Maßnahmen gegen den Terror

Eine Frage des Glaubens

Die britische Version der Anti-Terror-Maßnahmen enthält vor allem eine weitere Verschärfung des Asylrechts.

Auch die Androhung von Strafgeldern ließ sie kalt. 10 000 britische Science Fiction-Fans gaben bei der diesjährigen Volkszählung an, dem Jedi-Glauben anzugehören, einer Religion, die für die Star Wars-Serie erfunden wurde. Das Statistische Amt Großbritanniens sehe sich deshalb gezwungen, berichtete die Boulevardzeitung Daily Express, bei der Frage nach der Religionszugehörigkeit künftig den Jedi-Glauben in die Fragebögen mit aufzunehmen (Jungle World, 43/01).

Damit nicht genug: Die Jedi-Gemeinde könnte demnächst sogar rechtlichen Schutz genießen. Ein vom britischen Innenminister David Blunkett vorgeschlagenes neues Anti-Diskriminierungsgesetz stellt die Diffamierung von Angehörigen verschiedener Religionen aufgrund ihres Glaubens unter Strafe.

Das Gesetz ist Teil eines geplanten Paketes von Anti-Terror-Verordnungen, das Blunkett erstmals auf dem Parteitag der regierenden Labour-Party vor drei Wochen als Reaktion auf die Anschläge vom 11. September vorstellte. Neben rassistischer soll künftig auch religiöse Diskriminierung bestraft werden. Zwischen drei und sieben Jahren Freiheitsentzug sind als Strafmaß für die beiden Delikte vorgesehen. Die Höchststrafe für rassistische Diskriminierung lag bisher bei zwei Jahren.

Blunkett beabsichtigt jedoch nicht, Großbritannien zum Protagonisten antirassistischer Politik in Europa zu machen. Sein Anti-Terror-Paket enthält vor allem eine Verschärfung des Asylrechts. So sollen ausländische Staatsbürger, die des Terrorismus verdächtigt werden, schneller und unbürokratischer ausgeliefert werden können. Wenn kein Auslieferungsabkommen mit dem Herkunftsland besteht oder wenn es das britische Recht verbietet, eine »verdächtige« Person an ein Land auszuliefern, weil ihr dort Folter oder die Hinrichtung drohen, wie auch im Falle des Verbündeten USA, soll eine unbegrenzte Inhaftierung in Großbritannien möglich sein.

Das beträfe auch Asylbewerber, die terroristischer Aktivitäten verdächtigt werden, wie etwa mutmaßliche Mitglieder der kurdischen Guerilla PKK. Diese Regelung würde allerdings gegen den Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention verstoßen. Doch Blunkett betonte bereits, er habe keine Bedenken, Teile der Konvention außer Kraft zu setzen, wenn er dadurch eines der grundlegenden Rechte seiner Bürger gewährleisten könne: den Schutz vor terroristischen Angriffen. Ohnehin hätten Terroristen in keinem demokratischen Land ein Recht auf Asyl. Blunkett beruft sich dabei auf den Artikel 15 der Menschenrechtskonvention, der es den Unterzeichnerstaaten erlaubt, Teile der Konvention unbeachtet zu lassen, wenn eine Gefahr für das »Überleben des Staates« besteht.

Erweitert werden soll auch das so genannte Verschwörungsgesetz. Demnach können künftig Personen inhaftiert, abgeschoben oder ausgeliefert werden, die »bekannte Terroristen ausbilden, mit ihnen kommunizieren oder ihnen Güter und Dienstleistungen zukommen lassen«. Internetanbieter und Banken sind zudem angehalten, »verdächtige« Mitteilungen oder Transaktionen zu melden. In der Umgebung gefährdeter Objekte wie Atomkraftwerken oder an Verkehrsknotenpunkten wie Bahnhöfen und Flughäfen sollen die Befugnisse der Polizei erheblich erweitert werden. Die Beamten sollen außerdem uneingeschränkte Einsicht in die Passagierlisten von Transportunternehmen erhalten.

