Berlin hat gewählt

Rot-rote Ampel

Es sei ein Aufbruch in eine neue Zeit für die Hauptstadt, sagte SPD-Generalsekretär Franz Müntefering am Sonntag nach der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus. Ob das für Berlin wirklich zutrifft, ist offen, für die CDU und Angela Merkel stimmt es auf jeden Fall.

»Wir werden in Zukunft zugewinnen«, sagte die CDU-Parteivorsitzende, nachdem ihre Partei über 17 Prozentpunkte verloren hatte, so viel, wie nie zuvor in einer Wahl. Sie liegt nun in der Hauptstadt nur um einen Prozentpunkt vor der PDS. Der Abend muss für Christdemokraten die Hölle gewesen sein. Auf Bundesebene darf das nicht passieren. Mit Merkels Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur dürfte es vorbei sein.

Doch auch Rot-Grün hat die Erwartungen nicht erfüllt. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse fragt man sich, wie der von Müntefering verkündete Aufbruch aussehen soll. Die SPD unter Klaus Wowereit hat weit weniger gewonnen als erwartet. Und die Grünen? »Ein Riesenerfolg«, kommentierte die Spitzenkandidatin Sibyll Klotz, »wenn wir das Ergebnis von 1999 halten konnten.« So bescheiden sind sie geworden, und am Ende haben sie doch einen Punkt verloren.

Also wird man die FDP engagieren, und damit solche Erneuerer wie Günther Rexrodt, dessen größte Leistung es als Bundeswirtschaftsminister von 1993 bis 1998 in der sich damals bereits in Agonie befindlichen Regierung Kohl war, nicht aufzufallen. Monika Griefahn (SPD) wurde als Kultursenatorin in einer Ampelkoalition gehandelt, sie war von 1990 bis 1998 bereits niedersächsische Umweltministerin. Auch kein schlechter Karriere-Slide.

Klaus Böger (SPD) könnte Innensenator werden, er war schon mal zwei Jahre lang Berliner Schulsenator und hat dabei den Notstand fachmännisch verwaltet. Und der Berliner SPD-Vorsitzende Peter Strieder wird weiter sein Amt als Senator für Stadtdekonstruktion ausüben, das er seit 1996 innehat. Er und Böger waren zentrale Figuren der gescheiterten großen Koalition, sie gehören zu Berlin wie Currywurst und Korruption.

Wenn sich Wowereit nicht eines anderen besinnt. Er wolle eine »stabile Mehrheit für fünf Jahre«, sagte er am Wahlabend. Das könnte ein Wink mit dem rot-roten Koalitionsvertrag gewesen sein. Einige Gründe sprächen durchaus für ein Bündnis der SPD mit der PDS.

Die Anti-PDS-Kampagnen der CDU wirken längst nicht mehr, die CDU wird im Osten Berlins zur Splitterpartei. Die PDS ist dort Volkspartei, sie holt zwischen Pankow und Köpenick jede zweite Wählerstimme. Statt sie wieder in die Opposition zu schicken, wo sie immer stärker wird, könnte man sie in die Regierung und damit in die Verantwortung für kommende soziale Härten und den Ausbau des Sicherheitsstaates einbinden. Gysi würde dem Berliner Senat anfangs einen Hauch von Pop und Talk-Show verleihen, als Justizsenator würde er letztlich entzaubert.

Vielleicht braucht die SPD den Umweg über eine Ampelkoalition, die eine reine West-Option wäre. Doch sowohl der CDU, als auch der SPD wird eine starke PDS im Osten gefährlich. Die drei Parteien liegen inzwischen nahezu gleichauf. Irgendwann wird man die PDS auch in der Hauptstadt genau das tun lassen, was alle anderen Parteien beizeiten tun, damit die WählerInnen sehen, dass es nicht lohnt, sie zu wählen: regieren.