfte die LTTE in ihrer Haltung bestärken.

Die schwere Wirtschaftskrise ist nicht zuletzt eine Folge des Konflikts mit der LTTE. Für die Niederschlagung der separatistischen Bewegung wird jährlich mindestens eine Milliarde Euro ausgegeben. Langsam werden auch die Folgen des Anschlags der LTTE von Ende Juli auf den internationalen Flughafen von Colombo (Jungle World, 32/01) deutlich. »Es ist die größte wirtschaftliche Katastrophe, die das Land in seiner gesamten Geschichte heimgesucht hat«, schrieb die in Colombo erscheinende Tageszeitung The Island kürzlich.

Direkt betroffen war die Fluggesellschaft Srilankan. Sie verlor drei Airbusse durch den Sprengstoffanschlag, drei weitere Flugzeuge wurden beschädigt. Zu dem dabei entstandenen Schaden von 600 Millionen Euro kommen noch schätzungsweise 60 Millionen hinzu, da auch fünf Kampfflugzeuge auf dem militärischen Teil des Flughafens zerstört wurden.

Da die Flotte von Srilankan über Nacht auf die Hälfte reduziert worden ist, hat das Unternehmen einen Großteil seiner Flüge streichen müssen und Auslandsbüros geschlossen. Seit dem Anschlag gibt es viele Stornierungen, die srilankische Tourismusindustrie ist in eine tiefe Krise gestürzt. »Wenn die Regierung hier nicht schnell handelt, werden bis Ende des Jahres möglicherweise 150 000 Menschen, die direkt oder indirekt vom Tourismus abhängen, ohne Arbeit sein«, prognostiziert ein srilankischer Fremdenverkehrsexperte.

Die Angst vor politischer Instabilität und weiteren Anschlägen der LTTE hat ausländische Unternehmen verunsichert und zu einem Rückgang der Investitionen beigetragen. Verschärft wird die allgemeine Wirtschaftskrise noch durch eine extreme Trockenheit. Weil die Wasserreservoirs der Staudämme leer sind, kommt es zu stundenlangen Stromsperren. Und bald könnte auch das Trinkwasser knapp werden.