Diskussion um die dritte Bundesliga

Staffellauf nach oben

Nur im Süden der Republik wehren sich noch einige Fußballclubs gegen die geplante dritte Bundesliga.

Eine Liga ist ein Bund, ein Bündnis, also etwas Abgeschlossenes. Zumindest sagt das der Duden, und dort ist auch zu finden, dass die Liga mit dem Wort »liieren« etymologisch verwandt ist. Im deutschen Sport aber gibt es, anders als etwa im US-amerikanischen, keine abgeschlossenen Ligen. Es wird um Auf- und Abstieg gespielt, und so gibt es hier zu Lande bekanntlich die erste Bundesliga, aus der jahrzehntelang Vereine wie der 1. FC Köln, Borussia Mönchengladbach oder Eintracht Frankfurt zwar nicht wegzudenken waren, gleichwohl aber irgendwann doch einmal abstiegen.

Damit es nicht allzu sehr auffällt, dass solch groß anmutende Vereine, bei denen es sich - ökonomistisch formuliert - ja auch um Trademarks handelt, plötzlich nicht mehr da zu finden sind, wo so groß anmutende Titel wie der des Deutschen Meisters vergeben werden, gibt es die Zweite Bundesliga. Wer hier kickt, taugt zwar sportlich nicht so viel, kann sich aber a) Hoffnung auf einen baldigen Aufstieg machen, b) immer noch Bundesligist nennen und c) so gerieren, als lohne für ihn eine bundesweite Vermarktung.

Damit diese Illusion materiell unterfüttert wird, gibt es solche Sender wie das DSF, das sich ausgeschrieben »Deutsches Sportfernsehen« nennt, obwohl dort nie Spitzensport zu sehen ist. Nachmittags laufen japanische Spielshows, abends Boxkämpfe, für die sich keine richtige TV-Anstalt interessiert, Basketballspiele, in denen garantiert keine glamourösen Stars auftreten, oder eben die Zweite Fußballbundesliga, und zwar so richtig mit LR Ahlen, SV Babelsberg und der Spielvereinigung Unterhaching.

Die war in der letzten Saison in der ersten Bundesliga, und schon ist dieser wirre Artikel fast bei seinem Thema angelangt. Weil in der ersten Liga nicht die großen Namen zu finden sind, deren Vereinsembleme man auf dem Geldbeutel, dem Kopfkissen oder dem Schulranzen seiner Kinder sieht, kurz: die sich als Trademark eignen, sondern auf einmal dort der VfL Wolfsburg oder Energie Cottbus oder St. Pauli auftauchen, und zu allem Überdruss noch Bayer Leverkusen die Tabelle anführt, drängt der Fußballmarkt auf eine Erweiterung: die dritte Liga.

Die heißt zur Zeit Regionalliga und ist seit zweieinhalb Jahren zweigleisig, unterteilt in eine Nord- und eine Südstaffel, und dort, genauer: in der Nord-Regionalliga, tummeln sich tatsächlich ein paar so genannte Traditionsclubs, die nur darauf brennen, wieder dort anzukommen, wo viel Geld verdient werden kann. Hier finden sich etwa der Chemnitzer FC (als FC Karl-Marx-Stadt DDR-Meister und Europapokal-Teilnehmer), die ehemaligen Bundesligisten Preußen Münster, Rot-Weiß Essen, Eintracht Braunschweig (ein ehemaliger Deutscher Meister), Fortuna Düsseldorf (ehemals Europapokal-Finalist) oder der FC Magdeburg (früherer Europapokal-Gewinner).

Ihr Renommee ist ein Grund, warum die Nordclubs aus der Regionalliga eine dritte Bundesliga machen wollen. »Es muss eine eingleisige dritte Liga geben«, sagt etwa Gerd-Volker Schock, Trainer des Regionalligisten Holstein Kiel, und beinahe alle in seiner Liga stimmen ihm zu.

Das Spannende daran ist allerdings nicht, dass es diese Forderung gibt. In einer leidlich zivilisierten Gesellschaft wie der englischen gibt es schon seit Jahrzehnten eine dritte nationale Profiliga. Spannend ist vielmehr, dass, während beinah alle Nordklubs dafür sind, der Süden geschlossen die Eingleisigkeit ablehnt. »Eine eingleisige Regionalliga macht wenig Sinn«, erklärt Hans Scheuerer, Geschäftsführer des Süddeutschen Fußballverbandes. Und so schwelt der Streit um die neue Liga bereits seit Monaten, und ein Ende ist nicht in Sicht. Frühestens im März will der Deutsche Fußballbund (DFB) eine Richtungsentscheidung treffen.

Engelbert Nelle, als DFB-Vizepräsident für die Regionalligen zuständig, nennt als frühesten Termin zur Einführung das Jahr 2005, dann könne man die bisherige Zweigleisigkeit bilanzieren. Nelle ist ein Befürworter dessen, was oft falsch als »eingleisige Regionalliga« bezeichnet wird und faktisch eine dritte Bundesliga darstellt. Daher wird er im Süden auch angefeindet.