Man rechnet damit, dass die Parlamentarier Blunketts Gesetzespaket annehmen und in spätestens sechs Wochen verabschieden werden. Eine parteiübergreifende Unterstützung für die Pläne des Innenministers ist so gut wie sicher. Lediglich einige liberale und sozialdemokratische Abgeordnete sowie verschiedene Bürgerrechtsgruppen sprechen sich offen gegen die Gesetzesvorhaben aus.

Seitdem die Pläne der britischen Regierung zur Terrorbekämpfung bekannt wurden, tauchen in nahezu jeder Debatte zwei populäre Namen auf: Nelson Mandela und Salman Rushdie. Denn das neue Antidiskriminierungsgesetz könnte Rushdie mit seiner Kritik am Islam, aber auch seine britischen Verleger durchaus ins Gefängnis bringen. Und wenn das geplante Anti-Terror-Asylrecht schon zu Zeiten des südafrikanischen Apartheidsystems gegolten hätte, wäre Mandela in Großbritannien, das immerhin eine wichtige Rolle in der Anti-Apartheidsbewegung spielte, nicht in den Genuss des Schutzes vor Verfolgung gekommen.

Diesen Argumenten erwidert Blunkett jedoch, dass man bei der Erkennung von Terroristen nicht nur den Aussagen der Herkunftsländer folgen, sondern auch eigene Nachforschungen anstellen werde. Die literarische Auseinandersetzung mit religiösen Systemen werde in jedem Fall weiterhin möglich sein.

Viele Journalisten und Bürgerrechtler befürchten allerdings eine gravierende Beschränkung der Rede- und Pressefreiheit. Polly Toynbee von der linksliberalen Tageszeitung The Guardian erklärte dem Fernsehsender BBC, die Religionszugehörigkeit sei im Gegensatz zu »ethnischen Merkmalen eine Frage des Glaubens, mit der man sich ohne Angst vor Repressalien intellektuell auseinandersetzen müsse«. John Wadham, der Direktor der Bürgerrechtsorganisation Liberty, warnte davor, dass die neuen Maßnahmen weit über ihr eigentliches Ziel hinausgehen könnten. »Gib dem Innenminister ein paar Zentimeter, und Polizei und Sicherheitskräfte werden meilenweit durch die Bürgerrechte trampeln.«

Sarah Spencer vom linksliberalen Institute for Public Policy Research meinte, es gebe »eine Tendenz, bei Anlässen wie diesen anzunehmen, es brauche neue Mittel, anstatt die, die es bereits gibt, effektiver zu nutzen«. Das der Labour Party nahe stehende Institut kritisierte die von der Regierung erneut in die Debatte eingebrachte obligatorische Einführung von Identitätskarten. Die 1939 zu Kriegszeiten erstmals eingeführte Ausweispflicht wurde 1953 abgeschafft, weil die Polizei sie zur Drangsalierung der Bevölkerung missbraucht hatte. 1995 betrieb der konservative Innenminister Michael Howard die Einführung eines ähnlichen Systems, allerdings ohne Erfolg.

Wie die meisten anderen Staaten der Europäischen Union unternahm auch Großbritannien seine Schritte im internen »Kampf gegen den Terrorismus« bisher weitgehend eigenständig und ohne Abstimmung mit den anderen Mitgliedsstaaten. »In Kriegszeiten scheinen sich die Staaten nach innen zu orientieren«, erklärte EU-Kommissionspräsident Romani Prodi den seiner Ansicht nach drohenden Bedeutungsverlust der EU.

Am vergangenen Freitag fassten die 15 Staats- und Regierungschefs der EU wieder zahlreiche gemeinsame Beschlüsse in der Sicherheitspolitik. Unter anderem sind in dem neuen europäischen Anti-Terror-Paket einheitliche Sicherheitsverordnungen für den Flugverkehr sowie zahlreiche Maßnahmen gegen Geldwäsche vorgesehen. Also wird der Austausch von Daten zwischen den EU-Staaten unvermeidlich sein. Auf die Vorbehalte von Datenschützern wird es vermutlich die neue verallgemeinerte Antwort geben, dass man im Kampf gegen den Terrorismus nichts unversucht lassen dürfe. Das wissen auch die Briten.