Antisemitismus in Österreich

Ein kluger Teufel

In den Salons der Wiener Lumpenbourgeoisie, die einmal Juden gehörten, ist offener wie versteckter Antisemitismus noch heute anzutreffen. Diese Leute sind dann oft erstaunt darüber, dass ausländische Gäste einen solchen Ton nicht gutheißen. In Österreich empörte sich vor einem Jahr auch kaum jemand über die antisemitischen Auslassungen Jörg Haiders im Wiener Wahlkampf.

Am vergangenen Donnerstag entschuldigte sich nun der ehemalige FPÖ-Vorsitzende bei Ariel Muzicant, dem Präsidenten der jüdischen Gemeinde, für »mögliche Beleidigungen«. Zudem verpflichtete er sich, solche Äußerungen künftig zu unterlassen. Haider hatte auf einer FPÖ-Veranstaltung unter anderem gesagt: »Ich verstehe nicht, wie jemand, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben kann.«

Dass der Rechtsstreit außergerichtlich beigelegt werden konnte, war im Sinne des politischen Establishments. Denn ein Urteil zugunsten Muzicants hätte die Vorwürfe gegen Haider bestätigt. Und es hätte dem Ausland deutlich signalisiert, dass Antisemitismus in Österreich noch immer salonfähig ist.

Für die österreichische Justiz bedeutete die außergerichtliche Einigung eine Erleichterung. Stärkt sie doch gerne das Recht auf Meinungsfreiheit, wenn Personen aus dem Dunstkreis Haiders davon profitieren. Diese Haltung wird aber zu einem Problem für die Richter, wenn das Opfer ein im Ausland bekannter Österreicher ist und die ausländischen Medien über den Prozess berichten - wie im Fall Muzicant.

Weniger prominent ist die Wiener Wochenzeitung Falter, die im vergangenen Dezember von der Richterin am Oberlandesgericht Wien Doris Trieb wegen übler Nachrede und Beleidigung verurteilt wurde. Die Wochenzeitung hatte eine Karikatur, auf der Haider mit Hörnern abgebildet war, veröffentlicht.

Die Richterin entschied, dass die Fotomontage Haider für den Durchschnittsleser »als Teufel erscheinen« lasse. Eine Einschränkung der Meinungsfreiheit erschien ihr daher zum »Schutze des guten Rufes anderer bei massiv ehrenrührigen Angriffen unabdingbar geboten«.

Dieses Urteil muss nicht verwundern. Nachdem die FPÖ und die ÖVP vor zwei Jahren eine gemeinsame Regierung gebildet hatten, unterzeichneten Wolfgang Schüssel und Jörg Haider eine Präambel. Die Koalition wolle für ein Österreich arbeiten, heißt es darin, »in dem Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus keinen Platz finden«.

Aber Papier ist geduldig. Als Haider vor einem Jahr seinen antisemitischen Wahlkampf führte, wurde er dafür von Bundeskanzler Schüssel nicht verurteilt. Erst nach langem Schweigen konnte er sich zu einer sanften Ermahnung, auch an die Adresse des angegriffenen Muzicant, durchringen.

In der Präambel erkannten die Koalitionspartner auch die »Einmaligkeit und Unvergleichbarkeit des Verbrechens des Holocausts« an. Dennoch rechtfertigt Schüssel die staatliche Förderung der rechtsextremen Zeitung Zur Zeit, in der ein Autor den Holocaust leugnen durfte und deswegen auch von einem Gericht verurteilt wurde.

Die Beispiele aus zwei Jahren blau-schwarzer Regierungskoalition geben Anlass zu einer depremierenden Prognose. Von Haider ist trotz seiner Entschuldigung nicht zu erwarten, dass er und seine Partei zukünftig auf fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen verzichten werden.