Die Regierung bringt die Medien unter Kontrolle

Senden und herrschen

Während unabhängige italienische Medien in ihrer Existenz bedroht werden, will Silvio Berlusconi das staatliche Fernsehen unter seine Kontrolle bringen.

Er gilt als der einflussreichste Medienunternehmer Italiens, und vieles deutet darauf hin, dass sich Silvio Berlusconi gerne ein vollständiges Monopol verschaffen möchte. Besonders interessiert zeigt er sich derzeit an der Frage, wer die Fernseh- und Rundfunkanstalt Radiotelevisione Italiana (Rai) künftig kontrollieren soll.

Dort sollten das Amt des Präsidenten sowie der fünfköpfige Verwaltungsrat neu besetzt werden. Francesco Rutelli vom Oppositionsbündnis Olivenbaum wähnte sich bereits in einer »sehr harten Schlacht um die Freiheit« und warnte vor einer Übernahme des Senders durch den TV-Unternehmer Berlusconi.

Nun ist es in Italien schon fast eine Tradition, dass die jeweiligen Regierungen die Führungsriege der Rai gegen Figuren austauschen, die ihnen genehm sind. Diesmal jedoch kommt ein weiterer Aspekt hinzu. Silvio Berlusconi ist nicht nur Regierungschef, sondern zugleich auch Besitzer des Konzerns Mediaset, des größten privaten Konkurrenten der Rai.

Zum Konzern des Ministerpräsidenten, dessen Firmenlogo eine Schlange ziert, gehören mit Italia 1, Rete 4 und Tele 5 drei Fernsehsender. Wenn Berlusconi nun auch noch die Rai beherrschen könnte, wäre sein Monopol nahezu komplett. An seinen Absichten jedenfalls ließ er nie Zweifel aufkommen. Schon vor geraumer Zeit bezeichnete er den Sender als einen »politischen Killer«, der seine Ambitionen bedrohe.

Dass sich nun die Pläne Berlusconis etwas verzögerten, lag vor allem an dem christdemokratischen Parlamentspräsidenten Pier Ferdinando Casini, der gemeinsam mit dem Senatspräsidenten Marcello Pera für die Ernennung der Rai-Leitung zuständig ist. Neben der Opposition pochten nämlich die Christdemokraten wie auch die Nationale Allianz und die Lega Nord darauf, eigene Vertreter in den Verwaltungsrat zu entsenden.

Berlusconi drohte in der vergangenen Woche sogar mit Neuwahlen und sprach, durchaus als Kenner der Materie, von einer »Seifenoper«. Er selbst kann sich bei der Nominierung seiner Günstlinge noch nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen. Erst in der nächsten Woche wird sich das Parlament mit einem lange angekündigten und von der Opposition bekämpften Gesetzentwurf befassen, der, falls er verabschiedet wird, den Interessenkonflikt zwischen dem Firmeneigner und obersten Staatsdiener Berlusconi zu dessen Gunsten regelt.

Am Freitagabend einigte man sich schließlich auf den der Nationalen Allianz nahe stehenden Antonio Baldassarre als neuen Chef der Rai. Der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichts hatte sich in der Vergangenheit als unermüdlicher Gegner der liberalen italienischen Abtreibungsregelung einen Namen gemacht.

Fast gleichzeitig mit dem Machtkampf um die Rai spielt sich noch eine weitere Auseinandersetzung ab, in der es ebenfalls um die Unabhängigkeit der Medien geht. Denn während sich Berlusconi noch um die Kontrolle der staatlichen Anstalt bemüht, beschäftigte sich in der vergangenen Woche sein Minister für Telekommunikation, Maurizio Gasparri, mit einem der bekanntesten autonomen Radiosender in Italien. Die Existenz des legendären freien Radios Onda Rossa (Rote Welle) steht auf dem Spiel, da ihm die Sendefrequenz entzogen werden soll.

Radio Onda Rossa ist inzwischen seit 25 Jahren in Rom zu empfangen. Freie Sender wie Radio Alice in Bologna oder Radio Città Futura, Onda Rossa und Radio Proletaria in Rom waren mit einem Dutzend weiterer Kollektive in zahlreichen Städten ein Produkt der kulturrevolutionären Bewegung, die 1977 in Italien ihren Höhepunkt erreichte.

