Politischer Aschermittwoch der PDS

Reise nach Fernost

Auch die PDS feierte ihren politischen Aschermittwoch.

Der Aschermittwoch war über Jahre fest in den Händen der bayerischen Volkspartei CSU, die seit jeher an diesem Tag in Passau ihr traditionelles Massenbesäufnis begeht. Das nennt sich dann politischer Aschermittwoch und geht erfahrungsgemäß so: Hoch oben auf der Rednertribüne steht ein fuchtelnder und berserkerhaft polternder Aufschneider, der Sachen sagt wie: »Ich will meinem Vaterland dienen.« Und unten johlt und klatscht eine alkoholisierte Meute.

Alles in allem also eine Art Post-Faschingsrambazamba, in dessen Verlauf man bevorzugt sich selbst und seine vermeintliche Identität abfeiert und dabei beinahe birst vor Mannhaftigkeit; ein Tun, das sich seit vielen Jahren bewährt hat und bei erheblichen Teilen der Bevölkerung äußerst populär ist.

Von der CSU lernen heißt siegen lernen. So oder so ähnlich muss man es sich wohl in den Think Tanks der Berliner PDS gedacht haben. In Sachen Volksnähe will schließlich auch der Sozialist nicht abseits stehen. Daher plakatierten die Genossen im vergangenen Brandenburger Landtagswahlkampf die Dörfe und Städte nicht nur großflächig mit dem Slogan »Heimatliebe« zu, sondern liebäugelten schon damals damit, das erfolgreiche Konzept der CSU auch an anderer Stelle zu kopieren.

Seither gibt es den »politischen Aschermittwoch der PDS«, den die Partei in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal beging. Und schon bei der Premiere im Jahr 2001 sprach Gabi Zimmer von »unserem geliebten Deutschland«, Lothar Bisky beklagte bitterlich »die vorauseilenden Ergebenheitsadressen eines deutschen Außenministers gegenüber Washington«, und Petra Pau wetterte energisch und vaterländisch gegen das »Powackeln, Tiergartenpinkeln und Tütchenschmauchen« auf der Love Parade, wo empörenderweise »anglistisch gezuckt und gezockt« werde. Erwartungsgemäß kam das bei der eigenen Klientel gut an.

Vom Erfolg beflügelt, versammelte sich deshalb in diesem Jahr wieder ein kleines Häuflein Parteivolk im Lokal »Ständige Vertretung« am Schiffbauerdamm. Schließlich will die Parteispitze den anderen »Volksparteien« in nichts nachstehen. Nicht zuletzt den Bayern sollte gezeigt werden, dass solide Brauchtumspflege und folkloristischer Identitätskult keine ausschließlich konservativen Gewohnheiten sein müssen. Eingeladen hatten die Parteivorsitzende Gabi Zimmer, der Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und die stellvertretende Bundesvorsitzende Petra Pau - nach Gregor Gysis Ausscheiden aus dem Bundestag so etwas wie das Trio infernale der ostdeutschen Sozialdemokratie.

Zwar konnte man in der »Ständigen Vertretung« nicht, wie beim großen Vorbild, vor mehr als 10 000 Betrunkenen sprechen, aber was nicht ist, kann ja noch werden, und ein Anfang ist gemacht. Eine Hundertschaft Genossen fand sich ein und tankte eifrig Kölsch. Zu ihrer Beschallung engagierte man eine Jazzkapelle, womit man vom bayerischen Vorbild geringfügig abwich.

Als Anheizer tritt als erster Bartsch ans Mikrofon und gibt die Parole des Vormittags aus: Zwar sind wir tapfere Ostdeutsche, aber wir wollen endlich richtige Deutsche sein. Da müsse man sich doch nur die anderen anschauen. Wenn Schröder und Stoiber »auf Osttour« unterwegs seien, dann sei das doch ungefähr so, als ob »Scharping Truppenbesuche in Afghanistan macht«. Gelächter und Applaus erntet Bartsch auch für den nächsten Satz: »Die brechen immer noch zu einer Safari auf, wenn es in den Landstrich zwischen Rügen und Erzgebirge geht.« Endlich sagt mal einer, dass man als Volkszugehöriger entsprechend behandelt werden will. Man ist schließlich kein dahergelaufener Mullah oder Wilder, man ist mindestens Rügener oder Erzgebirgler, wenn nicht sogar ein richtiger Deutscher.

