Panamerikanische Freihandelszone

Ciao, Mercosur

Die Verhandlungen über die panamerikanische Freihandelszone FTAA sind in ihre entscheidende Phase eingetreten.

Als sich im April dieses Jahres die 34 Regierungschefs der amerikanischen Staaten im kanadischen Quebec trafen, war das Entsetzen der Globalisierungskritiker groß. Mit der Errichtung einer Freihandelszone der Amerikas (FTAA), die von Feuerland bis nach Alaska reichen soll und die eine Erweiterung des schon bestehenden Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta) bedeutete, werde die soziale Kluft in den südamerikanischen Gesellschaften verschärft und die Hegemonie der USA auf dem Kontinent gesichert.

Im gesamtamerikanischen neoliberalen Projekt allein eine Strategie der USA zu sehen, reicht nicht aus, da die südlichen Länder nicht als eigenständige Akteure wahrgenommen werden. Auf dem Gemeinsamen Markt des Südens (Mercosur), dem Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören, ist die neoliberale Wende mit verheerenden Konsequenzen schon längst vollzogen, ob es nun zu einer FTAA kommt oder nicht. Eine panamerikanische Freihandelszone wollen die Mercosur-Länder ebenso wie die USA; die Öffnung der Märkte solle lediglich »ausbalanciert« sein, sagte kürzlich der argentinische Außenminister Adalberto Rodríguez Giávarini.

In der ersten Septemberwoche kam es in Punta del Este, Uruguay, zu kurzfristig anberaumten Gesprächen über den Freihandel zwischen den Mercosur-Ländern und einer US-Delegation unter Außenhandelsminister Robert Zoellick. Die USA hatten sich Ende August zu en bloque-Verhandlungen mit dem Mercosur bereit erklärt, die Gunst der Stunde nutzend, als der IWF einen weiteren Kredit zur Stützung Argentiniens bewilligt hatte.

Die Pläne einer FTAA sind damit in eine entscheidende Phase gekommen. Nach Angaben des brasilianischen Außenministers Celso Lafer verliefen die Gespräche »konstruktiv«. »Es gab eine große Übereinstimmung der Interessen, sei es in Fragen der multilateralen Beziehungen oder hinsichtlich einer späteren FTAA und allen Fragen bezüglich der Zugänge zu den Märkten«, erklärte er der argentinischen Tageszeitung Clarín.

In der Vergangenheit waren die USA in Gesprächen über die FTAA immer wieder auf die Geschlossenheit der vier südamerikanischen Länder gestoßen, die dank ihres Zusammenschlusses im Mercosur eine größere Verhandlungsmacht besitzen. Der wichtigste Streitpunkt ist vor allem die Liberalisierung des Agrarmarktes, der in den USA stark subventioniert wird. Die Mercosur-Länder wollen erreichen, dass Handelsschranken und Agrarsubventionen gleichzeitig abgebaut werden. Im anderen Fall könnten die USA wegen der hohen Subventionen der eigenen Agrarprodukte verhindern, dass südamerikanische Güter eine Chance auf dem US-Markt haben.

Die Bildung regionaler Wirtschaftsblöcke steht somit im Kontext der weltweiten Konkurrenzverhältnisse. Einerseits zwingen die globalen Märkte die Staaten zum Freihandel und zur Ausnutzung so genannter Standortvorteile, wovon sie sich die Optimierung ihrer Ökonomien erhoffen. Gleichzeitig werden in regionalen Gruppen gemeinsame politische Institutionen - wie supranationale Parlamente oder Schlichtungsbehörden - und gemeinsame Außenzölle zum Schutz dieser Ökonomien gegenüber dem Weltmarkt aufgebaut.

Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay sind Akteure in diesem Prozess und keineswegs durchweg Opfer nordamerikanischer Expansion. Bereits 1991 gründeten sie den Mercosur, drei Jahre vor der Entstehung der Nafta und dem von William Clinton initiierten Beschluss, eine FTAA zu gründen, die frühestens für 2005 vorgesehen ist. Seit 1996 sind Bolivien und Chile assoziierte Mitglieder des Mercosur.

Der Mercosur war nicht nur schneller am Zug als der nordamerikanische Konkurrent Nafta und das FTAA-Projekt, auch sein Programm steht ihnen an Neoliberalismus in nichts nach. Der Freihandel und eine Zollunion sind ebenso Gegenstand des Abkommens wie die marktliberale Einrichtung der Staaten als Voraussetzung einer Mitgliedschaft im Mercosur.

Der Zusammenschluss aller nord- und südamerikanischen Staaten zu einer Freihandelszone wurde in mehreren Abkommen vorgesehen und ist nur noch eine Frage des Wann und Wie. Die südamerikanischen Regierungschefs wollen einen Zugang zum nordamerikanischen Markt. Uruguays Präsident Jorge Batlle ließ Anfang des Jahres keinen Zweifel daran: »Dem Mercosur nützt es überhaupt nichts, wenn er eingeschlossen ist. Wohin wollen Brasilien und Argentinien denn wachsen? Einer zum anderen? Schwerlich«, zitierte ihn Le Monde diplomatique.

Die verheerenden Auswirkungen, die beim Zusammenschluss starker mit schwachen Ökonomien auftreten können, zeigten sich bereits im Falle Mexikos nach der Bildung der Nafta im Jahre 1994. Dort wuchs die Maquiladora-Industrie stark an, die die extremen Lohnunterschiede zwischen den USA und Mexiko ausnutzt, die etwa im Verhältnis eins zu zehn stehen. Für die arbeitsintensiven Produktionsphasen exportieren US-Firmen für kurze Zeit Güter, die in Mexiko weiter verarbeitet werden, um sie dann in die USA zu reimportieren. Die Arbeitsbedingungen in den Maquiladoras sind extrem schlecht, mittlerweile ist etwa ein Drittel der mexikanischen IndustriearbeiterInnen in diesem Sektor beschäftigt.

Für den Fall einer Marktintegration des Mercosur und der USA sind solche Effekte sehr wahrscheinlich. Das spricht keineswegs automatisch für einen protektionistischen Mercosur. Denn er ist im Innern selbst strikt neoliberal und hält sich seinen eigenen Hinterhof. In Bolivien gibt es Unternehmer, die auf einen »Maquila-Boom« in dem Billiglohnland hoffen. Nach der Freigabe des Textilhandels zwischen dem Mercosur und dem weit weniger entwickelten Bolivien können dort ab April 2002 Businesshemden für den Mercosur-Markt genäht werden.

Möglicherweise kündigen die jetzigen Verhandlungen in Uruguay das formale Ende des Mercosur an. Er wird allerdings nur seiner Bestimmung zugeführt, und sein Prinzip wird auf eine höhere Stufe gehoben. Er bewirkte nie eine Abkoppelung vom Weltmarkt und eine Emanzipation von den USA, er war immer bloß Vorgänger der FTAA.