Damals eskalierten die Auseinandersetzungen zwischen der autonomen Bewegung und der Staatsmacht, was zu einer Militarisierung des Konflikts führte. Als die Bewegung zersplitterte, versuchten die freien Radios in den folgenden Jahren, zumindest die Verbindung zwischen den zahlreichen Gruppen aufrechtzuerhalten.

Die Gegenöffentlichkeit der freien Radios wirkte bei vielen Initiativen mobilisierend. Stundenlange Debatten live zu übertragen oder vor Hunderten von Zuhörern improvisierte Radiokonferenzen offen zu moderieren war eine mediale Innovation, die allerdings bald von den kommerziellen Talkshows übernommen wurde.

In gewisser Weise waren die experimentellen Labors der freien Radios sogar Vorläufer und Wegbegleiter des Aufstiegs der kommerziellen Privatsender, wie etwa der Biscione-Gruppe des amtierenden Ministerpräsidenten.

Radio Onda Rossa konnte sich jedenfalls halten, hat sich im Laufe der Zeit eine feste Redaktion aufgebaut und sich professionalisiert. Im Juli des vergangenen Jahres war Onda Rossa auch in Genua auf Sendung und gründete dort, zur landesweiten Übertragung der Gegenaktivitäten während des G 8-Gipfels, das Netzwerk Radiogap, das heute noch existiert.

Seit 1995 sendet die Rote Welle auf der Frequenz 87,9 Mhz, die sie von einem bankrotten kommerziellen Radio übernahm. Der Rechtsnachfolger dieses Radios hat jedoch vor kurzem vor dem Verwaltungsgericht von Latium die Aufhebung eines Urteils erreicht, mit dem ihm vor Jahren seine Frequenz entzogen worden war.

Gasparri hat deshalb nun Radio Onda Rossa die Frequenz entzogen. Seiner Meinung nach könne Onda Rossa doch problemlos auf ihre ehemalige Frequenz 93,3 Mhz wechseln, die jedoch leider seit 1987 von der starken Ausstrahlung des Vatikansenders überlagert wird. In der Konsequenz käme diese Entscheidung einer Schließung von Onda Rossa gleich.

Neben den freien Radios sind mittlerweile Internet-Netzwerke wie indymedia wichtiger Bestandteil der Gegenöffentlichkeit in Italien. Insbesondere während des G8-Gipfels in Genua im vergangenen Juli stellten sie mit ihrer detaillierten Berichterstattung die offizielle Version der Ereignisse in Frage. Auch damit soll es wohl bald vorbei sein, jedenfalls legen die Durchsuchungen von indymedia-Büros im ganzen Land, die ebenfalls in der vergangenen Woche stattfanden, diese Vermutung nahe.

Als die Carabinieri am Mittwoch vergangener Woche die Büros des italienischen Ablegers von indymedia durchsuchten, wurden sie im Teatro polivalente occupato in Bologna, in den selbstverwalteten Sozialen Zentren in Turin und Florenz sowie im Büro der Cobas (Basisgewerkschaft) in Taranto vorstellig. Außerdem statteten sie dem Demokratischen Anwaltsverein in Bologna einen Besuch ab.

Im Zuge einer Gegenermittlung zu den Polizeiübergriffen während des G 8-Gipfels in Genua hatten Aktivisten des indymedia-Netzwerkes an Augenzeugen appelliert, Berichte und Zeugnisse jeder Art zur Aufarbeitung und zur Dokumentation einzusenden.

Für diese Dokumente, besonders für die Filmaufnahmen, interessiert sich seit dem vergangenen Sommer auch die Genueser Staatsanwaltschaft. Die Aufforderung, ihr Filmmaterial zu übergeben, erging zuvor bereits an die Rai und die Mediaset-Gruppe und führte, trotz der Vorbehalte internationaler Journalistenorganisationen, zu einigen Durchsuchungen.

Während der jüngsten Razzien sind mindestens 130 Stunden Filmmaterial beschlagnahmt worden. Mehr als an einer Dokumentation der Übergriffe der Carabinieri und der Polizei, etwa bei der Erstürmung der Diaz-Schule, dürfte den Untersuchungsrichtern an juristisch verwertbaren Beweisen gegen Demonstranten gelegen sein, die nach der gewaltsamen Auflösung des Zuges in der Via Tolemaide in stundenlange Scharmützel mit den Ordnungskräften verwickelt waren. Die rüde Art des Vorgehens der Carabinieri macht jedenfalls den Eindruck einer Strafaktion.