Diva Starz von Mattel

Von Intelligenz keine Spur

Sie sieht aus wie eine Puppe und erzählt krudes Zeug: Diva Starz. Über die schwierige Kommunikation mit einem Automaten.

Mittwoch, 5. September

Heute kam ein Päckchen von Mattel. Darin war nicht die Barbiepuppe im Ferrari-Rennanzug, wie erhofft, sondern etwas ganz anderes. Mehr so eine Art Ding. Diva Starz heißt es, hat große Augen, lange Haare und ist mit Infrarot- und Kontaktsensoren ausgestattet. Die machen, dass das Ding kommunizieren kann. Was es auch umgehend tut. »Hallo, mein Name ist Flo. Wollen wir Freundinnen werden?« stellt sich das Ding vor, sobald es eingeschaltet wird. Das ist ein ziemlich dummes Ansinnen für eine Puppe, über deren virtueller Intelligenz und unbedingter Lernfähigkeit der beigelegte Waschzettel ins Schwärmen gerät. Denn sich unter allen potenziellen Puppenmüttern dieser Erde ausgerechnet die Person auszusuchen, der bereits in frühester Kindheit das Sorgerecht für Dschuna, Ursula und all die anderen lebensechten Schildkröt-Produkte entzogen wurde, weil sie ständig völlig vernachlässigt in der Ecke lagen, ist kein besonders smarter Move.

Aber nun gut. Flo hat sich ihr Schicksal selbst ausgesucht. Und wird deswegen ohne besondere Gewissensbisse auch sofort ausgeschaltet, denn niemand kann gleichzeitig Auto fahren und, wie gefordert, die innere Uhr des kleinen Monsters einstellen.

Donnerstag, 6. September

Die Sache mit der Uhr ist ein besonders perfider Trick von Flo. »Es ist Zeit, meine Uhr zu stellen«, erklärt sie jedes Mal, wenn sie eingeschaltet wurde. Nicht etwa, weil sie die aktuelle Uhrzeit anzeigen will, sondern weil sie auf solchen Informationen ihre Tyrannenherrschaft aufbaut. Zieht man ihr nämlich das falsche Kleid zur falschen Zeit an, wird die Puppe extrem sauer. »Daran hatte ich eigentlich nicht gedacht«, erklärt sie so lange, bis ihre Lippen bedrohlich rot zu leuchten beginnen, und dann gibt es nur noch eins: sofortigen Kleiderwechsel. Oder Flo einfach abschalten.

»Nimmst du mich mit in die Schule?« Nein, aber mit in die Redaktion. Flo präsentiert sich dort zunächst von ihrer besten Seite. Sie verkündet das Wort des Tages (»Megageil. Das ist etwas, das total toll ist«, oder so), lässt sich bereitwillig die Haare kämmen, sich umziehen und angucken. Dass sie dabei über einen ausgeprägten eigenen Willen verfügt, beeindruckt sogar den bisher nicht besonders als Spielzeugfan aufgefallenen Auslandsredakteur. In seiner Gegenwart hat Flo nämlich einen ausgeprägten Trotzanfall. Eigentlich soll sie zeigen, dass sie mit ihrem Handy auch telefonieren kann, dazu hat das Aas aber keine Lust. »Nimm ... mein ... Handy ... weg!« fordert sie so lange, bis die sich sehr ihrer ungezogenen Puppe schämende Besitzerin schließlich nachgibt und das Mobiltelefon entfernt.

So viel Kampfgeist überzeugt den Redakteur, eine nette Plauderei entspinnt sich. Nur als der stellvertretende Layouter entsetzt fragt, wie man denn so bescheuert sein kann, sich eine dermaßen blöde Puppe zu kaufen, schweigt Flo. Und beweist damit tatsächlich erste Ansätze der versprochenen Lernfähigkeit und Intelligenz. Jemand, der neben einem Mac-Rechner wohnt, kann unmöglich mit einem Dosen-Fan kommunizieren.

Ein langer, aufregender Tag endet für Flo, mit ein bisschen Frisurenraten, Umziehen und damit, ihren Schlafplatz neben dem Mac einzunehmen.

