Rudi Assauer, der Manager von Schalke 04

Voll der Assi

Vom Bankangestellten zum Manager von Schalke 04. Wer ist eigentlich dieser Rudi Assauer?

Theodor W. Adorno hat nie im Leben ein Wort über Rudi Assauer verloren. Doch den Typus, den der Fußballmanager öffentlich verkörpert, beschrieb er in seiner Aphorismensammlung Minima Moralia präzise: »Er drückt Unabhängigkeit, Sicherheit der Befehlsgewalt, die stillschweigende Verschworenheit aller Männer miteinander aus. Früher nannte man das ängstlich bewundernd Herrenlaunen, heute ist es demokratisiert und wird von den Filmhelden noch dem letzten Bankangestellten vorgemacht.«

Tatsächlich, Assauer absolvierte vor der Karriere als Fußballprofi eine Lehre in einer Bank. Damals ließ er sich noch nicht nackt in der Sauna filmen wie heute - mit Zigarre statt Feigenblatt -, sondern deckte bei Borussia Dortmund brav seinen Mann und verhalf dem Erzfeind Schalkes zu einem einmaligen Triumph. Dortmund holte 1966 als erster deutscher Klub den Europapokal.

Zum BVB war der junge Soldat durch die Vermittlung des Sportoffiziers Othmar Rhein gekommen. Ein spätes Relikt dieser Protektion zeigte sich, als sich der verletzte Emile Mpenza im Oktober 2001 weigerte, zum Champions-League-Spiel gegen RCD Mallorca aufzulaufen. Da belferte der Manager, »mit solchen Leuten« könne man »keinen Krieg gewinnen«. In Gutsherrenmanier suspendierte er den belgischen Nationalspieler, drohte, einen Teil seines Gehaltes einzubehalten, nahm ihn wenig später wieder in den Kader auf, um ihn schließlich - Mpenza war inzwischen operiert worden - erneut unflätig zu attackieren.

Darüberhinaus hatte Assauer an seinem liebsten Urlaubsziel die Schalker Mannschaft derart zur Sau gemacht, dass die FAZ für Leute wie ihn die »Rote Karte« forderte, sollten sie nicht zukünftig »ein bestimmtes Sozialverhalten« an den Tag legen.

Die vermeintliche »Sicherheit der Befehlsgewalt«, die hinter derlei Ausfällen steckt, verspürte Rudi Assauer auf seinem ersten Posten wohl noch nicht. Mit Otto Rehhagel holte der bei Werder Bremen 1976 vom Kapitän zum Manager Beförderte Anfang der achtziger Jahre einen Trainer an die Weser, der ihm in puncto Egomanie einiges voraushatte. Rehhagel, Künstlername »Rubens«, setzte sich durch.

Unter dem Motto »Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets« hatte der im saarländischen Altenwald Geborene, einer vermeintlichen Vorsehung folgend, Bremen verlassen und sowohl die Trainerbank als auch den Managerplatz von Schalke 04 besetzt. Doch da zu Beginn der achtziger Jahre nicht mal die verhocktesten rechten Politologen über Heimat und identitätsstiftende Regionalkultur reden mochten, und Corporate Identity qua Tradition für PR-Strategen noch belanglos war, dachte Assauer nicht weiter über seine lax hingeworfenen Abschiedsworte nach.

Heutzutage brütet »der Macher auf Schalke« (Stuttgarter Zeitung) längst nicht mehr über der Frage nach dem unverwechselbaren Markenzeichen seines Klubs. »S 04«, proklamiert er, »steht für den Klub mit der größten Tradition in Deutschland.« Tradition ohne historischen Ballast, quasi als unangreifbares Ehrenzeichen verstanden, damit könne Schalke im ökonomischen Konkurrenzkampf um die Gunst des Publikums und der verschiedenen Geldgeber trotz sportlicher Niederlage punkten. Kurz: Schalke ist Religion, und der mangelt es nicht an einem Gründungsmythos. »Der Mythos«, sagt Assauer, »ist in den schwierigen dreißiger, vierziger Jahren entstanden, als die Mannschaft für 'ne Kartoffel und 'ne Mettwurst über die Dörfer gezogen ist.«

Die »schwierigen dreißiger, vierziger Jahre« waren für die einen ja schwierig, für die anderen weniger. Manche sollen gar von den Schwierigkeiten anderer profitiert haben. Auch das Schalke-Idol Fritz Szepan, von dem es in der Gelsenkirchener Stadtchronik heißt: »Das bisherige jüdische Kaufhaus Julius Rode & Co am Schalker Markt ist in arische Hände übergegangen. Es wird geführt von Fritz Szepan, dem Schalker Mittelstürmer, der ein Spezialgeschäft für Textilien in den Verkaufsräumen eingerichtet hat.«

Jenen Passus hatte Peter Tertocha, ein Stadtverordneter der Grünen, zitiert, als der Gelsenkirchener Rat, angeregt vom FC Schalke 04, im Mai 2001 eine Straße nach Szepan benennen sollte. Auf die einsetzende Diskussion über die Vergangenheit Szepans reagierte Schalkes Manager in der Art eines Duodezfürsten. Unter diesen Umständen verzichte der Verein lieber. Dann werde man halt ein vereinseigenes Haus mit dem großen Namen schmücken und »einige transportable Dixie-Toiletten« davorstellen, »die wir dann nach Politikern dieser Stadt benennen«.

