Kritik am Den Haager Tribunal

Hütchenspiel mit Milosevic

Mit allen möglichen Tricks versucht das Den Haager Tribunal, Slobodan Milosevic den Rechtsbeistand zu verweigern.

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Ganz gewiss aber gilt das nicht für das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Seit Monaten ist die Bürokratie der Institution vorzugsweise damit beschäftigt, ihren prominentesten Häftling, Slobodan Milosevic, weniger juristisch als vielmehr durch alltägliche Tricks zu zermürben.

Das jüngste Beispiel in einer langen Reihe von eigentlich unnötigen Schikanen: Dem wohl prominentesten Rechtsberater von Milosevic, Christopher Black, wurde jede weitere Kommunikation mit dem Häftling untersagt, weil er sich angeblich über die Regeln des Gerichtes hinweggesetzt hatte. Und das ging so: Mitte Oktober veröffentlichte Jungle World ein Interview mit Slobodan Milosevic (43/01). Die Fragen der Redaktion wurden von Christopher Black an Milosevic weitergeleitet, und der beantwortete sie in einem Telefonat mit dem kanadischen Anwalt.

Als Jungle World das Interview veröffentlichte, erhielt Christopher Black ein Schreiben von Christian Rohde, einem Beamten des Tribunals. »Als Resultat Ihrer Vergehen gegen die Haftordnung wird Ihre Berechtigung, mit dem Häftling zu kommunizieren, zurückgezogen. Keine weitere Kommunikation mit dem Beschuldigten wird gestattet - bis auf Widerruf«, schreibt Rohde. Und gibt indirekt zu, dass das Tribunal das macht, was Gerichte, die auf rechtsstaatlicher Basis arbeiten, eigentlich nicht nötig haben: Telefonate und Gespräche zwischen Anwälten und Häftlingen abhören. »Es scheint, dass dieses Interview die meisten, wenn nicht alle Fragen behandelt, die Sie in einem Telefonat mit Milosevic am 3. Oktober erörtert haben.«

Seit Milosevics Inhaftierung Ende Juni dieses Jahres lässt die Bürokratie des Tribunals keine vertraulichen Gespräche zwischen Anwälten und dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher zu. »Sie haben immer wieder neue Ausreden. Manchmal darf man ihn sehen, wird aber dabei gefilmt. Manchmal darf man nur mit ihm telefonieren, wird aber dabei abgehört. Und manchmal darf man keins von beidem. Ich frage mich: Wovor haben die eigentlich Angst? Dass ich mit ihm den Ausbruch aus dem Gefängnis bespreche?« meint Christopher Black gegenüber Jungle World.

Das Tribunal selbst nimmt den Standpunkt ein, dass vertrauliche Gespräche zwischen Anwälten und Häftlingen nur dann möglich seien, wenn der Beschuldigte einen Anwalt zu seinem Verteidiger ernennt. Was Milosevic bisher nicht getan hat. »Jede Strategie für eine Verteidigung wird aber durch dieses Mithören verunmöglicht. Sobald wir über eine mögliche Taktik geredet haben, wusste auch schon Carla Del Ponte Bescheid«, klagt Black.

Mit den strikten Regeln zur Abhörung nimmt es aber das Tribunal auch nicht immer so genau - und verletzt damit selbst das eigene Regelwerk: Als der ehemalige US-Justizminister und nunmehrige Milosevic-Rechtsberater Ramsey Clark den jugoslawischen Ex-Staatschef im Spätsommer dieses Jahres in Den Haag besuchte, wurden die Mikrophone abgeschaltet. Wie sich der Clark-Bonus mit dem offenbar sehr dehnbaren Rechtsverständnis des Tribunals verträgt, wurde nie erklärt.

Auf solche Unstimmigkeiten bezieht sich nun auch Christopher Black in seiner schriftlichen Antwort auf die Merkwürdigkeiten beim Umgang mit Anwälten und Häftlingen. »Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die willkürliche und unprofessionelle Art, mit der Sie Ihre Entscheidungen treffen, für viele Menschen ein Spiegel Ihrer Vorgangsweise bei der Festnahme und Inhaftierung von Slobodan Milosevic ist«, schreibt Black in einem Brief an Rohde.

