Internationale Truppen in Afghanistan

Krieg um Opium

Oberst Richard Barrons, der britische Stabschef der International Security Assistance Force (Isaf), hatte einige Mühe, die Widersprüche zwischen dem Abkommen von Bonn über die neue Verteilung der Macht in Afghanistan und den Realitäten in Kabul zu erklären: »Es gibt offenkundige sprachliche Unterschiede, einige sehr bedeutende kulturelle Unterschiede.«

Dass Burhanuddin Rabbani, der ehemalige Präsident und Warlord der Nordallianz, sich weigerte, den Präsidentenpalast für Hamid Karzai, den Premierminister der Interimsregierung zu räumen, war noch ein symbolischer Akt. Doch Rabbani setzte auch kurz vor der Machtübernahme der Interimsregierung am 22. Dezember noch eine Reihe seiner Gefolgsleute in wichtige Posten ein. Und entgegen den Bestimmungen des Bonner Abkommens haben sich seine Soldaten nicht aus Kabul zurückgezogen.

Eine Sprache, die trotz aller kulturellen Unterschiede eigentlich kaum missverstanden werden kann. Ebenso unmissverständlich forderte der neue Verteidigungsminister Mohammed Fahim ein Ende des US-Bombardements, da die geringe Zahl verbliebener al-Qaida-Mitglieder eine Fortsetzung der Angriffe nicht mehr rechtfertige. Wie die meisten Warlords meint Fahim, die USA hätten ihre Schuldigkeit getan und könnten nun gehen. Er gehört zu den Ministern, die sich der Stationierung internationaler Truppen widersetzt hatten, während die Anhänger des Ex-Königs Zahir Schah um Karzai ohne diese Soldaten in Kabul um ihr Leben hätten fürchten müssen.

Erst nach mehrwöchigen Verhandlungen wurde der Vertrag über die Isaf-Truppenstationierung am Freitag unterschrieben. 4 500 Soldaten sollen nun für Sicherheit in Kabul sorgen. Was im Rest des Landes geschieht, bleibt unklar. Das Bonner Abkommen bestimmt, dass internationale Truppen auch in anderen Landesteilen stationiert werden können, »wenn dies angemessen ist«, eine Formulierung, die für kulturell differierende Interpretationen weiten Raum lässt. Für eine Kontrolle des gesamten Landes ist die vereinbarte Truppenstärke viel zu gering.

In Bonn ist es gelungen, eine Vielzahl von Fraktionen formal in eine Regierung einzubinden. Von der effektiven Etablierung einer Zentralgewalt aber ist Afghanistan noch weit entfernt. Die Warlordisierung, der Zerfall eines Staates in Territorien, die von Militärkapitalisten kontrolliert werden, ist nur schwer wieder rückgängig zu machen. Ihre Grundlage ist die ökonomische Marginalisierung von Staaten, die dem Weltmarkt wenig zu bieten haben.

Wo Entwicklungsperspektiven fehlen, kommt es bei Konflikten schnell zur Etablierung eines Herrschaftssystems, das auf der direkten, gewaltsamen Aneignung des gesellschaftlichen Mehrprodukts und der Etablierung einer illegalen Ökonomie basiert. Im Falle Afghanistans geht es dabei vor allem um die Kontrolle über den Opiumanbau und -handel.

Derzeit streben die Warlords nach Posten in der Interimsregierung, weil sie sich davon bevorzugten Zugang zu westlichen Hilfsgeldern erwarten. Doch nach allen Erfahrungen wird der Geldsegen weit hinter den Versprechen zurückbleiben. Und dass der Standort Afghanistan Investitionen anziehen wird, erwarten nicht einmal die hoffnungsfrohesten Optimisten.

Die Rückkehr zur Opiumwirtschaft ist damit kaum zu vermeiden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann zu weiteren Konkurrenzkämpfen kommt, ist groß, da Warlords wie alle Kapitalisten nach einer Ausdehnung ihrer Geschäfte streben.