Regierungspartei gewinnt die Kommunalwahlen

Hun Sens neue Folgen

Die Regierungspartei CPP konnte die Kommunalwahlen in Kambodscha für sich entscheiden, doch ihre Kontrolle über die Bevölkerung hat nachgelassen.

Was sind internationale Standards?« Hun Sen gab die Antwort gleich selbst. Mit dem Ablauf von Wahlen habe der Begriff nichts zu tun, erläuterte der kambodschanische Premierminister am vergangenen Donnerstag: »Internationale Standards gibt es nur im Sport.«

In den Tagen zuvor hatten NGO kritisiert, dass die Kommunalwahlen nicht internationalen Standards entsprachen. »Alle Beobachter haben ihrer großen Besorgnis über die Formen der Gewalt vor den Wahlen Ausdruck verliehen«, erklärte Sunai Phasuk vom Asian Network for Free and Fair Elections. In den vergangenen 13 Monaten wurden 17 Kandidaten der Opposition ermordet. Manche Bewerber zogen ihre Kandidatur zurück, keiner der Mörder wurde gefasst.

Internationale Wahlbeobachter haben zudem von Drohungen gegenüber oppositionellen Kandidaten, Stimmenkauf und der Einschüchterung von Wählern berichtet. Die regierende Cambodian People Party (CPP) konnte sich auch auf die fast vollständige Kontrolle der Zeitungen, Radio- und Fernsehstationen des Landes stützen. Der stalinistische Personenkult scheint noch nicht ganz in Vergessenheit geraten zu sein, küzlich sendete eine private Radiostation im Besitz von Hun Sen eine 90teilige Serie über seine Lebensgeschichte.

So hatte die CPP eine gute Ausgangsposition, als die Kamboschaner am vorletzten Sonntag zum ersten Mal ihre Vertreter auf kommunaler Ebene wählen konnten. Bisher waren sie in den 1 621 Kommunen von der CPP eingesetzt worden. Ein amtliches Endergebnis wird in etwa zwei Wochen erwartet, doch nach den ersten Stimmenauszählungen konnte die Regierungspartei ihre Führungsposition in 1 600 Kommunen behaupten. Ihr Stimmenanteil liegt bei 62 Prozent. Die oppositionelle Sam Rainsy Party (SRP) konnte in den meisten kommunalen Vertretungen Sitze erringen und erhielt 17 Prozent der Stimmen. Die Partei König Norodom Sihanouks, die Nationale Front für ein unabhängiges, friedliches und kooperatives Kambodscha (Funinpec), kam auf 22 Prozent.

Trotz der Kritik am Ablauf sahen auch die Oppositionsparteien die Wahlen als einen weiteren Schritt zur politischen Stabilisierung nach langen Jahren des Bürgerkrieges. Die innenpolitischen Spannungen eskalierten, nachdem General Lol Nol 1970 mit Hilfe der USA geputscht hatte. Daraufhin wurde auch Kambodscha in den Krieg hineingezogen, der 1975, wie in Laos und Vietnam, mit einem Sieg der kommunistischen Guerilla endete.

Die Roten Khmer unter Pol Pot wollten, anders als die kommunistischen Parteien in Laos und Vietnam, einen agrarischen »Steinzeitkommunismus« errichten. Fast alle Beamten, Wissenschaftler, Ärzte und Lehrer wurden systematisch umgebracht; die Städte wurden völlig geräumt und ihre ehemaligen Einwohner zur Arbeit gezwungen. In den folgenden dreieinhalb Jahren starben schätzungsweise zwei Millionen Menschen, 20 Prozent der gesamten Bevölkerung.

Anfang 1979 eroberte Vietnam Teile des Landes und die Hauptstadt. Einige Angehörige der RK, unter ihnen auch Hun Sen, waren im Jahr zuvor zu den Vietnamesen übergelaufen. Hun Sen wurde Präsident der neu ausgerufenen Volksrepublik Kambodscha. Sihanouk kehrte aus dem chinesischen Exil zurück, seine Anhänger kämpften gemeinsam mit den Roten Khmern. Hun Sen konnte sich jedoch auch nach dem vietnamesischen Rückzug im Jahr 1989 behaupten.

Während der Friedensverhandlungen in Paris wurde 1991 der Einsatz der United Nations Transitional Authority in Cambodia (Untac) beschlossen. Seit 1992 kamen 15 000 UN-Soldaten und 6 000 Zivilangestellte ins Land. Dies war auch der erste Auslandseinsatz der Bundeswehr, allerdings entsandte sie damals nur Sanitätssoldaten.