Aber nicht nur der Kanadier Black hat Schwierigkeiten mit der Vorgehensweise des Tribunals. So beklagt etwa der niederländische Anwalt Nico Stejnen, dass mehrere seiner Briefe an Milosevic einfach nicht zugestellt worden waren. »Sie können ja meinetwegen zensieren, aber Schreiben, in denen es um die Verteidigung geht, einfach gar nicht zuzustellen, ist ein starkes Stück«, so Christopher Black.

Die Willkür des Tribunals in Zusammenhang mit dem Milosevic-Interview von Jungle World könnte nun auch rechtliche Konsequenzen haben. Christopher Black möchte jetzt den Fall vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg verhandelt wissen. Schon in seinem Schreiben an Christian Rohde hat er angekündigt, sich rechtliche Schritte vorzubehalten. Denn die Begründung von Rohde, Black hätte mit dem Interview die Regeln des Tribunals gebrochen, ist wenig überzeugend.

Um jede weitere Kommunikation zwischen einem Anwalt und Milosevic zu unterbinden, muss mehr passieren, als Slobodan Milosevic Platz für einige historische Anmerkungen einzuräumen. Nach den Regeln des Tribunals müsste zwischen Black und Milosevic schon besprochen worden sein, wie eine Feile in die Zelle geschmuggelt oder das Verfahren verhindert werden könnte.

Nichts davon war der Fall. Was der Häftling über die Umtriebe Ussama bin Ladens vor einigen Jahren erzählt hat, steht in keinem Zusammenhang mit den Milosevic zur Last gelegten Kriegsverbrechen. Das müsste auch die Chefanklägerin einsehen, es sei denn, dass Carla Del Ponte mittlerweile selbst nicht mehr so viel Vertrauen in die Arbeit ihrer Ermittler auf dem Balkan setzt. Inzwischen sind nicht einmal Helfer des Gerichtes mehr überzeugt von einem juristischen Erfolg Del Pontes. »Ich befürchte, dass diese Anklage unter streng juristischen Gesichtspunkten nicht ausreichen würde, ihn zu verurteilen«, meint gegenüber Jungle World eine Expertin, die wesentlich an der Aufarbeitung möglicher Massaker im Kosovo beteiligt war und namentlich nicht genannt werden möchte.

Weil Del Ponte es aber vorzieht, weniger durch kriminalistischen Spürsinn als durch bloße verfahrenstechnische Schikanen wie etwa die Isolation des Angeklagten von seinen Anwälten zu glänzen, denken die Anwälte des Tribunals inzwischen an eine Kehrtwendung in der Strategie: »Es spricht viel dafür, dass wir Slobodan Milosevic vorschlagen werden, doch offiziell Anwälte zu benennen und das Mandat zu seiner Verteidigung zu erteilen«, so Christopher Black.

Dann könnten Gespräche in der Zelle nicht mehr abgehört werden. Bisher hatte Milosevic derartiges abgelehnt, um den Eindruck zu vermeiden, er würde das Tribunal damit anerkennen. Doch das muss nicht sein. Die Anwälte könnten auch weiterhin Material über die wackelige rechtliche Grundlage der Existenz des Tribunals vorlegen und dies sicher professioneller machen als Slobodan Milosevic, dem der Vorsitzende Richter Richard May ohnehin regelmäßig nach wenigen Minuten das Wort entzieht.

Inzwischen kämpfen die Milosevic-Helfer auch an anderer Front gegen die Den Haager Institution. Christopher Black verschickt Briefe an Regierungen, in denen er sie ersucht, in den UN-Gremien das Budget für das Tribunal für das Jahr 2002 nicht mehr zu bewilligen. »Würde das gelingen, müssen die ohnehin den Laden zusperren«, so Black.

Zudem trägt auch der Konflikt um Ussama bin Laden einiges dazu bei, den Geldgebern in der Uno zu suggerieren, dass die Welt derzeit andere Probleme hat als die Arbeit eines fragwürdigen Gerichtes. Und wenn die Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte akzeptiert wird, würde ohnehin deutlich, dass die Rechtsprechung des Haager Tribunals keine Legitimität besitzt.

Carla Del Ponte wird sich also anstrengen müssen, um den Eindruck zu vermeiden, einen Prozess nur wegen fragwürdiger Verfahrenstricks gewonnen zu haben. Das würde auch jenen keinen guten Dienst erweisen, die unter Milosevic gelitten haben.

Die vollständige Dokumentation der Korrespondenz zwischen Christopher Black und dem Tribunal lesen Sie unter /www.geocities.com/storiestexte/Aktuelles.html.