Immer mehr Länder legalisieren die Euthanasie

Tod in Europa

Auch im Jahr 2002 dürfen Zwölfjährige in den Niederlanden »Mision Impossible 2« nicht einmal in Begleitung ihrer Eltern im Kino ansehen. Immerhin ist es ihnen jetzt aber erlaubt, sich nach Absprache mit ihren Erziehungsberechtigten von ihrem Hausarzt ins Jenseits befördern zu lassen. Selbstverständlich dürfen auch Erwachsene ihr Leben künftig so beenden lassen, wie es in weiten Teilen Westeuropas für würdig gehalten wird: mit einer Spritze, verabreicht vom Arzt des Vertrauens.

Auch in Belgien ist die Tötung auf Verlangen im Kommen. Dort muss ein entsprechendes Gesetz nur noch die zweite Kammer passieren und vom Staatsoberhaupt abgesegnet werden. Sowohl in Belgien als auch in den Niederlanden werden nicht nur verzweifelte, schwer kranke Menschen auf ihr Verlangen getötet, sondern auch schwer kranke Menschen, die danach nicht verlangen, denen man aber, weil sie bewusstlos oder sonst nicht entscheidungsfähig sind, diese Wohltat nicht versagen will.

Da wirkt die Empörung über zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in Frankreich, dem Court de Cassation, schon fast antiquiert. Die französischen Richter beschlossen, dass ein Junge, der mit einem Down-Syndrom zur Welt gekommen ist, und ein Jugendlicher, der schwere geistige Schäden infolge einer Rötelerkrankung seiner Mutter erlitten hat, Schadenersatzansprüche an die Ärzte geltend machen können, die ihre Geburt nicht verhindert haben. Denn, so die Richter selbstsicher, es sei doch wohl besser, nicht geboren zu werden, als mit diesen Behinderungen leben zu müssen.

Die Konsequenz dieser Entscheidungen ist klar. Behinderte werden künftig in ihrem eigenen Interesse verhindert werden müssen. Man fragt sich nur: Was tun mit ihnen, wenn sie doch geboren wurden? Wäre dann nicht auch die Beendigung ihres Lebens besser als dessen Fortsetzung?

In Frankreich ist die Tötung auf Verlangen nicht legal. Aber hier ist ein Mann Gesundheitsminister, der am Ende des vergangenen Jahres erklärte, auch er habe als Arzt Menschen mit hohen Dosen Morphium getötet. Dass Bernard Kouchner gleichzeitig ein Gründungsmitglied der »Ärzte ohne Grenzen« ist, gibt dem Namen dieser Menschenrechtsorganisation, die sich über das Verhalten ihres prominenten Mitglieds nicht entrüstet zeigte, einen neuen, tristen Nebensinn.

Ausgerechnet im Musterland der Bioethik, in Großbritannien, beharren die Lord-Richter in Sachen Tötung auf Verlangen auf einem restriktiven Kurs. Sie untersagten dem Ehemann von Dianne Pretty, die an einer schweren fortschreitenden Behinderung leidet, dass er ihr hilft, den Tod herbeizuführen. Allerdings haben dieselben Richter sieben Jahre zuvor den Ärzten von Tony Bland erlaubt, die Ernährung via Sonde einzustellen, weil sie der Auffassung waren, dass für den schwer hirngeschädigten jungen Mann der Tod besser sei als das Weiterleben. Pretty will nun vor den Europäischen Gerichtshof ziehen und dagegen klagen, dass ihr grundlegende Menschenrechte vorenthalten werden, wenn ihr nicht erlaubt wird, den eigenen Tod herbeizuführen.

Auch in Deutschland will man sich dem Trend, das Leben zur Verfügungsmasse zu machen, nicht grundsätzlich verschließen. Der BGH verwehrte kurz vor Jahresende den Eltern eines Kindes, das mit Behinderungen geboren wurde, einen Schadenersatzanspruch an den behandelnden Arzt, der die Geburt nicht verhindert hatte - aber nur, weil das Kind einen nicht behinderten Zwilling hat, der bei einem Schwangerschaftsabbruch wahrscheinlich ebenfalls abgetrieben worden wäre. Das Leben eines nicht behinderten Kindes zu verhindern, damit ein Kind mit Behinderungen nicht geboren wird, ist nämlich nur in extremen Ausnahmefällen zulässig.