Vor den Wahlen in Berlin

Ampelmännchen wollen's wissen

Berlin wählt. Die SPD wird mit dem Ergebnis vermutlich zufrieden sein

Die letzten frischen Wahlplakate sind in der Stadt verklebt, der Countdown läuft. Am kommenden Sonntag wählt Berlin einen neuen Senat. Die Berliner SPD scheint sich immer noch mindestens drei Koalitionsoptionen offen halten zu wollen, die CDU baut darauf, dass sich die Demoskopen täuschen, die PDS spürt wieder Aufwind, die FDP träumt beharrlich von 18 Prozent der Wählerstimmen, die Grünen von einer rot-grünen Mehrheit.

Trotz allem will die Spannung nicht so recht steigen. Denn die Wahl in Berlin ist eigentlich gar keine. Nicht bloß weil die Parteiprogramme sich nur in Nuancen voneinander unterscheiden, sondern auch, weil das Ergebnis keine großen Überraschungen mit sich bringen dürfte.

Seit die CDU vor Monaten beschloss, einen ewig unsicher lächelnden Teppichhändler anstelle von Wolfgang Schäuble zum Spitzenkandidaten zu küren, ist absehbar, dass Klaus Wowereit (SPD) auch nach der Wahl Regierender Bürgermeister bleiben wird. Die CDU stellte dem allzu tollpatschig agierenden Frank Steffel mit dem ehemaligen Kultursenator Peter Radunski und dem PR-Experten Axel Wallrabenstein immerhin ein Wahlkampfteam an die Seite, zeigte aber ansonsten wenig Elan. Ihre Parteiprominenz hielt sich dezent im Hintergrund.

Jedes Mal, wenn Steffel, die »neue Kraft für Berlin«, sich schwerfällig an einem Thema versuchte - wie zum Beispiel an der Inneren Sicherheit - hatte ihn der aktuelle rot-grüne Berliner Senat inhaltlich längst rechts überholt. Selbst die B.Z., die unter ihrem Chefredakteur Georg Gafron der Hauptstadt-CDU sehr nahe steht, hat es längst aufgegeben, einen lockeren und dynamischen Frank Steffel erfinden zu wollen. Hilflos schrieb man ihm eine »Kämpfernatur« zu, die »manchmal etwas polternd rüber kommt«, was sich nur mit viel gutem Willen als Kompliment deuten lässt. Mit der CDU ist also bei dieser Wahl in Berlin trotz des so oft herbeigeredeten »gestiegenen Sicherheitsbedürfnisses« in der Bevölkerung nicht ernsthaft zu rechnen.

Dagegen ist die PDS nach einem Zwischentief wieder eine halbwegs ernst zu nehmende Kraft in Berlin und glänzt in den letzten Wahlprognosen mit einem Ergebnis von 19 Prozent. Dennoch sind ihr die Attentate in New York und Washington schlecht bekommen. Bei dem Versuch, zwischen Staatsräson und Friedensfreunden zu vermitteln, scheiterte sie kläglich.

Zunächst hatte alles so gut ausgesehen. Das Kalkül war aufgegangen, mit Gregor Gysi (»Der will. Der kann.«) als Bürgermeisterkandidat Punkte machen zu können. Zwischenzeitlich war man sogar beinahe zur ernsthaften Konkurrenz der CDU aufgestiegen, doch nach den Anschlägen dümpelte die prognostizierte Quote in den Umfragen bei etwa 15 Prozent herum. Erst knappe zwei Wochen vor der Wahl erholte sie sich wieder.

Die PDS ist, das hat sie in den letzten Wochen im gesamten Bundesgebiet, aber auch in Berlin bewiesen, nichts weiter als eine oppositionelle Kraft, deren permanente innere Zerreißproben allenfalls dazu dienen, einen Hauch von Pluralismus in die Parlamente zu bringen. Für eine praktische Politik in wichtigen Fragen ist sie jedoch nicht zu gebrauchen. Zu groß sind die Differenzen zwischen der Führung und der Basis. Kein Wunder, dass Gysi, der gern auch mit populistischen Forderungen vom Niveau »Mehr Polizei auf deutsche Straßen!« auf Stimmenfang geht und zwischenzeitlich vom Friedenskurs seiner Partei deutlich abwich, sich ungebrochen großer Beliebtheit erfreut und bei einer Direktwahl des Bürgermeisters mit einem Viertel der Stimmen rechnen könnte. Manchmal muss man ihn ja auch einfach mögen. Aber nur wenn er sowas sagt: »Die Stadt ist so pleite, dass man sie jetzt auch uns anvertrauen kann.«

