Reality-Soap »Versuchung im Paradies«

Tomaten unter Palmen

Treulos soll es in der Reality-Soap »Versuchung im Paradies« zugehen. Weil die Kandidaten nicht so recht wollen, hilft die Regie nach.

Die Frau mit den langen blonden Haaren ist den Tränen nah. »Das hab ich von Deniz nicht erwartet«, ruft Melanie verzweifelt in die Kamera, bevor sie sich umdreht und wegstapft. Blöderweise befindet sich Melanies Freund Deniz an einem Ort, der für Menschen, die ihren Partnern keine Sorgen bereiten wollen, absolut ungeeignet ist. Deniz und Melanie sind eins von vier Pärchen, die sich auf der Inselkette Roatan vor Honduras für die neue RTL-Doku-Soap »Versuchung im Paradies« unter härtesten Bedingungen einem Treuetest unterziehen.

Dazu wurden die testwilligen Paare mit 13 weiblichen und 13 männlichen zum Äußersten entschlossenen Singles konfrontiert. Nachdem sich alle kennen gelernt hatten, wurden die Paare auseinander gerissen und werden seitdem an unterschiedlichen Plätzen auf der Insel mit der Single-Gruppe des anderen Geschlechts gehalten.

Dass sich die Macher der Serie damit begnügen würden, einfach nur das Leben der Helden auf den vorschriftsmäßig mit Waranen, Swimmingpools, Bars und exotischen Pflanzen ausgerüsteten Inseln abzufilmen, dürfte keiner der Teilnehmer ernsthaft angenommen haben. Und so wird bei der Versuchung auch kräftig nachgeholfen. Pausenlos werden Romantikdates arrangiert, bei dem sich die Singles hingebungsvoll um ihre potenziellen Opfer kümmern müssen. Um im jeweils anderen Lager Eifersucht aufkommen zu lassen, werden den Partnern anschließend 30sekündige Clips zugespielt, die die Freundin oder den Freund in den verfänglichsten Situationen zeigen. Eine während eines langen Tages vertrauensvoll auf einer Schulter gelandete Hand oder eine kokette Bemerkung erhalten dadurch ein ungeahntes Gewicht.

Wer mit dem festen Glauben an die Treue des Partners angereist war, erhält spätestens bei solchen Bildern einen ersten Dämpfer - und ist daraufhin, so das RTL-Kalkül, vielleicht auch eher bereit, es dem anderen mal richtig zu zeigen. Zumal Moderator Oliver Geißen geschickt Misstrauen säht: Als Kandidat Volker etwa vertrauensseelig erklärte, er wolle gar nicht kontrollieren, was seine Freundin Jana so den Tag über gemacht habe, wurde ihm in bedeutungsschwangerem Tonfall mitgeteilt: »Es wird dich aber interessieren!« Was macht man in so einer Situation? War da vielleicht etwas? Will der gute Kumpel Oli einen etwa warnen? Wird man es ewig bereuen, nicht doch hingeschaut zu haben? Volker gab jedenfalls nach und sah Jana eine halbe Minute lang mit einem anderen Mann flirten. Dass sie 23 Stunden, 59 Minuten und 30 Sekunden lang an diesem Tag nicht neckisch herumgespielt hatte, sah er natürlich nicht. Wäre ja auch schlecht für die Quote von »Versuchung im Paradies« gewesen.

Als »Temptation Island« war das Format im letzten Jahr zuerst in den USA gestartet. Mit Einschaltquoten, die für den Sender Fox zu diesem Zeitpunkt noch ungewöhnlich hoch waren - immerhin ereignete sich während der ersten Staffel sogar ein handfester Skandal. Ein Pärchen wurde aufgefordert, die Insel zu verlassen, mit der Begründung, dass Taheed Watson und Ytossie Patterson bei den Vorgesprächen verschwiegen hätten, dass sie ein gemeinsames Kind haben. Die beiden, ausgebildete Schauspieler, verklagten anschließend die Produktionsfirma Rocket Science Laboratories, weil die sie angeblich dazu verpflichtet hatte, vor laufenden Kameras nicht von dem Kind zu reden. Nach dem Rauswurf seien sie als Betrüger dargestellt worden, mit dem Erfolg, dass sie kaum noch Rollenangebote erhielten.

