Interview mit der Dogma-Regisseurin Lone Scherfig

Viel Witz, wenig Make-up

Betrachten Sie »Italienisch für Anfänger« als einen Dogma-Film? Er scheint ja eher Dogma light zu sein.

Scherfig: Man kann sehr unterschiedliche Filme nach diesem Rezept machen. Mein Film ist natürlich nicht so expressiv und aggressiv wie die ersten Dogma-Filme. Die Leute sind bei mir sehr viel schüchterner, deshalb die ruhigere Kamera und der langsamere Schnitt. Es ist auf jeden Fall ein Dogma-Drehbuch, wir haben keinerlei Requisiten ans Set gebracht, sondern nur das benutzt, was schon da war. Und wenn die Charaktere in dem Film weinen, weinen sie wirklich, ohne Make-up.

Eigentlich verläuft ihre Geschichte ja nach dem klassischen Erzählmuster mit Happy End. Ist das kein Widerspruch, wenn Sie die dramatische Struktur vermeiden wollen?

Ich will ja nicht alles auflösen. Ich erlaube mir das nur manchmal in der Hoffnung, dass die Zuschauer das okay finden.

Im Presseinfo heißt es, dass Sie vor allem deshalb einen Dogma-Film machen wollten, um Klischees zu umgehen.

Habe ich das gesagt? Da bin ich mir nicht so sicher, weil es viele Klischees in meinem Film gibt ...

... zum Beispiel Loser, die am Ende doch gewinnen oder den Italienischlehrer ...

Ja, auch das Happy End. Oder das Bild von Italien, wo sich die Leute rührend umeinander kümmern, während Italien eigentlich voll von Kriminalität und Korruption ist. Aber ich glaube, wir haben beim Spielen einige Klischees vermieden, weil die Charaktere anders sind als die, die man normalerweise auf der Leinwand sieht.

Glauben Sie, dass die Realität selbst Klischees produziert?

Es ist natürlich nicht das wirkliche Italien, das wir im Film sehen, sondern das erträumte Italien der Charaktere. Es ist ein Film über ganz gewöhnliche Leute. Und gewöhnliche Leute produzieren Klischees. Glücklicherweise sagen sie auch eine Menge lustiger Sachen. Tatsächlich ist der Film auch lustiger ausgefallen als geplant, obwohl sich die Schauspieler genau an das Drehbuch gehalten haben.

Die Witze sind aber nicht um ihrer selbst willen in dem Film, sondern aus psychologischen Gründen, oder weil sie die Story ein bisschen weiter bringen. Einfach nur so Witze zu reißen, würde mit dem Dogma-Konzept wirklich nicht zusammengehen. Das wäre eklig.

Es gibt aber doch sehr viel Comedy, zum Beispiel wenn der Preister zu der gehandicapten Olympia sagt: »Wir halten die letzten drei Reihen frei, falls du umkippst.«

Das sagt er aber nicht, um die Zuschauer zum Lachen zu bringen, sondern um Olympia zum Lachen zu bringen. Er ist die einzige Person im Film, der sich über ihr Handicap lustig machen darf, weil sie es zulässt.

Welcher Dogma-Film hat ihnen am besten gefallen?

Auf jeden Fall »Idioten«. Es ist aber schwer, über die einzelnen Filme zu urteilen. Dogma hatte nie etwas mit gegenseitiger Überwachung zu tun. Wenn ich an der Himmelspforte klopfe, wird mich Gott nicht fragen, ob ich die Regeln eingehalten habe. Es geht vielmehr darum, die Freude am Filmemachen wiederzufinden. Ich möchte mich auch nicht schlecht fühlen, weil ich einen witzigeren Dogma-Film als die anderen gemacht habe.