Konflikte in Saudi-Arabien

Djihad oder Öl

Offiziell hat Ussama bin Laden in der saudischen Regierung keine Freunde. 1994 verlor er die saudische Staatsangehörigkeit wegen seiner Forderungen nach einem Abzug des seit dem zweiten Golfkrieg 1991 im Saudi-Arabien stationierten US-Militärs. Nach den Anschlägen vom 11. September wurden die diplomatischen Beziehungen zum Taliban-Regime abgebrochen, bin Ladens Schwager kam in Haft; auch wurde anerkannt, dass gegen bin Laden als Hauptverantwortlichen für die Attacken vorgegangen werde.

»Wir sind sehr zufrieden mit der saudischen Kooperation«, sagte der Sprecher des US-amerikanischen Außenministeriums Richard Butcher am vergangenen Donnerstag, nachdem Saudi-Arabien sich bereit erklärt hatte, Schritte gegen das Netzwerk islamistischer Organisationen einzuleiten, von denen einige das fund raising für den Djihad organisieren.

Saudi-Arabiens Staatseinkünfte sind weitgehend abhängig vom Ölexport in die USA. Spätestens seit dem Angriff auf Afghanistan jedoch werden die Schwierigkeiten im Verhältnis zum Westen auch an den Komplikationen auf diplomatischer Ebene deutlich. Von verschiedenen saudi-arabischen Stellen gab es seit Donnerstag permanent widersprüchliche Aussagen über die Ein- bzw. Ausladung des britischen Premierministers Tony Blair.

Ebenfalls am Donnerstag lehnte der New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani eine Spende des saudischen Prinzen Alwaleed bin Talal in Höhe von zehn Millionen Dollar für die Opfer des Anschlags auf das World Trade Center ab. Der Prinz hatte einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und der US-amerikanischen Nahost-Politik hergestellt und den USA empfohlen, »gegenüber der palästinensischen Sache eine ausgewogenere Haltung« einzunehmen. Außerdem hatte Saudi-Arabien gleich zu Beginn der US-Kriegsplanung klar gemacht, dass von seinem Boden kein Angriff ausgehen dürfe.

Diese Unschlüssigkeiten der saudi-arabischen Außenpolitik erklären sich insbesondere aus der Schwächung der »liberalen« Fraktion um Verteidigungsminister Prinz Sultan, dem die Unterstützung der USA vorgeworfen wird. Einerseits wächst der Druck von der Straße. Beim letzten Freitagsgebet für »alle Moslems in Afghanistan und Palästina« wurden rund 170 000 Gläubige mobilisiert. Zu massenhaften Ausschreitungen kam es bislang nicht, jedoch wurden vereinzelt Attacken auf westliche Ausländer verübt.

Andererseits eskaliert innerhalb des Königshauses der Machtkampf mit dem reaktionär-religiösen Lager um Kronprinz Abdullah. Die puritanisch-fundamentalistische Form des Islam, der Wahhabismus, ist zwar Staatsreligion in Saudi-Arabien. Doch bereits Ende September war gegen die Königsfamilie selbst eine Fatwa ausgesprochen worden, da sie mit den USA die »Ungläubigen« unterstütze.

Der Bruch innerhalb des Establishments zeigte sich auch Anfang September, als das Staatsoberhaupt, der schwer kranke König Fahd, den Geheimdienstchef Prinz Turki feuerte. Während seiner 25jährigen Amtszeit war Turki dem Daily Telegraph zufolge für die saudischen Beziehungen zu Pakistan und Afghanistan verantwortlich und damit auch für die Unterstützung der Mudschaheddin in Afghanistan. Zudem gilt er als Alliierter bin Ladens.

Sollten sich aktuelle Berichte bewahrheiten, dass König Fahd Ende September aus Angst vor einem drohenden Putsch nach Genf geflohen sei, wäre bin Laden seinem Traum ein wenig näher: die Herrschaftsclique zu stürzen, die »Ungläubigen« aus dem »Heiligen Land« zu vertreiben und seinen eigenen, noch repressiveren wahhabitischen Gottesstaat zu installieren.