Spielautomatenaffäre

Spiel nicht mit den Äpfelchen

In der so genannten Spielautomatenaffäre in Griechenland entwickelt sich ein Journalist zum Volkstribun. Der Regierung gefällt's, sie kündigt härtere Gesetze an.

Öbstchen« heißen in Griechenland umgangsprachlich die Spielautomaten, weil man gewinnt, wenn drei Stücke Obst nebeneinander stehen. Aber egal wohin der Apfel fällt, der Ladenbesitzer verdient dabei gut. Diesem Treiben möchte der fleißige Journalist Makis Triantafilopoulos nun ein Ende bereiten.

Bekannt wurde er in Griechenland durch seine Berichterstattung über bestechliche Ärzte und die illegale Einbürgerung von Ausländern. In den vergangenen Wochen entlarvte Triantafilopoulos die Beziehungen zwischen der so genannten Spielautomatenmafia und einigen Politikern. Es gelang ihm, ausgerechnet den Vorsitzenden des Parlamentsausschusses zu illegalen Spielautomaten, den Abgeordneten Alekos Chrisanthakopoulos, beim illegalen Glücksspiel zu filmen.

Die Automaten, von denen etwa 200 000 in griechischen Läden, Tankstellen und Kneipen stehen, sind zum größten Teil als legale Spielautomaten getarnt. Mit einem geeigneten Mikrochip und einer Fernbedienung kann sie der Besitzer aber in »Obst-Automaten« verwandeln. Bei einer Razzia werden sie wieder zu legalen Maschinen. Daher ist die Zahl der Verfahren lächerlich gering, denn die Spieler und die Betreiber müssen auf frischer Tat ertappt werden.

Dass sich gerade Chrisanthakopoulos erwischen lies, war sein Pech. Voller Angst vor den Konsenquenzen des Skandals verabredete sich der Abgeordnete mit dem Journalisten und bat ihn, das Video nicht zu zeigen. Als Gegenleistung bot er ihm die Geheimakten des Parlamentsausschusses an.

Doch seine Rechnung ging nicht auf. Der Journalist filmte auch diese Begegnung. Die Zuschauer des Fernsehsenders Alpha konnten den erniedrigten Abgeordneten beobachten, wie er sich bei dem Journalisten entschuldigte und mit ihm verhandelte. Zwei Tage später, am 23. Januar, warf der Regierungschef Kostas Simitis Chrisanthakopoulos aus der Parlamentsfraktion seiner Partei, der Pasok.

Aber Triantafilopoulos reichte das noch nicht. Der Journalist interviewte nun zwei ehemalige hochrangige Polizeioffiziere, die von dem ehemaligen Sicherheitsminister Kostas Romeos, der ebenfalls der Pasok angehört, abgesetzt bzw. entlassen wurden, weil sie angeblich gegen die Spielautomatenmafia kämpften. Der eine erklärte vor laufender Kamera, er wohne jetzt in einer Zweizimmerwohnung, denn er könne wegen seiner mageren Pension nicht einmal das Studium seiner Kinder finanzieren.

Gleich danach sahen die Fernsehzuschauer einige Luxuswohnungen, die der Bürgermeister der Stadt Patras, der stellvertretende Bürgermeister und ein Abgeordeter des Stadtparlaments von dem Spielautomaten-hersteller Giorgos Nikoletatos erhalten haben sollen. Als Gegenleistung dafür, dass sie seine Interessen vertreten.

Ein wunderbares Bild kommt so zustande: Korrupte Politiker, brave Polizisten, die den Preis für ihren Kampf gegen das Böse zahlen, die mächtige Mafia, das arme, betrogene Volk und ein Journalist, der über allem steht. Triantafilopoulos ist auch deswegen ein interessantes Beispiel, weil er jahrelang bei der linken Wochenzeitung To Pontiki gearbeitet hat. Er glaubt, den »Volkswillen« genau zu kennen und zu wissen, wie er ihm Aufmerksamkeit verschaffen kann.

Seine Methode ist einfach und bekannt, sie wird als Populismus bezeichnet. Die einfachen Leute können angeblich nichts dafür, dass sie ihren Leidenschaften nachgehen, sei es das Zocken, der Aktienhandel oder der Besuch bei Prostituierten. Die Bösen sind allein die Politiker, die Börsenspekulanten und die Zuhälter.

Die Regierung hat nun als Konsequenz aus dem Skandal neue Maßnahmen angekündigt, um wirksamer gegen das illegale Glücksspiel vorgehen zu können. Entsprechende Gesetzte sind allerdings schon seit 1997 vorhanden.

Und selbst der Staatspräsident Kostis Stefanopoulos fühlte sich anscheinend verpflichtet, zu dem Thema Stellung zu nehmen, immerhin kommt er aus Patras. In jeder Gesellschaft, auch in der griechischen, gebe es das Gute und das Böse. Der Maßstab sei aber das Gesetz. Wer gesetzmäßig handele, der sei gut, wer nicht, sei böse, erklärte er. Und da die Regierung bestimmt, was gut ist, ließe sich folgern, soll man sich wohl den Glücksspielen zuwenden, die viele Steuereinnahmen einbringen.

Der Umsatz, der mit illegalen Spielautomaten erzielt wird, wird jährlich auf 2,4 Milliarden Euro geschätzt. Doch viele Griechen treibt ihre Spielsucht in den finanziellen Ruin. Aus Verzweiflung sperrte sich vor kurzem ein bewaffneter Mann in einer Kneipe ein und drohte, seine Kinder und sich selbst zu erschießen, wenn ihm der verspielte Betrag nicht zurückgegeben werde.

Eine Kellnerin berichtet, dass den Stammgästen Essen, Kaffee und Alkohol spendiert werden, damit sie stundenlang ihren Sessel vor dem Spielgerät nicht verlassen müssen. »Einmal hat mich ein Gast gefragt, warum ich mir jetzt eine Hose angezogen hätte, obwohl mir der Rock doch so gut stand. Den trug ich aber gestern, habe ich geantwortet. Der Typ hat nicht verstanden, dass er mehr als 24 Stunden vor dem Spielautomaten saß!«