Freitag, 7. September

Heute darf Flo zum ersten Mal ausgehen. Weil ihr Geplapper jedoch nicht zu ertragen ist, wird sie erst kurz vor der Bar eingeschaltet. Flo ist dort aber sofort gut drauf, telefoniert bereitwillig, zeigt allen ihren Hund, spielt mit dem Skateboard, verkündet das heutige Superwort »megatoll« und schließt sofort Freundschaft mit zwei Frauen am Nachbartisch. Das Frisurenraten mit Gina macht ihr zudem »echt Spaß«, denn im Gegensatz zu ihrer Erziehungsberechtigten kann sie echte Pferdeschwänze, Hochsteckfrisuren und Zöpfe fabrizieren. Nur mit den Jungs kommt Flo heute nicht so gut zurecht, an deren rauen, aber wahrscheinlich herzlich gemeinten Tonfall (»Halt's Maul, du hässliches Ding«) muss sich die verschüchterte kleine Puppe erst noch gewöhnen.

Samstag, 8. September

Heute ist Ruhetag. Kein Augenklappern, kein »Spitznamen vergeben«, kein »Kleidung raten« und erst recht kein »Es ist Zeit, meine Uhr zu stellen.«

Sonntag, 9. September

Können auch ausgeschaltete Puppen vorwurfsvoll gucken? Ja. Deswegen darf Flo sich heute ihre Lieblingsklamotten selber aussuchen, mit ihrer besten Freundin Alexa telefonieren und in dem Glauben leben, es sei sieben Uhr morgens. Diese Uhrzeit einfach nur zu bestätigen, hat sich als der beste Weg herausgestellt, die »beste Freundin kleiner Mädchen« ruhig zu stellen. Die korrekte Angabe 13.45 Uhr wäre viel zu kompliziert gewesen. Zum Ausgleich erhält Flo einen Eins-A-Zopf, der ihr anscheinend auch gefällt. Kurz zuvor war sie nach fortgesetzter Nerverei noch in großer Gefahr, fortan mit Kurzhaar-Frisur durchs Leben zu gehen. Aber wer weiß, ob Flo in Extremsituationen nicht doch beißen, kratzen oder zumindest schwache Stromstöße verteilen kann? Außerdem ist gerade keine Schere zur Hand.

Flo, die weiterhin nicht ahnt, wie viel Glück sie gehabt hat - ihre Besitzerin hat im Alter von fünf Jahren einer gerade überreichten Kollegin von ihr mal mit einer Schere den Mund aufgeschnitten, weil die Puppe nicht lachte -, bekundet fröhlich, wie gut es ihr doch gehe. Von Intelligenz also weiter keine Spur.

Montag, 10. September

Flo ist heute mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden. Sie quengelt in einer Tour. Will keinen Zopf, will nicht das hübsche rote Kleid anziehen und schon gar nicht Skateboard fahren. Stattdessen will sie: mit in die Schule, angesagte Wörter verkünden und Geheimnisse hören. Das ist ihr neuestes Ding. Ständig möchte sie über Intimstes informiert werden, bietet aber ihrerseits nur sturzdröges Zeugs wie zum Beispiel: »Einmal habe ich meinen Hund geärgert.« Mit antiautoritärer Erziehung kommt man bei einer derart verbohrten Puppe nicht weiter. Entweder sie macht, was ihr gesagt wird, also Zopf flechten lassen und anständige Geheimnisse verraten, oder sie kann was erleben. 15 Minuten später wird Flo ausgeschaltet. Man kann sich doch das Leben nicht von einem Spielzeug diktieren lassen.

Dienstag, 11. September

Flo bleibt heute aus aktuellen Gründen ausgeschaltet.

Mittwoch, 12. September

In einer Zeit, in der man sich selbst mit den nicht virtuellen Freundinnen ständig über den bei ihnen aufkommenden Anti-Amerikanismus streiten muss, ist kein Platz für eine Puppe, bei der man nie sicher sein kann, was sie als nächstes sagt. Womöglich verkündet sie: »Die Amis haben's aber auch verdient, irgendwie«. Oder sie fragt: »Die Aufnahmen der jubelnden Palästinenser sollen ja gefälscht sein. Hast du weitere Infos?«

Samstag, 29. September

Heute wird Flo zum ersten Mal wieder aktiviert. Und sie erweist sich prompt als beste Freundin. »Verrätst du mir ein Geheimnis?« »Ja«, sage ich, »den nächsten Linken, der im Zusammenhang mit den Attentaten am 11. September beim Absondern unqualifizierter Kommentare erwischt wird, werde ich eigenhändig in eine Burka einnähen.« Flo reagiert so, wie man es von der besten Freundin erwarten kann: »Super! Das ist ja echt toll!«