Silvio Berlusconi ist nun auch Außenminister

Außen ist innen, das Kabinett bin ich

Silvio Berlusconi hat nach dem Abgang des parteilosen Renato Ruggiero auch das Amt des italienischen Außenministers übernommen.

Arbeit zieht Arbeit nach sich. Niemand scheint derzeit geeignet, dieses Motto besser zu illustrieren, als der angebliche Selfmademan Silvio Berlusconi. Nachdem dieser, so lautet die Mär, im Verlauf seines unaufhaltsamen Aufstiegs zum Ministerpräsidenten und italienischen Napoleonverschnitt bereits alle erdenklichen Jobs gemacht hatte - Musiker, Kabarettist, Komiker, Unternehmer, Ruheständler, Familienvater -, übernahm er letzte Woche im Alleingang gleich noch das Außenministerium.

Er sei, meinte er selbstbewusst, der rechte Mann am rechten Platz, denn in der Farnesina, dem Sitz des Außenministeriums in Rom, soll von nun an ein frischer Wind wehen. So sollen die Botschafter Italiens künftig darauf achten, die einheimischen Unternehmen und die Landesprodukte im Ausland besser darzustellen. Seinen neuen Job als oberster Dienstherr beamteter Handelsvertreter will Berlusconi allerdings, ganz im Sinne der von seinem Arbeits- und Sozialminister Roberto Maroni favorisierten befristeten Beschäftigungsverhältnisse, nur vorübergehend ausüben.

Sein Vorgänger, der parteilose Renato Ruggiero, war gerade mal sieben Monate im Amt. Er war das Aushängeschild eines angeblich europafreundlichen Italien. Der ehemalige Präsident der Welthandelsorganisation musste damals vom Fiat-Boss Gianni Agnelli und dem befreundeten ehemaligen US-Außenminister Henry Kissinger in diese Rolle gedrängt werden. Während seiner kurzen Amtszeit musste Ruggiero nicht nur brüske Äußerungen seines Präsidenten auf dem internationalen Parkett diplomatisch abschwächen, sondern war auch zahlreichen Angriffen aus der Ministerriege der rechten Regierungskoalition ausgesetzt.

Nicht nur, dass der Vorsitzende der Lega Nord, Umberto Bossi, die Europäische Union gerne als neue Sowjetunion bezeichnet. Tatsächlich glauben die meisten Parlamentarier der Koalitionsparteien, dass das Projekt der europäischen Einigung einem Drehbuch folgt, das vom sozialliberalen Feind zu Zeiten der damals in Europa vorherrschenden Mitte-Links-Regierungen geschrieben wurde. Der Anteil Margaret Thatchers und Helmut Kohls am Zustandekommen des Einigungsvertrags von Maastricht und der Währungsunion ist diesen Kreisen offenbar entfallen.

Dass die Verwerfungen, die mit der europäischen Vereinheitlichung einhergehen, immer stärker nach den Maßstäben des nationalen Wettbewerbsstaates beurteilt werden, ist allerdings keine italienische Besonderheit. Auch aus Paris und Berlin sind wieder nationale Töne zu hören.

Italien unterscheidet sich jedoch zumindest in einem Punkt. Berlusconi fungiert als unangefochtener Vorsitzender einer virtuellen Partei, der Forza Italia, die sich auf ein heterogenes Zweckbündnis von Zentralisten (Alleanza Nazionale) und Regionalisten (Lega Nord) stützt. Und er beansprucht dabei eine von der Verfassung gar nicht vorgesehene politische Richtlinienkompetenz als Regierungschef.

Die Übernahme der Regierungsgeschäfte durch die Rechte erfolgte bekanntlich zu einem für den Mailänder Unternehmer prekären Zeitpunkt. Immerhin galt es, drohende Verurteilungen wegen mafiotischer Verbindungen, Geldwäsche und Schmiergeldzahlungen in einer sich für ihn strategisch günstigen Position, eben in der des Ministerpräsidenten, abzuwenden.

Diese einmalige Verknüpfung von privaten und unternehmerischen Interessen, die sich womöglich in den durch den europäischen Einigungsprozess erforderlichen zwischenstaatlichen Verhandlungen hemmend auswirken könnte, ließ damals die Alarmglocken bei allen wirtschaftsliberalen und konservativen Wahlbeobachtern in Europa schrillen. Immerhin war, neben der Einführung des Euro, im Einigungsfahrplan der Entwurf einer europäischen Verfassung und die Ost-Erweiterung der EU vorgesehen. Ereignisse wie die Kontroversen mit der italienischen Regierung um die Ausgestaltung eines europäischen Haftbefehls oder die Komödie um die Einrichtung einer europäischen Lebensmittelbehörde, die Berlusconi lieber in Parma als in Helsinki sehen wollte, bestätigten solche Befürchtungen.

Für weitere Irritationen in Europa sorgte der italienische Ministerpräsident mit seinem ungewohnt eindeutigen Bekenntnis zum transatlantischen Bündnis mit den USA. Nicht erst seit dem 11. September scheint das italienische Kabinett im Bemühen um eine bevorzugte Allianz mit den Vereinigten Staaten weiter als seine Vorgänger oder irgendeine andere europäische Regierung zu gehen. Es geht nicht nur um die Absage der italienischen Regierung, sich an der Produktion des europäischen Airbus zu beteiligen. Demnächst wird das Kabinett voraussichtlich einer Beteiligung am Projekt Joint Strike Fighter zustimmen. Der neue US-Militärjet soll unter der Führung von Lockheed Martin gebaut werden.

Als Renato Ruggiero im Corriere della Sera Anfang Januar über die Euroskeptiker unter seinen Kollegen klagte, meinte er, neben den üblichen Verdächtigen, den Wirtschaftsminister Giulio Tremonti und den Schmähredner Umberto Bossi, insbesondere auch den Verteidigungsminister Antonio Martino. Ruggiero nahm daraufhin, mehr oder weniger freiwillig, seinen Hut.

Nun führt Berlusconi im Außenministerium die Geschäfte, der von sich selbst behauptet, wirklich etwas davon zu verstehen. Zwar hat nach Ruggieros Rücktritt auch der Faschist Gianfranco Fini vom Präsidenten von Latium, Francesco Storace, seine Kandidatur anmelden lassen, doch Berlusconi, der seinen Stellvertreter zwar durchaus »ministrabel« findet, lässt ihn vorerst noch warten.

Die Meldung Finis war wohl eher ein Testballon, um zu erfahren, wie sehr die Maskierung des Faschisten als demokratischer Staatsmann mittlerweile international akzeptiert wird. Offenbar gab es bislang wenig offizielle Einwände, nicht einmal in Israel. Vielleicht wollte aber der »soziale Flügel« der Faschisten auch nur die Gelegenheit benutzen, durch die Abschiebung Finis auf den Ministerposten die Kontrolle über die Partei wiederzuerlangen.

Eine weitere Groteske lieferte die parlamentarische Opposition. Sie verpasste bisher jede nur denkbare Gelegenheit, die vielfältigen Artikulationen sozialen Unbehagens und Protests gegen die Maßnahmen der Regierung Berlusconi auf den Straßen Italiens zu unterstützen. Dafür nahm sie ausgerechnet die Entlassung Ruggieros zum Anlass, um für den Gewährsmann Agnellis und Kissingers eine Solidaritätsveranstaltung auf dem Kapitol zu veranstalten.