Welche Partei ist überflüssig?

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Welche ist eigentlich die überflüssigste Berliner Partei? Die Grünen oder die FDP? Und was ist mit der SED und der Union? Sicher ist: Während die PDS noch feiert, handelt die SPD bereits.

Alles fließt

Der Prenzlauer Berg hat gezeigt, wie mit der CDU zu verfahren ist. Der Ost-Berliner Dissidenten-Kiez verpasste der Union unwirklich anmutende Wahlergebnisse. In einzelnen Wahllokalen wurde sie regelrecht vernichtet. Ganz an der Spitze das Wahllokal 223, in der Fröbelstraße. 2,3 Prozent wählten hier CDU. In der Dunckerstraße waren es immerhin 2,5 Prozent, in der Kastanienallee gar 3,4. Irgendeine NGO, vielleicht Attac oder Cap Anamur, sollte sich darum kümmern, dass diese Minderheit weiter sicher in Prenzlauer Berg leben kann.

Die Ergebnisse anderer Wahllokale hingegen belegen, warum in der DDR keine freien Wahlen abgehalten wurden. Sie waren überflüssig, da die Leute sich sowieso einig waren. In der Wartenberger Straße in Hohenschönhausen entfielen 79,6 Prozent der Wählerstimmen auf die Ulbricht-Nachfolger. Hört sich gut an, aber will man dort wohnen?

Völlig regierungstreu wählte dagegen Kreuzberg. Rund um den Mariannenplatz wählten 34,3 Prozent die Grünen und 23,8 Prozent die SPD. Am Görlitzer Park holten die Grünen gar 40 Prozent. Kreuzberg, was ist aus dir geworden? Peter Parker

Die Überflüssigen

»Wenn man nicht gebraucht wird, hat man auch nichts zu melden«, sagte der Grünen-Vorsitzende Fritz Kuhn in der letzten Woche. Spätestens seit dem Kosovo-Krieg zweifelt niemand mehr daran, dass die Grünen sich selbst überlebt haben. Ihr Zweck, die neuen sozialen Bewegungen ins Establishment zu integrieren, ist erfüllt, die Teilhabe an der Macht ist zum Selbstzweck verkommen.

Das gilt auch für Berlin. Kurz vor dem Mauerfall gab es hier die erste rot-grüne Koalition. Einer, der bereits damals ahnte, was Kuhn heute offen ausspricht, machte im Herbst 1990 die Biege: Harald Wolf, inzwischen PDS-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, schmiss seinen Posten als Landes-vorsitzender der GAL einfach hin.

Der 45jährige zeigt beispielhaft, dass man auch in der Hauptstadt auf die Grünen getrost verzichten kann. Nicht nur, weil er, für Grüne unvorstellbar, in seinem Wahlkreis 50 Prozent der Stimmen holte, sondern vor allem, weil er das, was manche Grüne immer noch als »linke Realpolitik« verklären, seit Jahren erfolgreich betreibt. Eines von vielen Beispielen lieferte Wolf im Wahlkampf. »Es gibt durchaus Vertreter der Union, mit denen ich eine sachliche Politik betreiben könnte«, sagte er. Ex-Grüne können halt doch besser als Fritz Kuhn formulieren, warum es die Partei nicht mehr braucht. Markus Bickel

Das Überflüssige

Während Frank Steffel nun damit begonnen hat, »die Erneuerung« der Union fortzusetzen, hat es Peter Kurth richtig gemacht: Der frühere CDU-Finanzsenator will in den Vorstand des Entsorgungsunternehmens Alba wechseln.

Damit ist der weitere Abstieg der Berliner CDU sicher. Denn Kurth hatte zwar den Finanzskandal verwaltet, doch im Gegensatz zu Steffel brachte er in Talkshows meist gerade Sätze hervor.

Wenn man so will, verkörperte Kurth also so etwas wie eine »moderne CDU«, und vielleicht wäre er auch ein ernstzunehmender Gegner für Klaus Wowereit gewesen. Als sich die CDU auf Steffel, und damit auf den Frontstadtwahlkampf einigte, verschwand Kurth von der Bildfläche und suchte sich einen gut bezahlten Job in der Wirtschaft. Dort wird der 41jährige wohl warten, bis sich die Berliner CDU endgültig ruiniert hat und ihn wiederentdeckt. Oder auch nicht. Jörg Sundermeier

Völlig überflüssig

15 Abgeordnete wird die FDP künftig ins Abgeordnetenhaus schicken. Darunter befinden sich zwei alte Bekannte vom nationalliberalen Flügel der Liberalen: Der Spandauer FDP-Bezirksvorsitzende Wolfgang Mleczkowski sowie Axel Hahn, Bezirksvorsitzender in Neukölln. Beide gehören zu den wenigen FDP-Abgeordneten, die auf eine jahrelange politische Erfahrung zurückblicken können - als stramme Rechte. Mleczkowski gilt als einer der Drahtzieher bei den Nationalliberalen. Bevor die FDP 1995 aus dem Abgeordnetenhaus flog, machte er der damaligen FDP-Fraktionsvorsitzenden Carola von Braun das Leben schwer und holte den ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl in die Partei.

Auch Hahn sorgte im Juli dieses Jahres für Schlagzeilen. Er gründete den FDP-nahen Verein »Berlin bleibt frei. Liberale für Berlin.« Günter Rexrodt, der diesen Verein erst als eine »interessante Initiative« bezeichnet hatte, erklärte kurz darauf, die nationalliberale Strömung innerhalb der Berliner FDP sei inzwischen »domestiziert«. Mariella Schwertmüller

Die wahren Überfließer

Sie war mit dem Ziel angetreten, bei den Bezirkswahlen in Kreuzberg und Friedrichshain »50 minus x Prozent« der Stimmen einzufahren. Sie hat es geschafft - und dabei locker die CDU überholt. Während die Union nur ein Minus von 17,6 Prozent für sich verbuchen konnte, erreichte die aus dem Zusammenschluss der Kreuzberger Patriotischen Demokraten / Realistisches Zentrum (KPD/RZ) und der Friedrichshainer amorphen Zentralisten (FAZ) hervorgegangene »Partei neuen Typs«, die SED, ein Minus von 48,1 Prozent.

Das zweite Wahlziel, keinen Sitz in der Bezirksverordnetenversammlung zu erhalten, weil dies nur Arbeit mache, wurde ebenfalls erreicht. Auf ihre Stammwähler könne sich die Partei hundertprozentig verlassen, hieß es. Auch SED-Sprecher Otto Feder zeigte sich gegenüber Jungle World sehr zufrieden. »Allerdings ist kein Sieg ohne Wermutstropfen. Nun muss die Berliner Bevölkerung eventuell weitere fünf Jahre auf die Verteilung des Geldes aus der Bundesdruckerei warten. Aber Opfer müssen verzichten können.« Christoph Villinger

Schluss mit Überfluss

Während die anderen noch über das Wahlergebnis rätseln, wird aus dem von der SPD geführten Finanzressort bereits eine Sparliste vorgelegt. Dass Lehrer künftig mehr arbeiten und die Kita-Gebühren steigen, okay. Dass jetzt noch mehr Schwimmbäder dran glauben sollen, warum nicht? »Langzeitstudenten« 1 000 Mark pro Semester abknöpfen? Super! Nur dass auch bei der Polizei gestrichen werden soll, das geht zu weit. Wer soll dann die Stereoanlage abholen, wenn die Party mal wieder zu laut ist? Daniel Pagórek