Mitte Januar 2002 legte der von Gelsenkirchens Oberbürgermeister Oliver Wittke mit der Klärung des Falles Szepan beauftragte Historiker Frank Bajohr sein Gutachten vor. Er kam zu dem Schluss, dass der 34fache Nationalspieler »von der Zwangssituation der jüdischen Eigentümer massiv profitierte und darauf seinen persönlichen wirtschaftlichen Aufstieg gründete«.

Assauer schwieg zunächst und erklärte dann in der Februar-Ausgabe des Playboy, dass er im Haushalt keinen Finger rühre, Frauen keine Zigarren rauchen sollten usw. und ließ sich daraufhin von Bild als »größter Macho der Bundesliga« feiern. Am 24. Januar 2002 meinte er schließlich, man werde dem Gutachten Rechnung tragen. »Weder eine Straße noch ein Jugendinternat wird dieser Name begleiten.« Auch von Klohäuschen war nicht mehr die Rede.

»Wenn Assauer kommt, gehen wir«, stand auf den Transparenten der Fans zu lesen, als am Schalker Markt im Frühjahr 1993 das Gerücht von einer Rückkehr des 1986 gefeuerten Managers umging. Wie immer hielten sich auch diesmal Fußballfans nicht an ihre Parolen. Stattdessen verabschiedeten die Mitglieder eine neue Vereinssatzung, die eine Direktwahl des Vorstandes für alle Zeiten unmöglich machen sollte. Mitte Dezember 1994 bestimmte ein Aufsichtsrat den vierköpfigen Vorstand von Schalke 04, der bis heute unverändert amtiert und dessen Mitglieder der Öffentlichkeit nahezu unbekannt sind. Die einzige Ausnahme ist Rudi Assauer.

Assauer stieg zum Liebling des Boulevards auf: »Schalkes schicker Schimanski« (Stern), »der Schlotbaron« (FAZ), »der Pate von Schalke« (kicker) - Attribute, die Adorno unter der Überschrift »Tough Baby« näher beschreibt: »Archetypisch dafür ist der gut Aussehende, der im Smoking, spät abends allein in seine Junggesellenwohnung kommt, die indirekte Beleuchtung andreht und sich einen Whisky-Soda mischt: das sorgfältig aufgenommene Zischen des Mineralwassers sagt, was der arrogante Mund verschweigt; dass er verachtet, was nicht nach Rauch, Leder und Rasiercrème riecht, zumal die Frauen, und dass diese ihm eben darum zufliegen. Das Ideal menschlicher Beziehungen ist ihm der Klub, die Stätte eines auf rücksichtsvoller Rücksichtslosigkeit gegründeten Respekts.«

Statt Smoking trägt Assauer zeitgemäßes »edles Tuch« und übt das Zigarrenrauchen so penetrant, dass kein Porträt erscheint ohne umhüllende Rauchwolke. Die Bunte führte ihn im Dezember 2000 auf Platz vier der »50 erotischsten Männer Deutschlands«. Ob die Jury nur aus Masochistinnen bestand? »Assis« Sprüche über seine jeweiligen, mindestens 20 Jahre jüngeren Freundinnen legen dies jedenfalls nahe: »Die Alte hat zwar keine Ahnung von Fußball, aber sonst ist sie ganz in Ordnung.« Der Biedermann in der Redaktionsstube attestierte ihm daraufhin anerkennend, er sei »wenigstens ehrlich. Denn seine Liebe gilt blau und weiß«, seinem Klub, für den der »Workaholic« (Süddeutsche Zeitung) 14 Stunden pro Tag »malocht«, wie Assauer zu sagen pflegt.

Auf das Malocher-Image als Firmenphilosophie baut der Manager seit seiner Rückkehr zu Schalke. »Zwischen Leistung und Lohn« bestehe »ein Missverhältnis«, mit diesen Worten leitete er eine Margret Thatcher würdige Phase des eisernen Sparens ein, lud 2 500 Bergleute ins Stadion und schickte die Fußballer auf Grubenfahrt.

»Das ist kein PR-Gag«, behauptet er heute noch, wenn Andi Möller und Kollegen einen Mannschaftausflug zu den Fördersohlen unternehmen. Aber was sonst, da Assauer im gleichen Atemzug über die »Philosophie des Vereins«, die unschätzbare Tradition schwadroniert, die auf keinen Fall verloren gehen dürfe, und sagt, »wenn die mal weg ist, dann hat man ein großes, großes Werbepaket verschleudert«? Wegen der Tradition sollen auch keine Teilhaber, wie zum Beispiel die UFA in Dortmund, bei Schalke einsteigen. Doch ernsthaft belästigt sähe sich Rudi Assauer aus einem anderen Grund: »Mich würde einfach stören, dass vereinsfremde Leute dann in unseren Büros herumwieseln würden« und er nicht mehr das uneingeschränkte Sagen hätte.

Man möchte meinen, Rudi Assauer sei als paternalistischer Manager, der den Gestus des Zigarren kauenden Industriebarons mit den populistischen Attitüden des Boulevardkrawallmachers verbindet, am Ziel seiner Träume. Zumal die Aussicht lockt, im September 2002 als erster bezahlter Präsident von Schalke 04 in die Annalen einzugehen.

Doch im Grunde, das erklärt auch seinen brachialen Ausbruch gegen den begnadeten jungen Stürmer Emile Mpenza, will Assauer nur eines. Er würde alles, was er besitzt, »dafür geben, nur um wieder 26 zu sein und wieder Fußball spielen zu können«. Die zweite Karriere, die ihn vom Banklehrling zum Firmenboss beförderte, scheint »Graf Koks von der Gasanstalt« (Focus) doch nicht ganz geheuer. Das ewig schlechte Gewissen des aufgestiegenen Kleinbürgers gibt halt niemals Ruhe.