Und doch wird man vom Westler immer noch nicht angemessen behandelt. Das ist ungerecht, und zur Strafe wählt man die PDS, die sich im Gegensatz zu allen anderen Parteien »immer für die Interessen der Ostdeutschen eingesetzt hat«, wie Bartsch beteuert. Aufbrandender Beifall. Ostdeutsch. Da ist es, das magische Wort, das man gar nicht oft genug hören kann, weil einem davon immer so warm ums Herz wird.

Doch kurz danach ist plötzlich wieder von Bayern die Rede. Stoiber werde schon noch merken, so Bartsch, »dass auch die Roten gern eine Maß trinken und eine Weißwurst essen und ihnen auch das Schicksal Bayerns nicht Wurst ist«. Der demokratische Sozialismus, so lernen wir, ist eine gesamtdeutsche Angelegenheit, und seine dringlichste Aufgabe ist die Bewahrung überlieferter Ess- und Trinksitten. Und das heißt? Mund auf, rein mit dem Kölsch!

Als nächste betritt Petra Pau die Bühne und beginnt unvermittelt von Einwanderungsgesetzen und Schwulenehen zu sprechen, was im Publikum ratlose Blicke und beschleunigtes Kölschtrinken zur Folge hat. Leider fehlt das O-Wort, an das man sich so gewöhnt hat. Kälte breitet sich aus.

Pause. Erst mal Kölsch nachschütten und lauschen, was der Gesangskünstler am Piano vorträgt: »Es kann nicht sein, dass Bomben niedergehen (...) Ich will, dass Kinder lachend in die Schule gehen (...) Wir hab'n einen Traum, du hast diesen Traum, ich hab' diesen Traum, alle haben einen Traum ...« Recht hat er. Einige der Anwesenden wirkten inzwischen tatsächlich ein wenig dösig und entrückt.

Da besteigt Gabi Zimmer das Podium und deklariert die absolute Kompromisslosigkeit ihrer Partei: »Bei der Frage Krieg oder Frieden aber sind wir absolut kompromisslos, denn wir halten einzig und allein Frieden für normal. Eine SPD, für die Krieg wieder ein Mittel der Politik ist, ist für uns nicht koalitionsfähig.« Außer in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Da haben wir mal eine Ausnahme gemacht, aber sonst: so kompromisslos wie ein Schwamm. Absolut.

Etwas verspätet kommt dann aber auch die Parteivorsitzende auf das Kernthema des Vormittags zu sprechen: »Die Ossi-Frau Merkel«, beklagt sie, »wird vorgeführt wie ein Schulmädchen.« Endlich, da ist es wieder, das berauschende Wort: Ossi, Osten, ostdeutsch. Und prompt setzt der Klatschzwang ein, denn schon zu lang ist's her, dass es fiel. Ossi-Frau Merkel also, so viel steht fest, ist eine von uns und muss wie wir ein bitteres Schicksal erleiden. Dann erfährt man ein weiteres Mal, dass die Kolonisatoren die Eingeborenen des Ostvolks weder kennen noch mögen: »So fern sind Schröder und Stoiber dem Osten.« Herrn Stoiber müsse sein Aufenthalt dort »wie eine Reise nach Fernost vorgekommen sein«, während Herr Schröder vor einigen Jahren sogar über die Zonenbewohner gesagt haben soll: »Wir können die ja schließlich nicht an Polen abtreten.«

Beide, Stoiber wie Schröder, so viel wenigstens weiß man am Ende des Vormittags, sind Erzhalunken und vaterlandslose Gesellen. Während der eine glaubt, Ostdeutschland liege in China, will der andere seine Landsleute gar an die Polen verschenken. Wer hätte früher geglaubt, dass es so weit einmal kommt. Doch Gott sei Dank hat »Politik auch in Deutschland mehr zu bieten als zwei sich streitende Herren«, die den deutschen Osten schon verloren gegeben haben, verkündet Gabi Zimmer. Schließlich gibt es noch die ostdeutsche CSU. Und die heißt PDS.