Anti-Kriegs-Proteste

Brood en Bommen

In der niederländischen Antikriegsbewegung gibt es Streit um das Verhältnis zu den USA.

Die Polizisten, die am 11. Oktober das US-amerikanische Konsulat am Museumplein in Amsterdam bewachten, blickten verwundert um sich. Denn plötzlich regnete es Brot. Innerhalb von zwei Minuten war der Museumplein mit Nahrungsmittelpaketen übersät. 60 Antikriegsaktivisten wollten mit dieser Aktion die Absurdität der »Brot und Bomben«-Kriegsstrategie der USA in Afghanistan verdeutlichen.

Seit dem 11. September stehen auch in den Niederlanden die Debatten um die Verschärfung der Gesetze zur Inneren Sicherheit ganz oben auf der Tagesordnung der Regierung. Nachdem Ministerpräsident Wim Kok von der sozialdemokratischen Partij van de Arbeid (PvdA) einen Tag nach den Anschlägen in den USA verkündete, die Niederlande befänden sich nun im Krieg, wird ähnlich wie in Großbritannien über die Wiedereinführung der allgemeinen Ausweispflicht nachgedacht. Auch eine Ausweitung des Paragrafen 140, der das niederländische Pendant zum deutschen Antiterrorparagrafen 129 darstellt, ist im Gespräch.

Die ersten Antiterrormaßnahmen haben jedoch vor allem diejenigen verunsichert, die angeblich geschützt werden sollen. Nachdem beispielsweise Unbekannte am 27. September gedroht hatten, mehrere Straßentunnel in Amsterdam und Rotterdam in die Luft zu sprengen, rückte die Armee mit Scharfschützen an. Ein Autofahrer wurde festgenommen, weil sein Fahrzeug den Sicherheitskräften verdächtig erschien. Der Fall sorgte für große Aufregung in der Bevölkerung. Die Regierung richtete daraufhin ein Betreuungszentrum für traumatisierte Autofahrer ein.

Ende September, nach mehreren lokalen Aktionen in Amsterdam, Rotterdam, Leiden und Utrecht gegen den drohenden Krieg der USA in Afghanistan, versuchte ein Teil der niederländischen Linken eine gemeinsame Position zu den Anschlägen und den bevorstehenden Gegenschlägen zu formulieren und gründete die aus mehr als 100 Initiativen bestehende Plattform tegen de nieuwe oorlog (Plattform gegen den neuen Krieg). Das Bündnis verabschiedete eine Erklärung mit dem Titel »Gerechtigkeit, keine Rache« und rief zu einer Großdemonstration am 30. September in Amsterdam auf, an der sich 5 000 Menschen beteiligten. In ihrem Manifest fordert die Plattorm die Regierungskoalition aus der PvdA, der rechtsliberalen Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) und den linksliberalen Democraten '66 (D'66) dazu auf, sich von den US-Militärschlägen in Afghanistan zu distanzieren.

Doch auch fast alle Oppositionsparteien im Parlament, darunter die niederländischen Christdemokraten (CDA) und die grüne Partei (GroenLinks), unterstützen den Kriegskurs der Regierung. So erklärte Farah Karimi, die außenpolitische Sprecherin von GroenLinks am 8. Oktober in einem Papier ihrer Fraktion zum Krieg: »Wir haben Verständnis für das Ausschalten von militärischen Einrichtungen der Taliban.« Lediglich die linke Socialistische Partij (SP) verweigert die geforderte »uneingeschränkte Solidarität« mit den USA. Die Befürwortung des Krieges seitens der Parteispitze von GroenLinks führte bereits zu Zerwürfnissen mit der Basis. So haben sich verschiedene grüne Regionalgruppen sowie die Jugendorganisation der Partei, Dwars (Quer), der Plattform gegen den neuen Krieg angeschlossen.

Aber auch die Plattform ist ein äußerst fragiles Bündnis. Die Meinungsverschiedenheiten unter den beteiligten Gruppen beginnen bei der Interpretation der Anschläge in den USA. Die neokommunistische Nieuwe Communistische Partij Nederland (NCPN) erklärte in einem Dokument vom 22. September, »der Nährboden des Terrorismus ist Hunger, Unterdrückung und Unterentwicklung«. Die Anschläge, heißt es weiter, würden von den USA missbraucht, »um ihre kapitalistischen Interessen durchzusetzen«.

Die Aktionsgruppe EuroDusnie, die sich als Teil der Antiglobalisierungsbewegung sieht, steht der Plattform gegen den Krieg kritisch gegenüber. Sie warnt vor einer Tendenz zum platten Antiamerikanismus innerhalb des Antikriegsbündnisses. Die USA seien in diesem Konflikt nicht die von eigenen Interessen getriebene imperialistische Macht, meint David Vervoort, ein Sprecher von EuroDusnie. Seiner Ansicht nach soll die Antikriegsbewegung die Anschläge nicht ausschließlich mit den Schlagworten »Globalisierung« und »Armut« begründen, sondern auch die Wirkung von religiösen Wahnideen in ihre Analyse einbeziehen. Auch die antirassistische Initiative De Fabel van de Illegaal, die sich bereits von der Antiglobalisierungsbewegung distanziert hatte, übt Kritik an der neuen Antikriegsbewegung. De Fabel beschäftigt sich seit den Anschlägen vor allem mit religiösen Fundamentalismen, die sie nicht als genuin islamisches Phänomen interpretiert, sondern als ein weltweites.

In der von der Fabel herausgegebenen gleichnamigen Zeitschrift schreibt Eric Krebbers in der Herbstausgabe: »Die fundamentalistischen Bewegungen sind im Kern allesamt ultrapatriarchale Ideologien. Das ist ihre primäre Anziehungskraft. Sie sind letztlich nichts anderes als faschistische Ideologien, die in religiösen Begriffen formuliert werden.« Die Protagonisten fundamentalistischer Bewegungen, meint Krebbers weiter, seien nicht automatisch Opfer von Armut und Unterdrückung, wie Teile der Antikriegsbewegung glauben, sondern auch in den Mittel- und Oberschichten zu finden. Die Schuld an den negativen Folgen der kapitalistischen Globalisierung allein den USA zuzuschreiben, wie es das Gros der Friedensbewegung tue, diene auch dazu, von Problemen wie dem Rassismus im eigenen Land abzulenken. So versuchen rechtsextreme Gruppierungen zurzeit, verstärkt Stimmung gegen Migranten und Flüchtlinge zu machen. Seit dem 11. September wurden mehr als 100 muslimische Einrichtungen angegriffen.

Während die Kritik an der neoliberalen Globalisierung nach dem G 8-Gipfel in Genua in den Niederlanden in einer breiten Öffentlichkeit diskutiert wurde, findet diese Debatte seit dem 11. September auch in den Medien keinen Raum mehr. David Vervoort sieht darin keine Niederlage, sondern eine Möglichkeit für die globalisierungskritische Bewegung, darüber nachzudenken, wie ihre weiteren Perspektiven aussehen könnten. Insbesondere mit der Praxis des Summithopping müsse man sich kritisch auseinandersetzen. Stattdessen sollten lokale oder regionale Aktionen mehr in den Vordergrund rücken. Dazu gehöre jedoch auch die Einbindung der in der Antikriegsbewegung aktiven Flüchtlinge und Migranten, fügt Krebbers hinzu.

Zumindest in dieser Hinsicht, da ist sich auch David Vervoort sicher, sei die derzeitige Verdrängung der globalisierungskritischen Bewegung aus den Medien und der öffentlichen Debatte auch so etwas wie »Glück im Unglück«.