Klimakonferenz und Emissionshandel

Kaufrausch der Lüfte

Klimakonferenzen sei Dank: Luft wird schon bald vermarktet werden. Noch aber weiß niemand, wem sie wirklich gehört oder welchen Wert sie haben soll.

Klimakonferenzen orientieren sich am so genannten Zeitgeist. Neue, globale Märkte schaffen, heißt die Devise. Eine kapitalistische Faustregel, die auch im internationalen Klimaschutz gilt. »Der Emissionshandel stellt eine wichtige Neuerung in der Umweltpolitik in Europa dar«, kündigte die EU-Kommissarin für Umwelt, Margot Wallström, im Vorfeld der neuesten Ausgabe der Klimaverhandlungen an. Zur 7. Weltklimakonferenz trafen sich während der vergangenen zwei Wochen VertreterInnen aus 180 Ländern in Marrakesch. Bereits im Juli dieses Jahres hatte man sich in Bonn auf die Basics einer Klimakonvention geeinigt, nun mussten die Bonner Beschlüsse in einen Vertragstext gegossen werden.

Damit wird auch der Startschuss gegeben für den von einigen Akteuren sehnlichst erwarteten Emissionsmarkt, auch New Carbon Market genannt. Wer sein persönliches Kyoto-Ziel nicht erreichen kann, darf sich auf dem Weltmarkt durch Emissionslizenzen freikaufen oder ausgleichende Klimaschutzmaßnahmen im Süden finanzieren.

Es sind die Diskussionen um die Spielregeln dieses Marktes, die heute Klimakonferenzen beherrschen. Das Kyoto-Protokoll wird zum KTO, zur Kyoto Trade Organization, unken Klimaschutz-NGOs. Doch solch kritische Stimmen sind auch aus dem Lager der nichtstaatlichen Organisationen nur noch selten zu hören. Auch sie haben sich dem Trend angepasst und verkaufen aus strategischen Gründen meist die größten Klimapleiten als Erfolg. Als Durchbruch wurde in Marrakesch etwa die unerwartete Einigung über ein Kontrollsystem gewertet: Staaten, die sich nicht an den Klimavertrag halten, müssen mit Sanktionen rechnen. Dazu gehört unter anderem der Ausschluss vom internationalen Emissionshandel.

Eine Maßnahme, die in der Tat eine ernste Bedrohung für die Industrienationen darstellt. Denn beim Handel mit der heißen Luft will nicht nur die EU ganz vorne mit dabei sein. Der Umsatz in diesem neuen Wirtschaftszweig wird weltweit auf mehrere Billionen US-Dollar geschätzt. »Niemand weiß bisher, wie die Waren auf dem neuen Markt bewertet werden sollen oder wem sie gehören«, schreibt die NGO Aseed in ihrem Papier »Democracy or Carbocracy?«. In der Tat muss für den Emissionshandel der Klimaschutz neu definiert werden. Wissenschaftliche Erkenntnisse spielen bei den waghalsigen Berechnungen kaum eine Rolle. Die Frage etwa, ob Kohlendioxid, das aus japanischen Industrieschloten in die Atmosphäre dampft, grundsätzlich gegen CO2-absorbierende Bäume in Uganda aufgerechnet werden kann, ist längst nicht beantwortet.

Unbeachtet bleiben auch andere Eckdaten in der Geschichte des Weltklimas: Obwohl der Norden gegenüber Ländern des Südens in den letzten anderthalb Jahrhunderten eine große Emissionsschuld akkumuliert hat, wird so getan, als seien alle Nationen der Erde bei Punkt Null gestartet.

Als Grundsatz für den neuen Handel mit der heißen Luft dient nicht etwa die Faustregel: Wer von Haus aus wenig Treibhausgase in die Luft jagt, darf im Ausgleich dafür entsprechend viele Lizenzen auf dem New Carbon Market verhökern. Die »Luftrechte« einer Nation werden vielmehr auf der Grundlage seiner im Klimavertrag vereinbarten Ziele berechnet. Entscheidend für das Kyoto-Kalkül sind die Emissionsdaten im Jahr 1990. Wenn beispielsweise Deutschland oder Großbritannien es wie erwartet schaffen, über ihr gestecktes Reduktionsziel hinauszuschießen, können sie Emissionslizenzen an Länder wie Japan verkaufen, die ihr Ziel nicht erreichen. Südländer bekommen jedoch keineswegs dieselben Lizenzrechte, die ihnen wegen ihres weitaus niedrigeren Pro-Kopf-Ausstoßes eigentlich zustehen würden.

»Nicht nur, dass die Privatisierung der Atmosphäre und der Handel mit Emissionen nichts mit den Problemen des Klimawandels zu tun haben«, schreibt die Umweltorganisation Aseed. »Sie werden die strukturellen ökonomischen Unterschiede zwischen Nord und Süd vergrößern.« Dank des Kyoto-Protokolls ist es den Industrienationen ebenfalls möglich, ausgleichende Maßnahmen in fernen Ländern zu finanzieren statt Klimaschutz zu Hause zu betreiben. Auch Baumplantagen in Entwicklungsländern gehören zu diesen Clean Development Mechanisms.

Obwohl der offizielle Startschuss für den Emissionshandel noch nicht gegeben wurde, laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. »Große Firmen kaufen sich Verschmutzungsrechte von Ländern, die saubere Energiequellen installieren«, beschreibt ein Sprecher der Weltbank die Entwicklung. 70 Firmen, darunter der Ölmulti BP, der japanische Automobilkonzern Mitsubishi oder das deutsche Energieunternehmen RWE haben sich einem Projekt angeschlossen, in dem Clean Development Mechanisms getestet werden sollen. Die Firmen investieren in erneuerbare Energie in Südländern und bekommen dafür Kohlendioxidkredite.

»Wir schaffen eine neue Ware, die nun auf den Markt kann«, sagte Ken Newcombe, Weltbank-Manager für den Prototype Carbon Fund (PCF) auf einer Pressekonferenz am Rande der Klimaverhandlungen in Marrakesch. Newcombe stellte den ersten Jahresbericht des Testprojekts vor und gab Beispiele dafür, wo die vorgesehenen 135 Millionen US-Dollar investiert werden könnten: Für die nächsten 15 bis 20 Jahre sei etwa geplant, 3,9 Millionen Dollar in kleinere Wasserkraft-Projekte in Uganda zu stecken. Auf gerade einmal drei Dollar schätzte der Weltbank-Experte den Preis einer Tonne CO2. »Das ist nur ein Bruchteil dessen, was Politiker für die billigsten Maßnahmen zur Emissionsminderung im Westen berechnet haben«, freut sich Newcombe, der den Firmen rät, möglichst bald in den Emissionshandel zu investieren.

Die Schätzungen der EU-Kommission lagen bei »weniger als« 20 Euro pro Tonne. Doch dass der Marktpreis deutlich niedriger werden könnte, hatte auch die EU-Kommissarin bereits für den internen EU-Markt angedeutet. Margot Wallström: »Der Emissionshandel wird sicherstellen, dass die Emissionsreduktionen dort erfolgen, wo dies am billigsten ist.« Testweise soll der Emissionshandel in der EU im Jahr 2005 beginnen, so die Kommission in einer Mitteilung Ende Oktober.