Prozess gegen einen Polizisten in Österreich

Innenpolitik mit Todesfolge

Richter Alexander Fiala ist ziemlich entspannt in diesen Tagen. Und er beweist seltsamen Humor. Als drei bulgarische Zeuginnen vorige Woche nicht wie geplant vor Gericht erschienen, ließ das Fiala kalt: »Ich fahre jetzt sicher nicht nach Bulgarien - dann schon eher auf die Malediven zum Tauchen.«

Vielleicht ist das ja seine Art, mit Stresssituationen umzugehen, denn derzeit hat er den Vorsitz in einem spektakulären Prozess inne, der in der niederösterreichischen Kleinstadt Korneuburg geführt wird. Vor Gericht stehen drei Fremdenpolizisten, die der Anklage zufolge den Tod des nigerianischen Abschiebehäftlings Marcus Omofuma verursacht haben sollen (Jungle World, 31/00).

Der damals 25jährige Omofuma war während des Abschiebeflugs nach Sofia qualvoll erstickt. »Wie eine Mumie«, heißt es in der Anklageschrift, hätten ihn die Beamten gefesselt und geknebelt, um zu verhindern, dass er Gegenwehr leistet. Die Staatsanwaltschaft wirft den Polizisten das »Quälen eines Gefangenen mit Todesfolge« vor, ein Delikt, das in Österreich mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren geahndet wird.

Noch löst der Prozess vor allem einen Widerstreit der Meinungen aus. Das Gutachten eines österreichischen Gerichtsmediziners behauptet, Omofuma habe an einer Herzschwäche gelitten und nur deshalb die Knebelung nicht überlebt. Ein bulgarisches Gutachten allerdings konnte eine solche Herzschwäche nicht feststellen und kommt deshalb zu dem Schluss, Omofuma sei an der Knebelung erstickt. Ein von dem deutschen Gerichtsmediziner Bernd Brinkmann erstelltes Gutachten schließt sich dem Befund der bulgarischen Kollegen an.

Politisch interessant wird der Prozess aber erst in dieser Woche. Da werden drei ehemalige österreichische Innenminister in den Zeugenstand treten müssen. Und zwar auf Wunsch der Verteidigung. Vielleicht ist es paradox, aber der Verteidigung der drei Fremdenpolizisten kommt in diesem Prozess die Aufgabe zu, den Fall Omofuma als das zu entlarven, was er ist: eine direkte Folge der parteiübergreifenden österreichischen Politik, Abschiebungen um jeden Preis durchzuführen.

Farid Rifaat, der Verteidiger von zwei der drei Angeklagten, will beweisen, dass es sich nur in zweiter Linie um ein offensichtliches Fehlverhalten der drei beteiligten Beamten handelte, in erster Linie aber um eines: Innenpolitik mit tödlichem Ausgang. Dass überhaupt Klebebänder dazu benutzt worden waren, um einen Abschiebehäftling im Flugzeug ruhig zu stellen, scheint gängige Praxis gewesen zu sein und nicht die originäre Idee der Angeklagten in einem Einzelfall.

Interessanterweise handelt es sich bei allen drei Ministern, die mit diesem Vorwurf der Verteidigung konfrontiert sind, um ehemalige sozialdemokratische Politiker. Das offenbart den stillen politischen Konsens aller etablierten Parteien.

Ein Konsens freilich, den die drei Fremdenpolizisten besonders brutal durchgesetzt zu haben scheinen. Denn einer von ihnen hat zumindest schon zugegeben, vom Risiko eines Todes des Abschiebehäftlings gewusst zu haben: »Ich habe ihm sogar den Puls gefühlt«, sagte er während des Prozesses. Was Richter Fiala ganz richtig zu werten wusste: »Aber das mache ich doch nur, wenn ich Angst habe, der könnte mir sterben.«