Sorgen um Aktivitäten des irakischen Geheimdienstes

Senden für Saddam

Die Aktivitäten des irakischen Geheimdienstes in Prag beunruhigen die tschechische Regierung.

In schweren Zeiten ist der tschechische Präsident Vaclav Havel zu allem bereit. Er kämpft derzeit nicht nur entschlossen gegen seine chronische Lungenentzündung, sondern auch für die freie Welt. »Es gehört zur Pflicht aller Menschen und der internationalen Gemeinschaft, die Freiheit und die Werte des menschlichen Lebens zu verteidigen, auch, falls nötig, mit der Waffe in der Hand«, erklärte er Mitte Oktober in Prag auf einem internationalen Symposium über »globale Probleme der Menschheit«.

Sehr konkrete Probleme hat die tschechische Regierung derzeit vor allem aber mit den Aktivitäten des irakischen Geheimdienstes. Die Sicherheitsbehörden bestätigten am Freitag der vergangenen Woche, dass sich einer der mutmaßlichen Attentäter von New York, Mohamed Atta, im Frühjahr in Prag mit dem irakischen Geheimdienstagenten Ahmad Khalil Ibrahim Samir al-Ani getroffen habe.

Genauere Angaben darüber, wann und wo das Treffen stattfand, wollte der tschechische Innenminister Stanislaw Gross in der letzten Woche nicht machen. Immerhin erklärte der Innenminister, dass es einen zweiten Besuch Attas in Prag gegeben haben müsse. Er sei Anfang Juni des vergangenen Jahres zum ersten Mal mit einem Bus aus Deutschland nach Tschechien eingereist und einen Tag später von Prag aus in die USA geflogen. Einen Beweis dafür, dass er bereits damals al-Ani getroffen habe, gebe es aber nicht. Im vergangenen April wurde al-Ani wegen »Aktivitäten, die mit seinem diplomatischen Status unvereinbar waren«, aus Tschechien ausgewiesen. Um welche Aktivitäten es sich handelte, wollte Gross ebenfalls nicht sagen.

Die irakische Regierung hatte das Treffen bisher immer dementiert, genauso, wie sie eine Verwicklung in die Attentate und die Anthrax-Anschläge vehement bestreitet. Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters sieht die US-Regierung in den neuen Informationen noch keinen Beweis für eine Verbindung des Irak mit den Attentaten in den USA.

Doch die aktuellen Hinweise auf die Aktivitäten des irakischen Geheimdienstes erschweren die Beziehungen zwischen Prag und Bagdad, die schon seit einigen Jahren stark belastet sind. Das Land war während des Realsozialismus einer der wichtigsten Handelspartner des Irak und lieferte vor allem konventionelle Waffen in den Nahen Osten.

Das Verhältnis kühlte jedoch merklich ab, als Tschechien Anfang der neunziger Jahre die Sanktionen gegen den Irak ausdrücklich begrüßte. Allerdings stellt Hynek Kmonicek, ein ehemaliger stellvertretender Außenminister und Spezialist für den Mittleren Osten, fest, dass Prag weiterhin ein beliebter Treffpunkt für arabische Geschäftsleute und Politiker in Europa bleibe. »Wir haben viele Kontakte mit unterschiedlichen Gruppen im Mosaik des Mittleren Osten geerbt«, sagte er der Prague Post, »ich könnte mir vorstellen, dass viele Gespräche in Tschechien weitergehen.«

Einen weiteren Tiefpunkt erreichten die Beziehungen zwischen dem Irak und Tschechien, als das US-amerikanische Radio Free Europe/Radio Liberty (RFE/RL), das vom US-Kongress finanziert wird, im November 1998 begann, von Prag aus in den Irak und den Iran zu senden. Beide Länder verurteilen den Sendebetrieb als »feindlichen Akt«.

Seitdem gab es in Tschechien Gerüchte über einen bevorstehenden Anschlag des irakischen Geheimdienstes auf das Gebäude des Senders. In diesem Zusammenhang war der tschechische Geheimdienst auch der Verbindung zwischen Atta und al-Ani auf die Spur gekommen, da man den Iraker wegen Hinweisen auf ein Attentat auf den Sender observierte. Al-Ani soll an den Vorbereitungen beteiligt gewesen sein.

Radio Free Europe war 1992 auf Einladung des tschechischen Staatspräsidenten von München nach Prag umgezogen und bekam dort einen prominenten Standort. Das Gebäude von RFE/RL liegt am Wenzelsplatz, inmitten des historischen Zentrums der Stadt. Seit den Anschlägen in den USA wird das Gebäude nun von Panzern und Armeeeinheiten bewacht, und seitdem steigt in der Bevölkerung die Angst vor einem Attentat.

Die Befürchtungen schienen sich zu bestätigen, als der Sender Mitte Oktober eine verdächtige Briefsendung mit weißem Pulver und einem nicht veröffentlichten kurzen Text erhielt. Der Inhalt stellte sich allerdings als harmlos heraus.

Bereits Anfang Oktober diskutierten Vertreter der tschechischen Regierung mit dem US-Außenminister Colin Powell über den Vorschlag, Radio Free Europe aus Sicherheitsgründen an einen Ort außerhalb der Stadt zu verlegen. Die kommunistische Partei forderte die Regierung sogar auf, den Propagandasender des Landes zu verweisen.

Staatspräsident Vaclav Havel nannte derartige Überlegungen »absurd« und besuchte demonstrativ die Redaktion. Der ehemalige Dissident hat, ebenso wie viele andere frühere Oppositionelle, ein besonderes Verhältnis zu RFE/RL. In der Zeit des kalten Krieges schickte der Sender von München aus seine Propaganda in die Ostblockstaaten und erfreute damit alle Gegner der realsozialistischen Regierung.

Die Redaktion verstehe sich als ein »Instrument der US-Außenpolitik«, erklärt die Sprecherin Sonia Winter. »Wir verteidigen die amerikanischen und demokratischen Werte nicht durch Propaganda, sondern durch die Verbreitung genauer, objektiver und gezielter Informationen.«

Darüber sind die Regierungen im Irak und im Iran alles andere als begeistert. Seit 1998 beschäftigt sich daher der irakische Geheimdienst intensiv mit Tschechien.

Auch auf die wirtschaftlichen Beziehungen wirkt sich der Ärger des Iraks über den Sender in Prag negativ aus. Die Regierung in Bagdad bekräftigt immer wieder, dass sie mit Tschechien erst wieder Geschäfte machen will, wenn Radio Free Europe seine Sendungen in den Irak einstellt. In dieser Frage scheint es keine Kompromisse zu geben, eine Handelsmission des tschechischen Außenministeriums musste Anfang des Jahres ohne Ergebnisse aus dem Irak wieder nach Hause reisen.

Auf wenig Gegenliebe bei der tschechischen Bevölkerung stoßen daher die Überlegungen des US-Kongresses, von Prag aus auch nach Afghanistan zu senden. Nach Aussagen des republikanischen Abgeordneten Ed Royce soll der Sender acht Millionen Dollar für »die Verbreitung der Wahrheit in Afghanistan« erhalten. Schon vor zwanzig Jahren hatte RFE/RL Programme in diese Region gesendet, um die islamischen Rebellen in ihrem Kampf gegen die Sowjets zu unterstützen. Als die Mudschaheddin endlich an die Macht kamen, wurde der Sendebetrieb prompt eingestellt.