Comeback von Leonard Cohen

Man will ihm verfallen

Leonard Cohen hat neun Jahre lang keine Platte gemacht. Er ist auch nicht wie Bob Dylan auf einer Never Ending Tour. Er verbrachte die letzten Jahre in einem südkalifornischen Zen-Kloster. Da erscheint es fast schon zwangsläufig, dass sein neues Album in den Feuilletons diese enorme Aufmerksamkeit bekommt. Alben von Bob Dylan, um noch mal den Vergleich zu bemühen, werden tendenziell nur noch hingenommen, weil man sich sowieso darauf geeinigt hat, dass seine ganze Vita ein Meisterwerk ist. Neue Songs dienen nur noch der Illustration dieser Annahme.

Wenn aber jemand so lange buchstäblich vom Erdboden verschluckt war wie Cohen, dann muss das Comeback umso sinnhafter ausfallen. Dementsprechend sehen dann auch die Interviews aus, in denen der 67jährige Cohen lakonisch-souverän auf die offensichtlich in kritikloser Anbetung erstarrten Journalisten reagiert.

Das neue Album heißt schlicht »Ten New Songs«. Das Cover ist ein Höhepunkt der Lieblosigkeit. Die Produktion? Plastikbeats, Synthieschwaden, vorhersehbare Arrangements, 08/15-Mastering. Billigsoul. Sollte man etwas Gutes sagen wollen, man könnte sich bisweilen an die Qualität eines Derrick-Soundtracks erinnert fühlen. Es sind noch nicht mal seine Songs. Produziert, arrangiert und eingespielt wurden sie von Sharon Robinson, seiner ehemaligen Background-Sängerin. Von Cohen stammen wahrscheinlich nur die Texte. Richtig müsste es heißen: Sharon Robinson feat. Leonard Cohen. Robinson singt sogar die Texte mit. Es kommt einem vor, als hätte Cohen nur die Overdubs gesungen und wäre am letzten Produktionstag aus seinem Kloster mal eben eingeflogen worden.

Trotzdem ist »Ten New Songs« eines Comeback-Albums würdig. Es ist halt nicht pathetisch-auftrumpfend, sondern eben lakonisch-souverän. Der Beweis, dass Songwritermusik nicht notwendig mit Akustikgitarrengeklampfe assoziiert werden muss. Die Musik gelangt dadurch ganz unvermittelt und überraschend zu Tiefe und Emotionalität, ohne dass man es mit anmaßendem Authentizitismus zu tun hätte. Das bassige Rumgeflüster Cohens, so anspruchslos wie diszipliniert, transzendiert jede Schalheit. Das klingt nach altem Mann - aber auch danach, dass jemand genau darum weiß.

Im Grunde genommen setzt Robinson Cohen perfekt in Szene. Seine Stimme hat etwas Ehrliches, Tröstendes, ist aber immer noch so aufgesetzt und billig, dass man diesem Crooning nicht verfällt. Und wie man ihm verfallen will! Cohen erzeugt Intimität und Distanz. Von Distanz ist in dieser Kritik schon genug geredet worden. Hier ist die Intimität: »Here is your card / And your cardboard and piss / And here is your love / For all of this. May everyone live / And may everyone die / Hello, my love / And my love, Goodbye.«

Leonard Cohen, Ten New Songs (Columbia/Sony)