Familienpolitik der Regierung und der Opposition

Kinder der Nation

Die familienpolitischen Konzepte der Konservativen unterscheiden sich kaum von denen der Regierungskoalition: Die Kernfamilie ist alles.

Im Wahlkampf wird nichts ausgespart. Neben der Wirtschaftspolitik und der Zuwanderung wird nun die Familienpolitik ins Visier genommen - ein Bereich, in dem sich leicht Punkte sammeln lassen. So stellte Edmund Stoiber, der Kanzlerkandidat der Union, auf dem politischen Aschermittwoch der CSU in Passau voller Stolz fest: »Ich bin seit 34 Jahren mit derselben Frau verheiratet.« Solche Sprüche kommen an bei den Wählern. Dass Stoiber inzwischen gelernt hat, in seinen Reden von den »Wählern und Wählerinnen« zu sprechen, ist dabei freilich ohne Bedeutung.

»Ohne wirtschaftliche Leistungsfähigkeit haben wir auch nicht die notwendigen Mittel, um unsere Familien zu fördern«, sagte er in Passau. Applaus. Die Botschaft wird verstanden. Schließlich kommt die Familie gleich nach der Heimat und der Nation: »Wir brauchen die Geborgenheit in der Familie, im Verein, in der Gemeinde, in unserer Heimat«, so Stoiber. »Wir brauchen auch die Identifikation mit der Nation als geschichtlicher, geistiger und kultureller Gemeinschaft.«

Solche Töne wundern kaum, schließlich hält der markige Bayer die Familie für ein »elementares Kraft- und Lebenszentrum« des Volkes. »Wenn wir unsere Familien nicht ausreichend unterstützen, dann sägen wir den Ast ab, auf dem wir sitzen. Hier vor allem werden Kinder geprägt. Hier erfahren sie Geborgenheit, Vertrauen und Solidarität.« Deshalb »ist und bleibt« die Familie ein »Orientierungspunkt für unsere Politik«.

Da ist es nur konsequent, wenn sich Stoiber gegen den von Rot-Grün eingeführten generellen Teilzeitanspruch verwahrt, der vor allem allein erziehenden Müttern und Vätern Berufschancen eröffnet: »Damit wird ein wichtiges Sprungbrett in eine reguläre Beschäftigung versperrt.« Mit »regulärer Beschäftigung« ist das Modell des patriarchalen Familienernährers gemeint. Stoiber hingegen favorisiert die Einführung eines so genannten Familiengeldes. Es soll garantieren, »dass Eltern nicht zur Berufstätigkeit und Fremdbetreuung ihrer Kinder gezwungen sind«.

Aber noch ist Rot-Grün an der Regierung. Bisher haben Stoiber und seine CSU nur dafür gesorgt, dass Bayern das Bundesland mit den wenigsten »Fremdbetreuungseinrichtungen« für Kinder ist. Doch in anderen Bereichen sieht es auch bundesweit nicht viel besser aus. In der vorigen Woche geriet die rot-grüne Familienpolitik immer mehr in die Kritik. Obwohl sich die Regierungskoalition gerne damit rühmt, dass es seit ihrem Amtsantritt mehr Kindergeld gibt - bei einer geringeren Steuerlast für Eltern - zieht jetzt selbst die Halbschwester von Bundeskanzler Gerhard Schröder, Ilse Brücke, gegen Rot-Grün vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Am Montag vergangener Woche reichten sie und rund 100 weitere allein Erziehende mit dem Verband allein erziehender Mütter und Väter eine Verfassungsbeschwerde gegen die Abschaffung des Haushaltsfreibetrages für allein Erziehende ein.

1982 war der Haushaltsfreibetrag als Äquivalent des Ehegattensplittings eingeführt worden. Damit sollte der zusätzliche Aufwand berufstätiger Alleinstehender ausgeglichen werden, da sie steuerrechtlich nicht vom Ehegattensplitting profitieren können.