Ob die Untac-Mission ein Erfolg war, ist umstritten. Dass heute vier Prozent der 11,5 Millionen Einwohner mit dem HIV-Virus infiziert sind, ist vor allem eine Folge des UN-Einsatzes. In kürzester Zeit war ein florierendes Prostitutionswesen entstanden. Der japanische Leiter der Untac meinte augenzwinkernd, »boys will be boys«, er hielt einen Aids-Test bei der Einreise der Soldaten nicht für nötig. Die Untac repatriierte aber auch 350 000 Flüchtlinge und organisierte 1993 die ersten Wahlen für eine Nationalversammlung. Wahlmanipulationen der nun zur CPP umbenannten KP und über 200 Morde an Oppositionskandidaten allerdings verhinderte sie nicht.

Diese erste Wahl gewann die Funinpec unter Führung von Sihanouks Sohn. Sihanouk war 1991 erneut auf den Thron gestiegen. Hun Sen und die CPP erzwangen jedoch eine Koalition. So entstand die einmalige Situation, dass es zwei Premierminister und für jedes Ressort zwei Minister gab. 1997 zerbrach das fragile Bündnis. Die CPP, im Besitz der militärischen Kontrolle, zwang die Opposition zur Flucht ins Ausland.

Da die internationale Anerkennung des Landes nun verzögert und die Entwicklungshilfe ausgesetzt wurde, stimmte die Regierung 1998 Neuwahlen zu. Diesmal gewann die CPP, die Funinpec ging erneut eine Koalition mit ihr ein. Mittlerweile war eine dritte Partei auf dem politischen Parkett erschienen. Sie ist nach ihrem Vorsitzenden Sam Rainsy, dem als integer geltenden ehemaligen Finanzminister der Funinpec, benannt.

Seit 1998 geht es vergleichsweise friedlich im Land zu, in der Öffentlichkeit sind kaum noch Waffen zu sehen. Doch bis heute kontrollieren die Roten Khmer zwei Gebiete an der Grenze zu Thailand. Sie finanzieren sich aus illegalem Holzhandel und einigen Diamentenminen, an Wahlen haben sie nie teilgenommen.

Derzeit herrscht Waffenstillstand, doch die verbleibenden Roten Khmer drohen, wieder zu den Waffen zu greifen, wenn ein Tribunal zur juristischen Verfolgung der Verbrechen während ihrer Herrschaft eingerichtet werde. Nicht nur wegen dieser Drohung ist Hun Sen nicht begeistert von der Idee eines Tribunals. Offiziell muss sich die Regierung dafür aussprechen, denn westliche Staaten haben mit der Sperrung von Geldern gedroht. Doch viele politische Führungspersonen waren auf allen Ebenen in die Herrschaft der Roten Khmer verstrickt, darunter der König und Hun Sen. Auch ein Teil der Bevölkerung möchte die Geschichte lieber ruhen lassen.

Die Zeit der Roten Khmer hat bis heute traumatische Auswirkungen. Das gesamte moderne wie traditionelle Wertesystem der Gesellschaft wurde zerstört, die Roten Khmer ermordeten neben den Intellektuellen fast alle Mönche und zerstörten die Tempel. Auch wirtschaftliche Folgen sind noch immer spürbar. Das durchschnittliche Einkommen liegt bei 260 US-Dollar im Jahr, damit ist Kambodscha eines der ärmsten Länder der Erde. Da unter den Khmern fast alle Einwohner umgesiedelt wurden, ist der Landbesitz ungeklärt.

Die KP kollektivierte das Land 1979 und errichtete in den achtziger Jahren ein dichtes Netz der Kontrolle über die Dörfer, in denen 85 Prozent der Bevölkerung leben. Dennoch finde, so Lao Mong Hay vom Khmer Institute for Democracy, eine »soziale Erneuerung« statt. Teile der Bevölkerung wenden sich von der CPP ab.

Die Oppositionsparteien haben angekündigt, das Wahlergebnis anzuerkennen. Denn, so Sam Rainsy: »Zum ersten Mal werden wir eine Position in den lokalen Regierungen haben.« Fraglich bleibt allerdings, ob die CPP neue Machtverhältnisse akzeptieren wird. Wenn Hun Sen die für das kommende Jahr geplanten Wahlen zur Nationalversammlung verlieren würde, könnte er versuchen, seine Macht mit militärischer Gewalt zu erhalten.