Novelle des italienischen Arbeiterstatuts

Gespräche mit Tauben

Gäbe das Parlament dem Drängen der Regierung wirklich nach, dann wäre das Kernstück des italienischen Arbeiterstatuts bald Makulatur. Das Kabinett von Silvio Berlusconi will die 1970 verabschiedete Regelung zugunsten der Unternehmer ändern. Bislang war in Artikel 18 des Statuts die Wiedereinstellungspflicht für gekündigte Lohnabhängige rechtlich verankert. Unternehmen mit mehr als 15 Beschäftigten sind demnach dazu verpflichtet, Gekündigte wieder einzustellen, sobald ein Gericht den Kündigungsgrund als »nicht gerechtfertigt« ansieht.

Diesen Passus will Arbeitsminister Roberto Maroni bei der Reform des Artikels streichen. Stattdessen sollen Arbeiter künftig lediglich eine Abfindung erhalten. Zwar soll die Aufweichung des Status erst einmal auf vier Jahre beschränkt bleiben und nur bestimmte Kategorien von Arbeitern, etwa neu eingestellte, betreffen.

Doch die drei großen Gewerkschaftsdachverbände CGIL, CISL und UIL brachen ihre Verhandlungen über die Renten- und Arbeitsmarktpolitik mit der Regierung nach dem Bekanntwerden der Pläne ab. Für diese Woche riefen sie zum Generalstreik auf, der allerdings auf zwei Stunden befristet bleiben soll. Sergio Cofferati von der CGIL begründete den Streik unter anderem mit der Absicht der Regierung, im nächsten Jahr die Gehälter im Staatsdienst einzufrieren. Ein weiterer Termin steht deshalb bereits fest: Am 14. Dezember soll, dann jedoch acht Stunden lang, im öffentlichen Dienst gestreikt werden.

Minister Maroni hatte unlängst ein Weißbuch vorgelegt, in dem die neue Linie in der Sozialpolitik skizziert wird. Demnach soll die partnerschaftliche Regelung sozialer Konflikte durch einen so genannten »sozialen Dialog« ersetzt werden. Das hieße, dass künftig über die Rentenpolitik oder die Flexibilisierung des Arbeitsmarkts nicht mehr zwischen Regierung, Gewerkschaften und dem Unternehmerverband verhandelt würde. Stattdessen könnte sich die Exekutive darauf beschränken, die von den Interessengruppen vorgebrachten Einwände anzuhören, um dann im Namen des vermeintlichen Gemeinwohls selbstherrlich zu entscheiden.

In Maronis Libro Bianco sind aber auch die normativen Hindernisse aufgeführt, die einer Neuregelung der Arbeitsverhältnisse in Italien im Weg stehen und eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit verhindern. »Jobs on call« oder projektbezogene, individuell modifizierte Arbeitsverträge brauche das Land nicht, heißt es da, ebenso wenig wie eine regionale Diversifizierung der Lohnstruktur oder die Abschaffung des kollektiven Branchen- oder Flächentarifvertrags. Denn dieser soll ohnehin durch Einzelabschlüsse in den jeweiligen Betrieben ersetzt werden. All diese Vorschläge, darunter auch finanzpolitische Anreize zur Erhöhung des Rentenalters und zur Förderung privater Rentenfonds, sind aber nicht nur Stoff für weitere Regierungsdekrete, sondern sie waren bereits Gegenstand von Verhandlungen zwischen der Regierung und den drei großen Gewerkschaften.

Diese hatten sich in der Vergangenheit immer wieder kooperativ gezeigt, ganz im Sinne eines nationalen Sozialpaktes. Dass sie ausgerechnet jetzt bei der Neuregelung des Arbeiterstatuts nicht mehr mitspielen, wollen einige, wie die Fiat-Eminenz Gianni Agnelli, gar nicht recht verstehen. Für ihn ist die Frage des Kündigungsschutzes nachrangig und die ganze Aufregung nicht wert. So geht es aber auch vielen Arbeitern in den Betrieben, denen unverständlich bleibt, warum das gewerkschaftliche Augenmerk nun ausgerechnet auf den Artikel 18 gerichtet wird. Was sie sich wünschen, ist eine Ausweitung des Konflikts auf alle Bereiche, in denen Deregulierungsmaßnahmen bevorstehen oder bereits durchgeführt wurden.