Der Bundestag stimmt über das rot-grüne Zuwanderungsgesetz ab

Ein gutes Angebot

In dieser Woche stimmt der Bundestag über das rot-grüne Zuwanderungsgesetz ab. Um der Union entgegenzukommen, werden noch die wenigen positiven Ansätze geschleift.

Besser kein Zuwanderungsgesetz als dieses.« Gerti Kiermeier vom Bayerischen Flüchtlingsrat brachte in der vergangenen Woche noch einmal auf den Punkt, worüber sich Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen längst einig sind. Das geplante Zuwanderungsgesetz der rot-grünen Bundesregierung, das in dieser Woche im Bundestag verabschiedet werden soll, bringt für Flüchtlinge viele Verschlechterungen und kaum Verbesserungen. Und selbst die wenigen positiven Ansätze sollen jetzt geschleift werden, damit das Gesetz überhaupt eine Chance hat, durch den Bundestag und vor allem durch den Bundesrat zu kommen, wo unionsregierte Länder die Mehrheit stellen.

In dreieinhalb Jahren hat es Rot-Grün nicht geschafft, die Zuwanderung neu zu regeln, und es bleibt fraglich, ob es im restlichen halben Jahr der Legislaturperiode gelingen wird. Nach dem Schock von Hessen, wo die CDU vor drei Jahren mit ihrer rassistischen Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft die Landtagswahl gewann, verlegten sich Innenminister Otto Schily und die Bundesregierung aufs Taktieren, Verzögern und auf die Beseitigung der progressiven Inhalte.

Dabei war von Anfang an klar, dass es der Regierung mit dem Gesetz nicht um Statusverbesserungen und die Stärkung der legitimen Rechte von Flüchtlingen und Migranten geht. Das Ziel ist es vor allem, die aktuelle Gesetzeslage an die Nachfrage der deutschen Wirtschaft nach qualifizierten Arbeitskräften anzupassen und dabei den Betroffenen möglichst wenig Rechte zuzubilligen. Umso verwunderlicher, dass das Ganze immer noch nicht über die Bühne gegangen ist. »Inhaltlich liegen SPD und Unionsparteien nicht weit auseinander«, erkannte auch die Neue Zürcher Zeitung, »aber der Kanzlerkandidat Stoiber und die Grünen benötigen das Thema zur Profilierung.«

Für die Grünen ist indes im Zuwanderungsgesetz nicht mehr viel vorhanden, womit sie sich bei der eigenen Klientel beliebt machen könnten. Dass die Zuwanderung nach einem Punktesystem geregelt werden soll, das den Nutzen der Einwanderer für die Volkswirtschaft bewertet, dürfte für grüne Wahlwerbung kaum taugen. Dass für brauchbar befundene Migranten zwar ihre Kinder mitbringen dürfen, aber bitte nur solche, die jünger als 14 Jahre sind, dürfte sich auch schwer als grüner Verhandlungserfolg verkaufen lassen. Und dass das Gesetz die Schaffung so genannter »Ausreiseeinrichtungen« vorsieht - im Klartext: Internierungslager für unerwünschte Ausländer -, ebenso.

Nicht einmal das einzig Positive an dem Gesetzesentwurf, dass nicht staatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung künftig als Fluchtgründe anerkannt werden sollen, können sich die Grünen als Erfolg ihrer Politik anrechnen. Denn diese Neuerung würde lediglich bedeuten, dass Deutschland die Mindestanforderungen der Genfer Flüchtlingskonvention endlich erfüllen würde - als letzter Staat der Europäischen Union.

Doch selbst dieser Minimalkonsens wird wohl nicht zustande kommen. Denn die Union verlangt, dass der entsprechende Passus aus dem Zuwanderungsgesetz gestrichen wird. Menschen, die etwa vor den Massakern islamischer Terroristen in Algerien geflohen sind, sollen wieder zurückgeschickt werden. Pech gehabt: Leider waren die Mörder nicht vom Staat beauftragt. Auch systematische Vergewaltigungen in Kriegen und Bürgerkriegen seien noch lange kein Grund, das deutsche Gastrecht zu missbrauchen, sagen CDU und CSU. Und die rot-grüne Koalition wird in diesen Chor schon bald einstimmen.

Eigentlich wollte sich die Bundesregierung schon vor der für diese Woche angesetzten Abstimmung im Bundestag mit der Union einigen. Doch die in der letzten Woche eigens anberaumten Sondierungsgespräche ließen die CDU und die CSU platzen, nachdem der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Ludwig Stiegler mit seinen Äußerungen über die »historische Schuld« des bürgerlichen Lagers am Aufstieg des Nationalsozialismus einen passenden Anlass geliefert hatte.

