Neue Konflikte zwischen Iran und den USA

Krieg der Puppen

Nach kurzer Entspannung hat sich der Konflikt zwischen dem Iran und den USA wieder verschärft.

Iranische Mullahs haben im Kampf der Kulturen eine neue Waffe gegen die Invasion westlicher Dekadenz erfunden. Die Puppen Sara und Dara sollen die Werte des Gottesstaates schon in der Kinderstube verteidigen. Das Institut für die intellektuelle Entwicklung von Kindern und jungen Erwachsenen hofft, dass seine Mitte März auf den Markt gebrachte Schöpfung sich gegen die US-Produkte Barbie und Ken behaupten kann, die trotz des offiziellen Handelsembargos ihren Weg auf iranische Ladentische finden.

Im Gegensatz zu den meist spärlich bekleideten Barbies trägt Sara ein weißes Kopftuch, als Bekleidungsalternative steht auch ein Tschador zur Verfügung. Bislang aber verläuft der Verkauf schleppend. Zudem haben die Mullahs, die selbst wohl nie mit Puppen spielten, nicht bedacht, dass Kinder Puppen gerne ausziehen. Die meisten Saras dürften im Kinderzimmer schon von ihrem Schleier befreit worden sein. Pädagogische Maßnahmen können sich, insbesondere in ideologisch geprägten Diktaturen, leicht gegen ihre Urheber wenden.

Der Krieg der Puppen zeigt, dass sich die Mullahs große Sorgen um die Loyalität jener 30 Millionen Iraner machen, die jünger als fünfzehn Jahre sind. Denn es sind insbesondere Angehörige der unter dem islamistischen Regime aufgewachsenen Generation, die sich an Widerstandsaktionen beteiligen. So lieferten sich beim altpersischen Ritual des Springens über das Feuer anlässlich des Neujahresfestes zum Frühlingsbeginn in den vergangenen Wochen Jugendliche Straßenkämpfe mit den Sittenwächtern der paramilitärischen Bassijis. Drei Jugendliche wurden bei den Auseinandersetzungen getötet und über hundert verletzt.

Noch aber hat die staatliche politische Kaste der Mullahs alle Fäden in der Hand. Dialog und Kompromisse gibt es nur im engen Rahmen der islamistischen Diktatur. Auch die Vertreter der so genannten Gemäßigten um Präsident Mohammad Khatami halten am chomeinistischen Staatsmodell fest. Und das Regime fühlt sich stark genug, um sich als selbstbewusste Macht zu präsentieren.

Anfang Februar hatte man die Akkreditierung des neuen britischen Botschafters David Reddaway mit der Begründung abgelehnt, dass der Mann ein »zionistischer Spion« sei. Das war ein Rückschlag für die insbesondere von Deutschland und Großbritannien verfolgte Politik des »konstruktiven Engagements«. Als der demokratische Abgeordnete Joseph Biden vom Auswärtigen Ausschuss des US-Senats sich mit Vertretern des iranischen Parlaments treffen wollte, um die bilateralen Beziehungen zu verbessern, winkte man in Teheran ab.

Eine reale Annäherung an die so genannte Anti-Terror-Koalition vermieden die Iraner. Khatami setzte dieser Koalition den Vorschlag einer »Weltkoalition für Frieden« entgegen. Israel allerdings, das Khatami als »Krebsgeschwür« im Herzen der islamischen Welt darstellt, wäre von dieser Koalition ausgeschlossen, während der Terrorismus der Hamas und des Islamischen Jihad dem iranischen Regime als legitimer Widerstand gilt.

So folgte auf die kurzfristige Entspannung im Verhältnis zu den USA nach dem 11. September eine neue Konfrontation. Der Iran gehört zu den sieben Ländern, für die nach den Worten des US-Außenministers Colin Powell eine »solide militärische Planung« existiert, zu der auch der mögliche Einsatz von Atomwaffen gehört. Dem iranischen Regime wurde vorgeworfen, neue Massenvernichtungswaffen zu entwickeln.

