Die FAZ entdeckt Anundhati Roy

Monströse Visitenkarte

Eines der großen Erfolgsprojekte der Nazis war es, antikoloniale Bewegungen gegen die imaginierte plutokratisch-jüdisch-angloamerikanische Weltherrschaft zu unterstützen. Neben den Palästinensern wurde so vor allem die indische Unabhängigkeitsbewegung vom in Berlin ansässigen Free India Radio mit Propaganda versorgt.

War es nun späte Dankbarkeit oder nur ideologische Nähe, die kürzlich eine Inderin veranlasste, sich bei den Deutschen für ihre damalige Hilfe zu revanchieren. Die »mehrfache Buchpreisträgerin, Umweltschützerin, Frauenrechtlerin und Mitglied der Kampagne gegen die Großstaudamm-Projekte«, Arundhati Roy, veröffentlichte in der FAZ angesichts der Terroranschläge vom 11. September ein antiamerkanisch-antisemitisches Pamphlet namens »Terror ist nur ein Symptom«, das die hiesigen Befindlichkeiten kongenial zusammenfasste.

Während das offizielle Deutschland noch halbherzige Solidaritätsadressen in Richtung USA abgibt, um im Inneren zumindest ein paar Notstandsgesetze rechtfertigen zu können, spricht die Stimme der Dritten Welt aus, wovon hierzulande alle überzeugt sind. Dass nämlich am Übel der Welt eigentlich die USA und die Juden schuld seien und die Massaker von New York nur eine Gegenwehr darstellen: »Was ist Usama bin Ladin? (...) Er ist der dunkle Doppelgänger des amerikanischen Präsidenten. Der brutale Zwilling alles angeblich Schönen und Zivilisierten. Er ist aus der Rippe einer Welt gemacht, die durch die amerikanische Außenpolitik verwüstet wurde, durch ihre (...) unbekümmerte Politik der unumschränkten Vorherrschaft, ihre kühle Missachtung aller nichtamerikanischen Menschenleben, (...) ihre wirtschaftlichen Bestrebungen, die sich gnadenlos wie ein Heuschreckenschwarm durch die Wirtschaft armer Länder gefressen haben. Ihre marodierenden Multis, die sich die Luft aneignen, die wir einatmen, die Erde, auf der wir stehen, das Wasser, das wir trinken, unsere Gedanken.«

Endgültig vorbei ist die Zeit, in der die Befreiungsbewegungen des Trikont versprachen, »eine Geschichte des Menschen zu beginnen, die den von Europa einst vertretenen großartigen Lehren, aber zugleich auch den Verbrechen Europas Rechnung trägt«, wie Frantz Fanon noch hoffte. Die zivilgesellschaftlich engagierte Roy verbreitet nur noch die bereits von Free India Radio gepredigte, vermeintlich antikapitalistische Botschaft, dass das jüdische Finanzkapital - in Form des Stereotyps von Heuschrecken - hinter den angloamerikanischen Angriffskriegen gegen die um Freiheit kämpfenden Völker stehe. Darum auch waren Roy zufolge »die Anschläge vom 11. September die monströse Visitenkarte einer aus den Fugen geratenen Welt. Die Botschaft könnte durchaus unterzeichnet sein von den Geistern der Opfer von Amerikas alten Kriegen«, also etwa den »Tausenden Palästinenser(n), die im Kampf gegen die israelische Besetzung des Westjordanlands den Tod fanden«.

Roy wird vom deutschen Establishment so zur Sprecherin aller Bewegungen der Dritten Welt geadelt, die sich in Durban endgültig von jedem emanzipatorischen Anspruch verabschiedet haben. Statt auf die »Notwendigkeit des Umsturzes von Verhältnissen, welche Vertreibung, Hunger, Elend und Tod so naturgesetzlich implizieren wie Heimat, Nation und Staat« (Eike Geisel) hinzuweisen, fordern sie die unterdrückten Völker auf zum zivilgesellschaftlichen, antirassistischen Befreiungskampf gegen die Juden und ihre Agentur des Bösen, die USA. Und nicht nur Horst Mahler hofft, dass dieser Kampf auch den »Völkern in den Metropolen das Signal zur Erhebung« gegen den »auf Geldleihe aufgebauten Jahwe-Kult« sein wird. Auf der Frankfurter Buchmesse hat die Inderin, die der FAZ zufolge zeigt, dass auch in der Dritten Welt der Kampf gegen die USA als »Krieg der Kulturen« begriffen werde, sich vor gleichgesinnten Unterstützern kaum retten können.