17,3 Millionen US-Amerikaner wollten damals das Finale des »libidogefüllten Reality-Hits« (Reuters) sehen, wobei schnell klar war, dass keines der Paare sich trennen würde. Einige hätten einander zwar hinterher angeschrieen, berichtet die Washington Post, aber im Großen und Ganzen sei der Treuetest »trotz vieler Flirts, einiger Küsse und intimer Berührungen« für die Beteiligten folgenlos gewesen. Das beruhigte die Fans, die anscheinend allesamt willens waren, an strapazierfähige Beziehungen zu glauben: Auf den Fanpages der Serie wird bis heute über jede Sichtung der »Temptation Island«-Paare genauso detailliert und begeistert berichtet wie anderswo über Elvis-Sightings.

In der deutschen Version ist es die IT-Spezialistin Anja, die als Erste die Situation blickt. Die nächsten Dates müssten taktisch gewählt werden, denn es sei ja nicht so ganz klar, welche Ausschnitte daraus den jeweiligen Partnern gezeigt würden. Melanie dürfe daher z.B. auf keinen Fall Markus zu ihrem Wunschpartner machen, denn falls ihrem Freund ein etwas verfänglicher Zusammenschnitt des ersten Treffens gezeigt worden wäre, würde der sich beim Anschauen der Wunsch-Date-Szenen ganz sicher so seine Gedanken machen. Und überhaupt, für die Möchtegern-Gigolos sei es ganz wichtig, eine der Kandidatinnen für sich zu erobern, denn »das erhöht ihr Renommee.«

So viel Logik überzeugte die Frauen, die Single-Männer dagegen waren sauer, solidarisierten sich mit Markus und erklärten Anja wahlweise zur »Supermutti« oder zur »Zicke« und sagen über sie z.B.: »Ich finde nicht, dass sie besonders sinnige Sachen von sich gibt.«

Wirklich sinnig waren die Anbaggerungsversuche der Singlemänner allerdings auch nicht. Thorsten, der auf Inga steht, und Markus, der Melanie mag, legten Blüten in Herzform auf dem Doppelbett der beiden Frauen aus, vergaßen aber, Absender und Empfängerin anzugeben. Der gewünschte Erfolg blieb deshalb aus. »Das waren bestimmt die Putzfrauen«, glaubten die beschenkten Frauen. Nur Mitbewohnerin Jana war da skeptisch und stellte fest: »Das ist eine supergoldige Idee, denn Frauen und Blumen - das ist eins!« Damit war das Thema erledigt, sehr zum Ärger der Typen.

Zwischen Treueprobandin Melanie und Singlemann Markus kam es derweil zum Showdown: »Ich bin hier nicht irgendein Objekt, das man knuddeln und knutschen kann«, erklärte Melanie das Spielchen für beendet und verschenkte damit die Chance, sich bei ihrem Freund Deniz mit entsprechendem Bildmaterial zu revanchieren.

Thorsten glaubte, sich weiter Hoffnungen auf Inga machen zu können, und erklärte zuversichtlich: »Ich denke, dass sie genauso fühlt, das hat sie mir gezeigt, denke ich.« Denkt Inga jedoch nicht: »Ich hab ihm dreimal gesagt, lass mich in Ruhe, sonst setz ich mich weg«, beharrte sie. »Wenn Thorsten mich mag, tut mir das leid.«

Dann brach der nächste Tag an, nun gab es das Gruppendating. Die drei Mitspieler suchten für den jeweils vierten Kandidaten drei Personen aus, unter denen der dann seinen Partner für den Tag auswählte. Penibel achtete man in beiden Lagern darauf, den anderen nicht in verfängliche Situationen zu bringen. Das scheint jedoch nicht unbedingt geklappt zu haben: Ausgerechnet der beziehungsgefestigte Volker war im 30-Sekunden-Clip mit Dingen beschäftigt, die ihn nach Ansicht von Freundin Jana absolut gar nichts angehen.

Die blonde Frau mit Kurzhaarschnitt war nicht den Tränen nahe. Sie weinte. Und fragt völlig aufgelöst in die Kamera: »Der hat sich doch nicht etwa verknallt, oder?«