»Jene, die an Verhandlungen denken, wenn sie bedroht werden, enthüllen nur ihre Schwäche und Unfähigkeit«, erklärte der religiöse Führer Ali Khamenei, der den Kurs in der Außenpolitik festlegt. Auch Khatami betonte der offiziellen irantimes zufolge, dass Iran nicht zögern werde, jeglicher US-Drohung zu widerstehen. Es werde »niemand sicher sein, nicht einmal die Führung (...), die mit dem Einsatz nuklearer Macht droht«, erklärte er Mitte März bei einem Besuch in Griechenland.

Bei relevanten Fragen lassen sich die vermeintlichen Kontrahenten Khatami und Khamenei offenbar nicht auseinander dividieren. Als die US-Regierung vorige Woche bekannt gab, dass die Konservativen die Einladung des US-Senators Joseph Biden blockieren würden, erklärte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Hamid Reza Asefi, dass die USA versuchten, die verschiedenen Fraktionen des Iran zu spalten. »Wir haben in der Vergangenheit gezeigt, und werden dies in Zukunft tun, dass sich unsere Einschätzungen der US-Bedrohung nicht unterscheiden«, konterte Asefi, der den Liberalen zugerechnet wird. Zuvor allerdings hatten einige Anhänger Khatamis gesagt, dass sie die Kontaktaufnahme nicht ablehnen würden. Voraussetzung dafür wäre jedoch, dass die USA den Iran akzeptiere, über die Diktatur also nicht gesprochen werden dürfe.

Bereits vor den jüngsten US-Drohungen rüstete die Islamische Republik auf. Zwar wurde der Plan, Langstreckenraketen der Modelle »Schahab 4« und »Schahab 5« mit 4 000 Kilometern Reichweite zu bauen, Ende Februar aufgeschoben. Das Regime betrachtet die zur Verfügung stehenden Raketen des Modells »Schahab 3« mit einer Reichweite von 1 200 Kilometern derzeit als ausreichend. Sie könnten Tel Aviv und andere Städte in Israel erreichen. Vorrangig sei nun der zügige Bau von modernen Luftabwehrraketen.

Die Entscheidung über das neue militärische Aufrüstungsprogramm des Iran wurde vom Obersten Rat der Nationalen Sicherheit und vom Obersten Rat der Nationalen Verteidigung getroffen. Vorsitzender beider Gremien ist Präsident Mohammad Khatami. Der religiöse Führer Ajatollah Ali Khamenei ist der Supervisor beider Gremien und der Oberste Befehlshaber aller iranischen Streitkräfte. Khatami entscheidet über die Aufrüstungspolitik und Khamenei über Krieg und Frieden.

Die Entscheidung, sich verstärkt um eine moderne Luftabwehr zu bemühen, dürfte auf die Erfahrung des Afghanistan-Krieges zurückgehen. Die iranischen Machthaber sorgen sich wegen der Präsenz der US-Truppen im Nachbarland und fühlen sich von der militärischen Übermacht des Westens umzingelt. Khatami forderte deshalb den Rückzug der ausländischen Truppen aus Afghanistan: »Eine sich entwickelnde Region braucht nicht die Präsenz militärischer Macht. Sie braucht Solidarität.«

Unklar bleibt, wem die Solidarität der Mullahs gilt. Offiziell unterstützt man die Interimsregierung von Hamid Karzai. Doch es gibt zahlreiche Hinweise darauf, dass iranische Militär- und Geheimdienstangehörige sie zu destabilisieren versuchen, indem sie den westafghanischen Warlord Ismail Khan und die islamistische Hizb-i-Islami unterstützen.

Der CIA-Direktor George Tenet erklärte vorige Woche, dass der Iran weiterhin al-Qaida-Mitgliedern und Taliban erlauben würde, über die iranische Grenze zu fliehen. Der Iran verhalte sich »schlimmer als schizoid«. Während Teheran zu Beginn des Krieges eine gewisse Kooperationsbereitschaft zeigte, versuche man nun, den US-Einfluss in Afghanistan zu unterminieren. Die traditionelle Spaltung zwischen Sunniten und Schiiten habe in den terroristischen Gruppen an Bedeutung verloren, urteilte Tenet, denn »es gibt gemeinsame gegen die Vereinigten Staaten und ihre Alliierten in der Region gerichtete Interessen«.