Der Bayerische Fußballverband gab ein Papier heraus, in dem es heißt, dass Nelles Äußerungen zur Dritten Liga »zu Irritationen und Verärgerung« geführt hätten. Im Süden sagt man, die zweigleisige Regionalliga habe sich positiv entwickelt, sowohl beim Zuschauerdurchschnitt als auch in Bezug auf das sportliche Niveau. In den Regionalfenstern der Fernsehsender werde ausführlich berichtet, und auch als Bewährungsfeld für junge Talente sei die Regionalliga gut geeignet.

Dabei ist auch beim Zuschauerdurchschnitt der Norden deutlich führend. 3 800 kommen hier in die Stadien, im Süden sind es mit 2 500 deutlich weniger. Auch die Unterschiede im Etat sind immens: 2,4 Millionen Euro stehen im Norden durchschnittlich pro Verein zur Verfügung, 1,74 Millionen Euro im Süden. Und so argumentieren die Nordclubs vor allem ökonomisch. Jürgen Springer, der Geschäftsführer des VfB Lübeck, sagte auf einem Symposium, das im vergangenen Jahr in Osnabrück stattfand: »Auch die dritte Liga muss neue Wege beim Erschließen der Werbung gehen.« Dazu müsse man, so Dirk Holdorf, Manager von Eintracht Braunschweig, »die gleichen Rahmenbedingungen wie die Profiklassen« erhalten.

Gegenwärtig bezahlen die Fernsehsender pro Jahr 383 000 Euro an jeden Drittligisten, die Zweitligaclubs erhalten jeweils 2,5 Millionen Euro. Chris Waschke, Manager des Nord-Regionalligisten Dresdner SC, beklagt folgerichtig, dass die Drittligaclubs wesentlich weniger einnehmen als die höherklassige Konkurrenz, dass sie aber etwa die gleichen Kosten haben. So sind die Regionalligisten extrem von den vergleichsweise bescheidenen Fernseheinnahmen abhängig.

Das wird sich auch nicht ändern, wenn ab der Saison 2002/03 aufgestockt wird und jeweils 450 000 Euro überwiesen werden. Auch Engelbert Nelle hält die Situation für prekär: »Von den 79 Vereinen, die sich um einen Platz in der Nord- und Südstaffel beworben hatten, konnte nur Wacker Burghausen die Lizenz ohne Auflagen erteilt werden. Später kamen noch die Stuttgarter Kickers hinzu.«

Wacker Burghausen ist Tabellenführer im Süden und würde, gelänge mit Trainer Rudi Bommer der Aufstieg, in der Zweiten Liga nur eine Randexistenz führen, wie es gegenwärtig Ahlen oder Babelsberg schon tun. Auch Bommer, der den Sprung in die zweitklassige Eingleisigkeit anstrebt, lehnt eine dritte Bundesliga ab.

Ablehnung kommt freilich auch von einem Nord-Regionalligisten, und zwar erstaunlicherweise von einem mit großem Namen: dem FC Magdeburg, 1974 Gewinner des Europacups der Pokalsieger. Manfred Zapf, Geschäftsstellenleiter und früherer Libero im Verein und in der DDR-Nationalelf, gibt zu bedenken, dass »es ja immer auf den Tabellenstand ankommt«, wie jemand über das Projekt urteilt. Wer sich ausrechnen kann, dabei zu sein, sei dafür. Ansonsten verweist Zapf, der 1988/89 während der Krise des DDR-Fußballs als Auswahltrainer scheiterte, darauf, dass die Regionalliga auch die Aufgabe habe, jungen Spielern Erfahrung zu vermitteln.

»Meine Meinung ist«, fasst Zapf zusammen, »dass eine zweigleisige Liga besser wäre.« Uwe Wiesinger, der Manager von SV Darmstadt 98, einem Regionalligisten der Südgruppe, neben Rot-Weiß Erfurt der einzige Südverein, den man als Traditionsclub bezeichnen könnte, warnte in der Süddeutschen Zeitung davor, dass eine solche dritte nationale Liga »für regionale Sponsoren zu groß, für bundesweit arbeitende zu klein« sei.

Er und seine Mitstreiter fürchten rückläufige Zuschauerzahlen, weil der Lokalcharakter der Begegnungen verloren ginge und gleichzeitig die Betriebskosten stiegen. »Ganze Landstriche werden vom medialen Fußballsport ausgeschlossen«, sagt Wiesinger und findet das beklagenswert.

Dabei würde doch nur dafür gesorgt, dass, wenn es schon eine Abstiegsregelung im deutschen Fußball gibt, dennoch Vereine wie Fortuna Düsseldorf, Eintracht Braunschweig oder Rot-Weiß Essen weiterhin in ganz Deutschland Bedeutung behielten, denn kulturell sind solche Clubs ohnehin mit der Ersten Liga verbunden. Selbst wenn die Fernsehrechte dann bei einem Sender namens »DSF-2« lägen.