Innere Formierung und Rassismus in Frankreich

Patrioten, konsumiert!

Als »schönes Beispiel nationaler Einheit angesichts der Gefahr für das Vaterland« bezeichnete ein sozialistischer Senator in der Tageszeitung Libération am vergangenen Donnerstag die Abstimmung im französischen Senat. Das Oberhaus des französischen Parlaments hatte am Abend zuvor das nach dem 11. September von der Regierung hastig geänderte Gesetz zur Inneren Sicherheit im Alltag verabschiedet. Die rechtskonservative Opposition, die im Senat die Mehrheit bildet, stimmte den Ergänzungen begeistert zu, während sie von sozialistischen und kommunistischen Senatoren kritisiert wurden.

Der Gesetzesentwurf stand vor der zweiten Lesung, als die Nachricht von den Terroranschlägen in den USA eintraf. Der sozialistische Innenminister Daniel Vaillant ließ daraufhin 13 Zusatzbestimmungen in das Gesetz aufnehmen, die angeblich der Terrorismusbekämpfung dienen sollen. Umstritten ist die Erweiterung der polizeilichen Befugnisse bei der Durchsuchung von Autos oder Wohnungen. So dürfen die Ermittler, wenn sie keine Belege für so genannte terroristische Aktivitäten finden, dafür aber anderen Delikten wie illegaler Einwanderung oder Haschischkonsum auf die Spur kommen, die bei den Durchsuchungen erhobenen Beweismittel verwenden. Die neuen Bestimmungen zur Inneren Sicherheit sollen zunächst bis Ende 2003 gelten und dann erneut geprüft werden. Strafrechtsspezialisten wie Bernard Bouloc von der konservativen juristischen Fakultät der Universität Paris 2-Assas warnen vor Einschränkungen der Bürgerrechte.

Schon jetzt hat das schlechte innenpolitische Klima insbesondere für Menschen, die ohne offiziellen Aufenthaltsstatus in Frankreich leben, Konsequenzen. Am 1. Oktober berichtete das kirchliche Hilfswerk Cimade, das illegalisierte Immigranten betreut, über einen deutlichen Anstieg der Häftlingszahlen in den Abschiebegefängnissen: In Marseille ist die Belegungsquote um 39 Prozent gestiegen, in Strasbourg um 38 Prozent, in Paris um 30 Prozent. Die juristische Grundlage dafür ist der so genannte Notstandsplan Vigipirate (Piratenwache), der erstmals während des zweiten Golfkrieges 1991 verhängt worden war, und nun Mitte September erneut in Kraft gesetzt wurde.

Auf der wirtschafts- und arbeitspolitischen Ebene ist derzeit eine Neuauflage der Union Sacrée zu beobachten, der französischen Variante des deutschen »Burgfriedens«. Am 28. September hatte Premierminister Lionel Jospin in einer scharfen Rede vor den sozialistischen Parlamentariern an den »ökonomischen Patriotismus« appelliert, die Unternehmer zu Investitionen und die Bevölkerung zum Konsum aufgefordert.

Bei den Gewerkschaften hat Jospins Appell zur Einheit bereits Gehör gefunden. Zwar legten die Angestellten im öffentlichen Dienst am vergangenen Dienstag aus Protest gegen die Sparpolitik der Regierung die Arbeit für 24 Stunden nieder. Der Streik wurde aber auf einen Tag beschränkt, was vor allem in den Transportsektoren wie Metro und Bahn mit der angespannten internationalen Lage begründet wurde. Besonders im Luftfahrtbereich, hieß es aus Gewerkschaftskreisen, seien seit dem 11. September viele Arbeitsplätze bedroht, man wolle keine zusätzlichen Gefährdungen schaffen.