Nach dieser Absage hat die Regierung ihre Taktik erst einmal geändert. Schon an diesem Freitag soll der Bundestag, in dem Rot-Grün die Mehrheit stellt, Schilys Vorlage zustimmen, dann soll das Gesetz im Bundesrat eingebracht werden. Dort, so das Kalkül, werde man sich dann schon irgendwie mit der Union einigen, sodass das Zuwanderungsgesetz bis spätestens Ende April, also noch rechtzeitig vor der heißen Phase des Wahlkampfs, verabschiedet ist.

Bis dahin muss aber mindestens ein Bundesland, in dem die CDU mitregiert, aus der Ablehnungsfront herausgebrochen werden. Das dürfte schwer werden. Denn die Union ist angesichts des Wahlkampfs besonders darum bemüht, ihre Reihen geschlossen zu halten. So sprach sich der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) am vergangenen Freitag für eine »Denkpause« aus, also für die Vertagung der Angelegenheit auf die Zeit nach der Bundestagswahl. Weil das aber nur bedeuten würde, dass der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber für seinen Wahlkampf reichlich Munition erhält, können und wollen sich Schily und Schröder darauf nicht einlassen.

Sie setzen mal wieder auf Brandenburg, den Wackelkandidaten Nummer eins im Bundesrat, wo der SPD-Ministerpräsident Manfred Stolpe mit dem CDU-Rechtsaußen Jörg Schönbohm regiert. Schönbohm hat bereits die Bedingungen genannt, unter denen er dem Zuwanderungsgesetz zustimmen würde: vier Forderungen, die nichts anderes sind als eine eingedampfte und leicht modifizierte Fassung der 16 Bedingungen, die die CDU/CSU-Bundestagsfraktion schon vor einiger Zeit der Regierung gestellt hat. Neben rein redaktionellen Änderungen am Gesetzestext - statt von Zuwanderung soll von Begrenzung der Migration die Rede sein - verlangt die Union, dass über Einwanderung nicht regional entschieden werden soll. Außerdem sollen nicht staatliche und geschlechtsspezifische Asylgründe wieder aus dem Gesetz gestrichen und das Nachzugsalter für Familienangehörige noch einmal um zwei auf nun nur noch höchstens zwölf Jahre gesenkt werden.

Die SPD dürfte wenig Probleme damit haben, diese Bedingungen zu akzeptieren. Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe hat sich die Forderungen seines Partners Schönbohm jedenfalls schon zu Eigen gemacht und verkauft seine Übernahme von ausländerfeindlich Parolen als antirassistische Praxis. »Andernfalls würden die Emotionen hochkochen, dann wird unterschwellig Fremdenhass organisiert«, warnte er vor einem Scheitern des Zuwanderungsgesetzes.

Auch bei den Grünen ist man zu Zugeständnissen bereit. Während die Parteivorsitzende Claudia Roth die Haltung der Union in der letzten Woche noch als »standortgefährdend« geißelte, signalisierte der innenpolitische Sprecher der grünen Bundestagsfraktion, Cem Özdemir, am Wochenende Kompromissbereitschaft. Die rot-grüne Regierung werde der Union »ein richtig gutes Angebot« machen, kündigte er am Sonntag in der Berliner Morgenpost an. Da wird auch Jörg Schönbohm irgendwann nicht mehr Nein sagen können.

Nur noch zwei Faktoren könnten das Gesetz scheitern lassen. Druck aus der bayerischen Staatskanzlei, von wo aus die Debatte argwöhnisch verfolgt wird, schließlich will sich Stoiber sein Lieblingsthema - den Kampf gegen die »durchrasste Gesellschaft« - nicht kaputtmachen lassen.

Oder die PDS: Denn auch die demokratischen Sozialisten sitzen in zwei Bundesländern zusammen mit der SPD in der Regierung - in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern - und könnten das Gesetz mit ihrem Veto im Bundesrat zu Fall bringen. Die Zustimmung der PDS zum Zuwanderungsgesetz gebe es »nicht zum Nulltarif«, kündigte die stellvertretende Parteivorsitzende Petra Pau in der vergangenen Woche an. Sie will einen Familiennachzug für alle Kinder bis 18 Jahre. Außerdem sollen nicht staatliche und geschlechtsspezifische Verfolgung als Asylgründe anerkannt werden. Es wäre nicht das Schlechteste, wenn Regierungsbeteiligungen der PDS zumindest dafür taugten, das Zuwanderungsgesetz in dieser Form zu verhindern.