Kirchs Imperium vor dem Ende

Der Medienmarkt macht die Musik

»Dass ein Mann, der etwa 90 Prozent des italienischen Fernsehmarkts und einen Großteil der dortigen Printmedien beherrscht, jetzt auch maßgeblichen Einfluss auf den deutschen Medienmarkt erhalten könnte, ist ungeheuerlich.« Wolfgang Clement, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, ist außer sich darüber, dass der italienische Unternehmer und Staatschef Silvio Berlusconi demnächst die Mehrheit der Kirch-Media übernehmen könnte und damit das Sagen hätte bei Pro7, Sat1, Kabel1, DSF, Premiere und wie sie alle heißen.

Clement hat deshalb seine Düsseldorfer Staatskanzlei damit beauftragt, die Übernahme rechtlich zu prüfen. Schließlich sei durch Berlusconis drohendes Engagement bei Kirch der Artikel 5 des Grundgesetzes tangiert, in dem die Pressefreiheit garantiert ist. Die von Berlusconi »personifizierte Politik- und Meinungsmacht ist mit dem deutschen Verfassungsverständnis unvereinbar«, so der SPD-Politiker.

Clement muss es ja wissen. Schließlich ist er vom Fach, war Journalist, später Chefredakteur, und dass er dabei gelernt hat, wie man mit Reportern umgeht, zeigt er in seinem Job als Ministerpräsident. »Sie glauben doch nicht, mir hier ständig dazwischenquatschen zu können. Wen glauben Sie eigentlich, wen Sie hier vor sich haben«, brachte er vor zwei Jahren vor laufender Kamera einen Reporter des WDR-Magazins »Monitor« zum Schweigen. Und als der Spiegel vor einiger Zeit in Clements Flugaffäre zu tief schürfte, wetterte der Ministerpräsident gegen den »Kampagnen-Journalismus« und zog vor den Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats.

Weil auch sie sich kritische Nachfragen ersparen wollten, schufen die Unionsparteien und die FDP Anfang der achtziger Jahre den privaten Rundfunk als Gegengewicht zum vermeintlichen »Rotfunk« der öffentlich-rechtlichen Sender. Die SPD gab ihren Widerstand bald auf und verkündete 1984 ihr »medienpolitisches Aktionsprogramm«, in dem sie sich zum Privatfunk bekannte.

Der Weg war frei für einen Rundfunkstaatsvertrag, in dem 1987 die schöne neue Welt des »dualen Rundfunksystems« festgeschrieben wurde. Seither gibt auch bei den elektronischen Medien der Markt den Ton an - und alle sind damit einverstanden. Allen voran Clement, seit jeher ein Förderer des Privatfunks, was ihm den Spitznamen »Mister Mediaworld« einbrachte.

In der Auseinandersetzung um den wichtigsten deutschen »Medienstandort« hat Clement RTL/Bertelsmann in NRW stets nach Kräften unterstützt gegen den Hauptkonkurrenten, die Kirch-Media in Bayern. Und er hat sich dabei geschickter angestellt als sein bayerischer Konterpart Edmund Stoiber, der seinem Freund Kirch so viele Kredite vermittelte, dass er wohl kaum unbeschadet davonkommen dürfte, wenn das Ganze platzt.

Was Bertelsmann-Clement freuen würde, muss Kirch-Stoiber verhindern. Berlusconis Einstieg bei Kirch dürfte Stoiber deshalb durchaus gelegen kommen, weil seine angebliche Wirtschaftskompetenz, mit der er im Wahlkampf wuchern will, dann keinen allzu großen Kratzer abbekommen würde. Und weil er wieder einen rechten Verbündeten hätte, der ihm mit seiner Medienmacht im Wahlkampf assistieren könnte.

Sollte der italienische Ministerpräsident tatsächlich demnächst größeren Einfluss auf die deutsche Medienlandschaft erhalten, wäre das zweifellos »schon ziemlich speziell«, wie die Neue Zürcher Zeitung süffisant anmerkte.

Dass deshalb aber alles schlimmer wird als unter Kirch, dass deshalb politische und wirtschaftliche Korruption eine »krakenhafte Ausbreitung« erfahren werden, wie die Süddeutsche Zeitung befürchtet - geschenkt. Die Korruption gedeiht in Deutschland nicht schlechter als anderswo. Konservative Propaganda läuft hier schon auf allen Kanälen, und die Gesellschaft neoliberal umbauen können linke Regierungen hierzulande ebenso gut wie rechte.