Dieser Freibetrag wurde jedoch 1998 für verfassungswidrig erklärt, da er allein Erziehende steuerrechtlich besser stellt als Ehepaare. Deshalb soll er nun in den nächsten Jahren schrittweise gestrichen werden, das Ehegattensplitting aber nicht, was zu einer extremen steuerlichen Benachteiligung allein erziehender Väter und Mütter führt. Besonders hart trifft es diejenigen, die als Geschiedene oder allein Erziehende erst in diesem Jahr eine Arbeit aufnehmen. Sie müssen künftig genauso hohe Steuern zahlen wie Singles.

»Für mich sind das etwa 75 Euro weniger im Monat«, sagte Brücke im Deutschlandfunk, »das heißt dann vielleicht, dass ich mal nicht in Urlaub fahren kann. Für andere stehen da aber ganz andere Sachen auf dem Spiel.«

Damit hat sie Recht. Denn bei dieser steuerlichen Mehrbelastung hilft auch die Erhöhung des Kindergeldes vom Januar dieses Jahres um 16 Euro auf 154 Euro im Monat nicht weiter. Schon die rot-grüne Steuerreform im Jahr 2000 sei zugunsten »der Gutverdiener und der Großindustrie« gestaltet worden, meint Karin Schulz von der Selbsthilfeinitative allein Erziehender e.V. Da sei es nicht verwunderlich, dass auch von der rot-grünen Familienpolitik nur besser Verdienende profitieren. »Und gerade für unsere Klientel trifft das 'besser verdienend' ja eher weniger zu.«

»Wir als Parteien der bürgerlichen Mitte messen der Familie traditionell eine überragende Bedeutung bei«, sagt Stoiber. Das ist auch Schröders Meinung. Den Bundeskanzler plagt »die Überalterung der Gesellschaft« und er beschuldigt die Linke, die wegen ihrer Berührungsängste mit einem »reaktionären Verständnis der Geschlechterrollen« die Familienpolitik zu einer »Domäne der Konservativen« habe werden lassen.

Nun plagt die Konservativen seit den Anfängen der Frauenbewegung vor allem ein Gedanke: Wie bringen wir Frauen dazu zu glauben, Windelnwechseln, Kloputzen und die Betreuung des Ehegatten hätten etwas mit Selbstverwirklichung zu tun? Schröder erklärt es ihnen: »Eine Politik, die vom 'bevormundenden' Staat zu einem 'aktivierenden' Staat kommen will«, müsse die Menschen genau dort »aktivieren«, »wo ihre unmittelbare Selbstverwirklichung beginnt, in der Familie«. Es sei »überhaupt kein Verrat an der Frauenbewegung, wenn sich Frauen dafür entscheiden, sich auf unbezahlte Arbeit in Haus und Familie zu konzentrieren - also eine Arbeit zu verrichten, die im Zuge der Förderung der Zivilgesellschaft immer wichtiger wird«.

Allein erziehende Männer kommen in Schröders Vorstellungen nicht vor. Entweder spricht er von Männern und Frauen, die keine Kinder wollen, oder von Frauen, die sich zwischen Kind oder Karriere entscheiden müssen. Zwar weist Schröder auf die gleichen Bildungschancen von Mädchen und Jungen hin; dies wird den gut ausgebildeten Frauen aber nicht weiterhelfen, wenn er gleichzeitig die Forderung von Feministinnen nach einer Frauenquote in der Privatwirtschaft mit der Bemerkung abschmettert, man könne sich ja nicht um alles kümmern.

Und die Selbstverwirklichungsrhetorik über die »Frau in der Familie« kommt dem Bundeshaushalt, in Anbetracht der hohen Pflege- und Betreuungskosten für ältere Menschen und Kinder, sicherlich zugute. Wenn aber alle Erziehenden steuerlich gleich behandelt würden, wäre der Bundeshaushalt jährlich mit etwa 30 Milliarden Euro zusätzlich belastet. Und das kann ja keiner wollen.