Anti-Terror-Gipfel der EU

Kampf den Finanzoasen

Es gibt noch Realisten in der EU. »Wir dürfen uns nichts vormachen«, warnte am Montag vergangener Woche Graham Watson, der Vorsitzende des Innenausschusses im Europäischen Parlament, als es dort um die so genannten Maßnahmen der EU gegen den Terrorismus ging (Jungle World, 40/01). »Gäbe es diese Gesetze bereits, hätte trotzdem kein Terroranschlag verhindert werden können. Und wenn es sie erst gibt, wird es deswegen keinen Angriff weniger geben.«

Eine Ansicht, die es schwer hat, sich außerhalb der Brüsseler Sitzungssäle zu behaupten. »Ganz im Zeichen des Kampfes gegen den Terror« sahen die Medien den Gipfel von Gent, der am letzten Freitag stattfand. Dabei wurde dort nur ein knappes Stündchen über die Maßnahmen geplaudert, die Watson kurz zuvor so skeptisch beurteilt hatte. Während der restlichen Zeit ging es um Themen, die sich momentan schwer verkaufen lassen: um die Ost-Erweiterung etwa, um die Einführung des Euro oder die weitere Entwicklung der Union. Die Außenminister waren zu dem »informellen« Gipfel nicht eingeladen.

Am Rande des Gipfels von Gent trafen sich die Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands, um ihr Vorgehen gegen den Terrorismus zu koordinieren, was den anderen EU-Mitgliedsländern nicht in den Kram passte. EU-Kommissionspräsident Romano Prodi kritisierte die Dreierkonferenz und erklärte, es missfalle ihm, dass andere EU-Länder keinen Zutritt hätten. Nach dem vertraulichen Gespräch sagten Deutschland, Großbritannien und Frankreich den USA erneut ihre militärische Unterstützung zu.

Wirklich Politik gemacht wurde dagegen Mitte letzter Woche in Luxemburg, ohne dass dies großes Aufsehen erregt hätte. Zunächst trafen sich im Großherzogtum die Justizminister, dann kamen auch noch die Kollegen aus den Wirtschafts- und Finanzressorts dazu; am Tag darauf folgten die Außenminister.

Sie beschlossen vor allem rigide Maßnahmen gegen so genannte Finanzparadiese. Dass es einer gewissen Komik nicht entbehrte, wenn diese Beschlüsse ausgerechnet in Luxemburg gefasst wurden, dürfte wohl nur denjenigen Politikern aufgefallen sein, die dort noch immer Schwarzkonten unterhalten.

Luxemburg war denn auch nicht unter den 20 nicht kooperativen »Staaten und Territorien«, denen die EU drohte, in Zukunft die gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen »eingehend zu prüfen«, wenn sie keine Gesetze gegen Geldwäsche erlassen. Die Liste reicht von den Cook-Inseln bis zur Ukraine, besonders delikat ist, dass sich darauf außer Israel und Ägypten auch Russland und der Beitrittskandidat Ungarn finden. Vertreter dieser beiden Länder und anderer Beitrittskandidaten sowie der Staaten des ehemaligen Jugoslawien wurden für Samstag zu einer eilends einberufenen »Erweiterten Europäischen Konferenz« nach Brüssel beordert, bei der als einziger Tagesordnungspunkt der »Kampf gegen den Terrorismus« vorgesehen war.

Ob es wirklich darum ging, darf bezweifelt werden. Schon seit Jahren versuchen die starken EU-Staaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland ein Vorhaben durchzuführen, das früher den Zweck hatte, »Steuerschlupflöcher zu stopfen«.

Es sieht so aus, als hätten sie nach den Gerüchten um Ussama bin Ladens weltweite Spekulationen und Geldwäschereien dem alten Projekt zur Aufbesserung der Staatshaushalte die neue Bezeichnung »Kampf gegen den Terrorismus« verpasst. Wer nicht spurt, wird zu den Förderern des Terrors gezählt. So drohte Bundesinnenminister Otto Schily, am ersten Trittbrettfahrer, den man erwische, werde »ein Exempel statuiert«. Seine Kollegen Finanzminister hat er damit offenbar nicht gemeint.