Flüchtlingspolitik und Wahlkampf

Pazifische Lösung

Eine harte Linie gegen Flüchtlinge ist Konsens zwischen Regierung und Opposition im australischen Wahlkampf. Die Nachbarstaaten werden gedrängt, dieser Politik zu folgen.

Auch in Zukunft werde man Flüchtlingsschiffe auf dem Weg nach Australien nicht mit Gewalt stoppen, erklärte der indonesische Admiral Indroko Sastrowrijono am Dienstag vergangener Woche gegenüber der australischen Tageszeitung Sydney Morning Herald: »Wir werden sie nicht festnehmen, wir können sie nur bei der Erreichung ihres Ziels gewähren lassen, denn es ist ihr Recht, und wenn wir ihnen logistisch helfen können, werden wir dies tun.«

Der Admiral referierte damit nur Grundsätze des internationalen Seerechts. Doch Australiens Premierminister John Howard will davon nichts wissen: »Wir werden weiter versuchen, sie zu überzeugen, eine andere Haltung einzunehmen, und wenn wir die Wahlen gewinnen, erwarte ich sofortige Gespräche mit der Präsidentin von Indonesien.«

Mit einer harten Linie in der Flüchtlingspolitk möchte die amtierende Regierung für die Parlamentswahlen am 10. November Punkte sammeln. In den Umfragen führt der Konservative Howard vor der oppositionellen Labor-Partei, die sich ebenfalls mit Vorschlägen zur Abschottung gegen Flüchtlinge profilieren will. Vor dem Hintergrund des rassistisch geführten Wahlkampfes häufen sich die Flüchtlingsdramen vor der australischen Küste.

Da die australische Regierung alle legalen Einreisemöglichkeiten verhindert, müssen die Flüchtlinge immer größere Risiken eingehen. Am 19. Oktober ertranken 360 Menschen auf dem Weg nach Australien vor der indonesischen Küste. »Das Boot sank innerhalb von zehn Minuten«, berichtete Jean-Philippe Chauzy, der Sprecher der Internationalen Organisation für Migration (IOM), die im Auftrag des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR arbeitet. Nur 44 Flüchtlinge überlebten.

Kein Grund für Howard, seine Politik zu ändern. Andernfalls, so prophezeite er, wären »die Küsten dieser Nation voll von Booten Asylsuchender«. Auch Oppositionsführer Kim Beazley von der Labor-Partei versprach, »entschlossen den Menschenschmuggel nach Australien zu stoppen«. Beazley sagte gegenüber Radio 3AW in Melbourne: »Der einzige Weg, um diesen Menschenhandel zu stoppen, ist ein Abkommen mit Indonesien.«

Indonesien scheint jedoch kein Interesse daran zu haben, auf die australischen Forderungen einzugehen und Bootsflüchtlinge am Verlassen des Landes zu hindern. Nach dem Untergang des Fischerbootes berichteten australische Medien sogar, dass indonesische Polizisten den Menschenschmugglern geholfen hätten. Überlebende berichteten dem UNHCR, sie seien von indonesischen Sicherheitskräften mit gezogener Waffe auf das verrottete Schiff gezwungen worden.

Asylsuchende sind auch von Seiten der australischen Marine mit Gewalt konfrontiert. Seit Anfang September werden mutmaßliche Flüchtlingsschiffe auch in internationalen Gewässern gestoppt. So wurde Mitte vergangener Woche ein Schiff mit 31 Vietnamesen 150 Seemeilen vor der australischen Küste aufgebracht. Bereits Anfang Oktober war ein mit 220 Flüchtlingen besetztes Boot von dem australischen Kriegsschiff Adelaide gestellt worden. Als der Kutter trotz gegenteiliger Aufforderung seinen Kurs fortsetzte, feuerte das australische Kriegsschiff ihm vier Warnschüsse und einige Maschinengewehrsalven vor den Bug. Dass daraufhin Flüchtlinge mit ihren Kindern in Panik ins Wasser sprangen, wertete Außenminister Alexander Downer als besonders unmoralische Tat der Eltern. »Zivilisierte Menschen würden nicht mal im Traum daran denken, ihre eigenen Kinder so zu behandeln«, erklärte er gegenüber der Zeitung The Age. Premierminister Howard stellte fest, dass er »keine Menschen von diesem Schlag in Australien haben will«. Für Immigrationsminister Philip Ruddock sind solche Flüchtlinge schlicht »verachtenswert und ekelhaft«.

Bereits seit Jahren werden illegalisierte Flüchtlinge in »obligatorische Haft« genommen und in Internierungslagern von der Öffentlichkeit abgeschottet (Jungle World, 29/01). Nun versucht die australische Regierung, mit der vollen Unterstützung der Labor-Opposition, die Flüchtlinge im Ausland zu entsorgen. Howard hat hierfür den Plan »Pazifische Lösung« konzipiert, der die Aufnahme von Flüchtlingen in pazifischen Kleinstaaten und Inseln wie Papua-Neuguinea, Nauru, Kiribati oder Fiji vorsieht. Der Plan stößt inzwischen auf größeren Widerspruch bei den lokalen Regierungen.

Nach Angaben des Sydney Morning Herald kostet der Aufbau von Internierungslagern im Ausland die Regierung über 103 Millionen Dollar, etwa 58 Millionen Euro. Howard legitimiert die Ausgaben mit dem Hinweis, dass »wir alles tun werden, um die Integrität unserer Grenzen zu verteidigen«, um potenziellen Flüchtlingen zu zeigen, dass Australien keine »günstige Gelegenheit« biete.

Seit den Terroranschlägen vom 11. September gelten die Flüchtlinge, die überwiegend aus dem Nahen und Mittleren Osten kommen, zudem als Sicherheitsrisiko. Australien, das sich mit Spezialeinheiten und Schiffen am Krieg gegen Afghanistan beteiligt, will keine zusätzlichen Flüchtlinge aus der Region aufnehmen. Schließlich, so die australische Wochenzeitung Green Left Weekly, sind sich Regierung und Opposition darin einig, »dass die Grenzen noch weiter verstärkt werden müssen gegen die illegalen Immigranten aus Afghanistan, da sie potenzielle Terroristen sein könnten«. Eine Politik, die auch im Inland Konsequenzen habe: »Rassistische Angriffe gegen muslimische Frauen, Moscheen und arabisch aussehende Männer häufen sich in letzter Zeit.«

Bei ihrer Asylpolitik kann sich die Regierung jedoch des Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein. So unterstützen nach Umfrageergebnissen des Sydney Morning Herald 73 Prozent der Australier die Rückführung von Flüchtlingsschiffen durch die Marine, noch mehr lehnen eine weitere Aufnahme von Bootsflüchtlingen ab. Nur kleine Parteien wie die australischen Grünen und die Socialist Alliance fordern deren Aufnahme und die Abschaffung der »obligatorischen Haft«. Die rechtsextreme Partei One Nation, die bei den letzten Wahlen rund acht Prozent der Stimmen bekam, ist inzwischen ihrer Themen beraubt worden. Der Rechtsruck der großen Parteien Australiens ließ One Nation in den Umfragewerten auf unter drei Prozent sinken.