Sicher ist, dass die Ablehnung der US-Vergeltungsschläge in Afghanistan durch die PDS eine rot-rote Koalition nicht wahrscheinlicher gemacht hat. Die Kritik von SPD-Generalsekretär Franz Müntefering, der die PDS als »nicht regierungsfähig« bezeichnete, war vernichtend. Da nützte es wenig, dass er selbst und auch die Berliner SPD-Sprecherin Anja Sprogies den Bund und das Land Berlin fein säuberlich getrennt halten wollten. Im Berliner Senat werde ja keine Außenpolitik gemacht, hieß es wenig originell. Letztlich wollte man wohl Klaus Wowereit keine Koalition vorzeitig verbauen.

Wowereit liebäugelt - nicht zuletzt, weil es zu einem rot-grünen Senat sicher nicht reichen wird - ganz offensichtlich mit einer Ampelkoalition. Der Grund dafür ist nicht nur, dass die PDS für viele Westberliner immer noch ein reines DDR-Produkt ist. Vielmehr setzt die SPD, die selbst nur 35 Prozent der Stimmen zu erwarten hat, darauf, mit zwei wesentlich schwächeren Koalitionspartnern besser ihre Ideen umsetzen und sich profilieren zu können. Denn die selbst ernannten Saubermänner von der FDP, die bestenfalls zehn Prozent der Stimmen bekommen dürften, wollen dringend wieder aus der sehr unbehaglichen Opposition heraus.

Die Grünen hingegen, denen der bundesweite Abwärtstrend auch in Berlin ein paar Prozent rauben könnte, möchten im Senat bleiben. Zwar haben sich die grünen Senatsmitglieder bislang wenig hervortun können. Lediglich Justizsenator Wolfgang Wieland versuchte sich an einer grünen Variante des Sicherheitsdiskurses, konnte aber mit dem derzeit nicht angesagten Slogan »Freiheiten verteidigen« allenfalls einen Teil der Stammwählerschaft bei der Stange halten. Doch in der Opposition wäre die Sorge noch größer und berechtigter, in der Marginalität zu verschwinden. Der »grüne Aufbruch für Berlin« dürfte sich in jedem Fall als kläglich erweisen, aber der notorisch optimistische Bundesgeschäftsführer Reinhard Bütikofer wird wie immer einen Grund zur Freude finden.

Sollten die Grünen nun in den kommenden Koalitionsverhandlungen einer Ampelkoalition zustimmen, so wird Klaus Wowereit in die angenehme Rolle des Schlichters schlüpfen können, der den ständig schwelenden Streit zwischen den beiden Kleinparteien zu regeln hat. Zu verlieren hat er dabei nichts, weil sich die SPD im Falle eines Koalitionsbruches doch noch mit der PDS verbünden könnte. Eine Ampelkoalition stünde also fest unter der Führung der SPD. Und eine schlaue Lösung für die marode Bankgesellschaft Berlin hat Wowereit nach einer Meldung von Spiegel-Online auch schon gefunden: Peter Gloystein vom CDU-Wirtschaftsrat soll sich in Zukunft darum kümmern. Das heißt, egal was mit der Bankgesellschaft in Zukunft passiert, die SPD wird nicht Schuld sein.

Kurz: Die Gewinnerin der kommenden Wahl dürfte in vielfacher Hinsicht die SPD sein. Da es keine ernsthafte Konkurrenz gibt, kann sie vielleicht sogar endlich ihren Traum verwirklichen, Berlin wieder so rot zu machen, wie es unter Willy Brandt war. Nur fehlt diesmal Willy Brandt. Deshalb bleibt die Berliner Landespolitik in jedem Fall ein blasses Spiegelbild der Bundespolitik.